Mit einer spektakulären Kletteraktion an der Hamburger Elbphilharmonie haben Aktivist:innen von ROBIN WOOD, Ende Gelände Hamburg und Gegenstrom am Montag gegen den Ausbau von Erdgasinfrastruktur und für Klimagerechtigkeit demonstriert. Einen Tag vor Beginn des SystemChange-Camps in Hamburg entrollten die Aktivist:innen zwei große Banner mit der Aufschrift „Exit Gas Now!“ und „Neokolonialen Kapitalismus bekämpfen“ an der Fassade des Wahrzeichens der norddeutschen Hafenstadt.
„Fossiles Gas ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise und verschärft globale Ungerechtigkeiten“, sagte Ronja Heise, ROBIN WOOD-Energiereferentin. Trotzdem plant die Bundesregierung bis zu zwölf neue Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland und versuche, deren Bau im Eiltempo durchzudrücken. Noch rund 20 Jahre soll importiertes Erdgas in den Terminals umgeschlagen werden. „Das geht komplett in die falsche Richtung und untergräbt den längst überfälligen Ausstieg aus den fossilen Energien“, kritisiert Heise.
Flüssiggas (LNG) ist besonders schädlich für Umwelt, Klima und Menschen. Ein erheblicher Teil des Flüssiggases wird durch die extrem umweltschädliche Fracking-Methode gewonnen. In der gesamten LNG-Produktionskette tritt klimaschädliches Methan aus. Zudem sind die Umwandlung und der Transport von Flüssiggas sehr energieaufwändig, warnt Ende Gelände.
Was ist Fracking und wie funktioniert es?
Der Begriff Fracking steht für „Hydraulic Fracturing“. Es handelt sich um eine Methode zur Förderung von Gas- und Ölvorkommen, die nicht in großen Blasen im Untergrund gespeichert sind, sondern im Gestein festsitzen (sogenannte unkonventionelle Lagerstätten). Dieses wird hydraulisch aufgebrochen, das heißt, über Bohrungen wird mit hohem hydraulischem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die tiefen Gesteinsschichten eingepresst, um Risse zu erzeugen oder bestehende Risse zu weiten. Bei dem Gestein handelt es sich oft um Tongesteine, darum spricht man umgangssprachlich auch von Schiefergas. Wenn darin Erdgas oder Erdöl enthalten ist, dann kann dieses durch den Prozess freigesetzt und durch Bohrleitungen an die Oberfläche geleitet werden. Doch der Treibhausgasfußabdruck bei der LNG-Förderung ist noch größer als der von Kohle. Der Grund ist nicht nur das CO2, das bei der Verbrennung von Erdgas entsteht. Erdgas besteht zu einem großen Teil aus Methan, einem Gas, das sogar um den Faktor 20 klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Und schon während der Arbeiten am Bohrloch und bei der Gasförderung von Schiefergas entweichen beträchtliche Mengen Methan ungehindert in die Atmosphäre. Hinzu kommt: Auch wenn die Fracking-Bohrlöcher längst aufgegeben sind, kann noch Methan austreten. Umweltorganisationen befürchten darüber hinaus, dass die Fracking-Flüssigkeit über kurz oder lang durch Risse unkontrolliert in darüberliegende Grundwasserschichten eindringen könnte. Gefahr geht aber auch vom sogenannten Flowback aus, denn er könnte durch eine undichte Bohrloch-Ummantelung direkt in wasserführende Schichten gelangen - oder direkt in die Landschaft.
Kolonialismus im globalen Süden
„Für die lokale Bevölkerung in den Exportländern bedeutet LNG oftmals Vertreibung, Gesundheitsschäden und die Zerstörung ihrer Kultur und Lebensgrundlagen. So bedroht in der Coastal Bend Region in Texas der Bau eines LNG-Export-Terminals heilige Orte der indigenen Gemeinschaft der Carrizo/Conmecrudo. Sie wehren sich seit Jahren gegen die Profit- und Ressourcen-Gier europäischer Firmen“, betonen ROBIN WOOD, Ende Gelände Hamburg und Gegenstrom.
Jetzt auf Flüssiggas zu setzen, bedeute daher, für den Energieverbrauch der deutschen Wirtschaft Menschen und Umwelt in anderen Teilen der Erde auszubeuten. „Wir stellen uns gegen diese neokolonialen Muster und an die Seite der Menschen im globalen Süden, die seit Jahrzehnten für Klimagerechtigkeit kämpfen“, sagt ROBIN WOOD-Aktivistin Anna Neu.
Noah Ling von gegenstrom ergänzt: „Als Hafen- und Handelsstadt beruht der Reichtum Hamburgs zu einem erheblichen Teil auf ausbeuterischen, globalen Handelsbeziehungen. Hier kommen Waren an, die unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wurden. Hier wird die Blutkohle umgeschlagen, die in den Kraftwerken verfeuert wird. Und hier hätte der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher gern auch noch ein neues Terminal für LNG. Das geht gar nicht.“
Konsequente Energieeinsparungen und Ausbau erneuerbarer Energien
Die Aktivist:innen fordern, konsequent auf Energieeinsparungen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen. Dabei gelte es, ein sozial gerechtes Energiesystem für alle Menschen zu schaffen – und nicht die Belange der Unternehmen an erste Stelle zu setzen. „Russisches Erdgas durch LNG aus Katar oder den USA zu ersetzen, spielt Großverbrauchern in die Tasche, etwa der Plastik- und Düngemittelindustrie. Diese sollen ihr Geschäftsmodell ungestört weiterführen können. Aber angesichts der Klimakrise und globaler Ungerechtigkeit müssen wir radikal prüfen, für was wir wie viel Energie aufwenden können. Und wir müssen endlich aufhören, auf Kosten anderer und der Zukunft zu leben!“, sagt Charly Dietz, Pressesprecherin von Ende Gelände.
LNG-stoppen-Demonstration an den Landungsbrücken am Mittwoch
Während der Bau eines LNG-Terminals in Wilhelmshaven bereits begonnen hat, wächst die Anti-LNG-Bewegung. Ab morgen werden Tausende Klimaaktivist:innen auf dem SystemChange-Camp im Altonaer Volkspark erwartet. Für kommenden Mittwoch lädt ein breites Bündnis zu einer LNG-stoppen-Demonstration an den Landungsbrücken. Für Ende dieser Woche hat Ende Gelände zu Aktionstagen gegen fossile Infrastruktur im Großraum Hamburg aufgerufen.
Foto: Pay Numrich / ROBIN WOOD