In der österreichischen Hauptstadt Wien besetzen Klima-Aktivist:innen bereits seit einer Woche mehrere Autobahnbaustellen. Wir haben mit Lena Schilling* vom Jugendrat Wien über die Hintergründe gesprochen
Vergangenen Montagmorgen habt ihr die erste Baustelle der Stadtautobahn Aspern besetzt, inzwischen blockiert ihr noch drei weitere Baustellen. Warum das ganze?
Hier werden mitten in der Klimakrise weitere Autobahnen gebaut, das ist völlig unverantwortlich, es wird zu noch mehr CO2-Emissionen führen. Außerdem fehlt das Geld, das in den Straßenausbau fließt, für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Die Polizei ist bislang nicht wirklich gegen die Besetzungen vorgegangen, warum?
Die trauen sich nicht, weil unser Rückhalt in der Bevölkerung groß ist. Sowohl die Asfinag, die Firma, die für die Planung und den Bau der Autobahnen verantwortlich ist, als auch die Stadt wollen hässliche Bilder vermeiden. Denn das Projekt steht ohnehin stark in der Kritik und auf der Kippe.
Was ja auch daran liegt, dass derzeit eine Evaluierung stattfindet, mit der die Umweltverträglichkeit des Autobahnausbaus geprüft werden soll. Was erwartet ihr euch davon?
Nicht viel. Bei der Evaluierung geht es um die ökologischen Folgen für die Umgebung, die zusätzlichen CO2-Emissionen aber werden beispielsweise kaum beleuchtet. Dabei müsste es gerade heute auch darum gehen, der Verkehr ist in Österreich schließlich die größte Quelle für Treibhausgase. Und noch während die Evaluierung läuft, versucht die Stadt Wien Fakten zu schaffen – während der Bau der Lobauautobahn gerade auf Eis liegt, werden mit den Bauarbeiten an der geplanten Stadtautobahn Aspern Fakten geschaffen. Denn die Stadtautobahn Aspern dient auch als Zubringerstraße für die Lobauautobahn.
Regierung und Stadt Wien argumentieren ja, dass mit dem Bau das Stau-Problem in Wien gelöst werden soll, die Autobahnen sollen den Durchgangsverkehr reduzieren. Ist das nicht für viele Menschen eine Entlastung?
Nein, ist es nicht. Durch die Straßen entsteht nur noch mehr Verkehr, weil es die Attraktivität des Autofahrens steigert. Es wäre besser, anstatt dessen den ÖPNV auszubauen. Gerade hier im Nordosten von Wien. Der Wiener Gemeindebezirk Wien Donaustadt, durch den die Stadtautobahn Aspern führen soll, ist der Bezirk, der am stärksten wächst. Genau hier bräuchte es jetzt anstatt mehr Autobahn einen guten Öffentlichen Nahverkehr.
Sehen das die Leute, die hier wohnen, das genauso?
Naja, es gibt schon immer wieder Leute, die das kritisch sehen, weil sie sich schlecht angebunden fühlen und hoffen, dass sich das durch die Autobahn ändert. Aber das ist der falsche Weg. Seit Jahren wird hier systematisch der ÖPNV zurückgefahren, und außerdem muss man sich fragen: Wer fährt denn überhaupt Auto? Laut Umfragen der Technischen Universität Wien verfügen in Wien nur 47 Prozent der Haushalte über ein Auto, gerade ärmere Familien haben oft keins. Deshalb ist der Kampf gegen Autobahnen und für den Öffentlichen Nahverkehr auch ein Kampf für soziale Gerechtigkeit. Hier in der Gegend, am Stadtrand von Wien, entsteht viel Wohnraum für Leute mit wenig Einkommen, gerade hier wäre es extrem wichtig, die Anbindung mit Bus und Bahn auszubauen, statt hunderte Millionen für den Ausbau einer Stadtautobahn zu verpulvern.
Und wie geht es jetzt mit der Besetzung weiter?
Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir werden weiter Widerstand leisten, unser Ziel ist es, den Autobahnbau zu verhindern. Dafür brauchen wir aber definitiv noch mehr Unterstützung, vor allem mehr Leute, die zur Besetzung kommen.
Lena Schilling ist Klimagerechtigkeits-Aktivistin und unter anderem beim Jugendrat Wien und bei Fridays For Future aktiv.