Hambacher Forst: „Menschen nehmen Zerstörung nicht länger hin“

„Seit Beginn der Räumung reisen Menschen bundesweit an, um an Protestaktionen teilzunehmen. Die Menschen nehmen nicht länger hin, dass ein Konzern mithilfe der Polizei unsere Zukunft zerstört“, erklärt „Ende Gelände“ zur Situation im Hambacher Wald.

Ende Gelände, ein breiter Zusammenschluss von Klimaaktivist*innen, äußert sich im ANF-Interview zur aktuellen Situation im Hambacher Forst, wo seit Tagen Baumhäuser geräumt und Bäume gefällt werden. Der Kohle-Konzern RWE will den Hambacher Wald roden, um den Braunkohle-Tagebau zu erweitern.

Was ist „Ende Gelände“, woher kommt ihr, was habt ihr vor dem Widerstand im Hambacher Forst gemacht?

Im Energiewendeland Deutschland wird immer noch ein Viertel des Stroms mit Braunkohle gewonnen. Braunkohle ist der schmutzigste fossile Energieträger. In Deutschland verfehlen wir unsere Klimaziele, weil wir weiterhin auf diesen Energieträger setzen. Dagegen organisiert Ende Gelände Massenaktionen zivilen Ungehorsams. Dabei blockieren wir mit unseren Körpern Kohleinfrastruktur Wir fordern den sofortigen Kohleausstieg, um die Klimakrise zu stoppen und setzen uns für Klimagerechtigkeit ein.

2015 gab es im rheinischen Braunkohlerevier eine Aktion mit 1500 Menschen, 2016 waren wir in der Lausitz und haben mit 4000 Menschen für ein Wochenende das Kraftwerk Schwarze Pumpe blockiert. Im vergangenen Jahr war Ende Gelände im Rahmen des Flächenkonzepts im August und im November haben wir im Hambacher Revier blockiert, um während der UN-Klimakonferenz COP23, die in Bonn stattgefunden hat, der Weltöffentlichkeit zu zeigen, wie schmutzig die Energiepolitik Deutschlands eigentlich ist.

Warum protestiert ihr im Hambacher Forst und welche Perspektiven seht ihr für den Widerstand?

Wir protestieren – neben vielen anderen Initiativen – im Hambacher Wald, weil RWE dort Fakten schaffen will. RWE will ohne zwingenden Grund (aktuell hat der Konzern bis zum Wald noch Kohle für zwei Jahre, das hat der BUND NRW auf seiner Internetseite im Detail dargelegt) den uralten und schützenswerten Hambacher Wald roden, obwohl wir mitten in der Klimakrise stecken, deren Auswirkungen Menschen am eigenen Körper bereits jetzt spüren. Währenddessen tagt die Kohlekommission in Berlin und verhandelt einen Kohleausstieg. Es ist überhaupt nicht gewiss, ob nach diesen Verhandlungen überhaupt noch gerodet werden muss. Dass RWE, unterstützt von der Landesregierung, in dieser Situation den seit Jahren besetzen Wald räumen lässt und roden will, ist als bewusste Provokation im Konflikt um den Erhalt des Hambacher Waldes zu werten.

Die gerade stattfindende Räumung der Baumhäuser setzt den Einsatz vom 6. September fort, an dem RWE bereits eine Baumhaus-Plattform zerstörte und Bäume fällte. Ende Gelände rief daraufhin gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Aktion Unterholz, der Bürger*inneninitiative Buirer für Buir und Waldbewohner*innen den sogenannten Tag X aus, woraufhin die Arbeiten im Wald eingestellt wurden. Am folgenden Tag bauten Hunderte Menschen mit der Aktion Unterholz die zerstörten Strukturen wieder auf und am Sonntag setzten sich 1300 Menschen beim Waldspaziergang für den Erhalt des Hambacher Forstes ein. Seit Beginn der Räumung reisen Menschen bundesweit an, um an Protestaktionen im und um den Hambacher Wald teilzunehmen. Zahlreiche Solidaritätsbekundungen erreichen uns aus ganz Europa. Die Menschen nehmen nicht länger hin, dass ein Konzern mithilfe der Polizei unsere Zukunft zerstört!

Wie sieht es aktuell aus, wie läuft die Räumung und wie der Widerstand?

Die Landesregierung von NRW ordnete am vergangenen Mittwoch durch die Bauministerin Ina Scharrenbach die sofortige Räumung der Waldbewohner*innen an. Begründet werden die Räumung und der Einsatz von mehreren Hundertschaften der Polizei mit „Gefahr aus Brandschutzgründen". Um die 60 Baumhäuser im Hambacher Wald zu räumen, schlägt die Polizei riesige Schneisen in den Wald, um mit schwerem Gerät zu den Baumhäusern vorzudringen. Aktuell sind Tausende Beamte, zum Teil mit Spezialausbildung, im Einsatz. Selbst der Bund der Kriminalbeamten hat sich in den vergangenen Tagen gegen diesen Einsatz ausgesprochen.

Wie bewertet ihr die Medienberichterstattung?

Insgesamt ist das Medieninteresse enorm und zum großen Teil sehr positiv dem Widerstand gegenüber. Das spiegelt auch den Wunsch eines Großteils der Gesellschaft in Deutschland nach einem zügigen Kohleausstieg wider. 

Wie kann man euren Widerstand unterstützen - welche Aktivitäten sind geplant?

Ende Gelände wird sich Anfang Oktober 2018 mit einer Aktion zivilen Ungehorsams der Räumung und Rodung des Waldes entgegenstellen. Vom 25. bis 29. Oktober fordert Ende Gelände dann gemeinsam mit Aktivist*innen aus ganz Europa in einer Massenblockade des Braunkohletagebaus Hambach den sofortigen Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit weltweit.