Das hessische Verkehrsministerium ist rechtlich dafür verantwortlich, die Rodung im Dannenröder Wald zu stoppen. Das geht aus einer juristischen Auswertung der Urteilsbegründung zum Ausbau der A49 hervor, deren Ergebnisse der BUND Hessen gestern veröffentlichte. Demnach hätte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir eine Überprüfung des mangelhaften Planfeststellungsbeschlusses anordnen müssen. Das Bündnis „Wald statt Asphalt“ verurteilt diesen Rechtsbruch und kündigt für das kommende Wochenende massenhafte Proteste an.
„Die Rodung im Danni verstößt gegen nationale und europäische Wasserrahmenrichtlinien. Diesen Rechtsbruch nehmen wir nicht hin – wenn die Rodungsarbeiten nicht sofort gestoppt werden, blockieren wir ab Freitag massenhaft die zerstörerische Infrastruktur“, so Lola Löwenzahn von Aktion Schlagloch: „Die Grünen haben immer behauptet, dass sie die Rodung nicht stoppen können. Doch jetzt wissen wir, dass sie gemeinsam mit der CDU Gesetze bricht. Jetzt wird sich zeigen, wo die Grünen stehen: Schützen sie die Interessen von Auto-Deutschland um jeden Preis oder beenden sie endlich den lebensgefährlichen Polizeieinsatz im Danni?“
Wolfgang Dennhöfer vom BUND-Vogelsberg erklärt: „Der Autobahn-Plan verstößt gegen das Wasserrecht. Diesen Mangel hätte Tarek Al-Wazir in einem Planergänzungsverfahren überprüfen lassen müssen – das zeigt unsere Analyse eindeutig. Das Verkehrsministerium muss jetzt handeln und die Rodungsarbeiten aussetzen, bis die rechtliche Grundlage des Autobahnausbaus geklärt ist.“
Hilferuf: Der Einsatz muss sofort abgebrochen werden
Während der bisherigen Räumung im Dannenröder Wald kam es durch das Handeln der Polizei schon mehrfach zu schweren Verletzungen von Aktivist*innen. Fahrlässiges Vorgehen ist dabei an der Tagesordnung, auch wenn die Polizei angeblich nach der Prämisse „Sicherheit vor Schnelligkeit“ vorgeht. Menschen in der Besetzung fühlen sich akut bedroht und haben Angst vor weiteren lebensgefährlichen Verletzungen, wie es schon bei drei Stürzen von mehreren Meter hohen Strukturen in den letzten Räumungstagen der Fall war. Deshalb wurde bereits am Montag ein Dokument veröffentlicht, das Einblicke in Bauwerke und Konstruktionen gewährt – als eine Art Hilferuf, um die Sicherheit der Besetzer*innen zu gewährleisten. Die Forderung der Aktivist*innen ist klar: Der Einsatz muss sofort abgebrochen werden.
Lebensgefährliches Vorgehen bei der Räumung
Die „Dannenröder Waldbesetzung“ dokumentiert folgende Vorfälle, bei denen im Zuge der Räumung Menschenleben gefährdet und Verletzungen von Einsatzkräften der Polizei und Forstarbeitern verursacht oder billigend in Kauf genommen wurden:
Samstag, 14. November: Polizisten schneiden trotz Warnrufe ein tragendes Seil eines Monopods durch. Dieser stellte sich schräg, ein Mensch stürzt beinahe aus fünf Metern in die Tiefe.
Sonntag, 15. November: Ein Mensch stürzt aus einem vier bis fünf Meter hohen Tripod und muss verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Seil wurde von einem Polizisten durchtrennt, trotz Warnungen. Der Fall ist gut dokumentiert und es laufen bereits interne Verfahren gegen den betreffenden Beamten.
Montag, 16. November: Eine Person hängt an einem Seil, das zwei Bäume verbindet. Ein Baum wird gefällt, dessen Äste diese Traverse umwachsen haben. Glücklicherweise hatten diese Äste eine geringere Bruchlast als die Traverse selbst und sind gebrochen, ohne die Traverse zu zerreißen. Dies war aber nicht sicher abzusehen. Wäre stattdessen die Traverse gerissen, wäre der Mensch aus acht Metern Höhe in die Tiefe gestürzt.
Samstag 21. November: Eine Person stürzt aus sechs Metern Höhe in die Tiefe. Polizeibeamte treten vorsätzlich auf einem Sicherungsseil herum, bis es reißt (Quelle: Hessenschau).
Außerdem kommt es zu Rodungen ohne genügend Sicherheitsabstand und dem Einsatz von Elektroschockern in großen Höhen durch die Polizei bei der Räumung.
Leben am dünnen Faden
Die „Dannenröder Waldbesetzung“ erklärt dazu: „Es ist uns unerklärlich, wie all das passieren konnte. Zwar ist die Kernstrategie der Waldbesetzung der passive, zivile Ungehorsam unter Risiko des eigenen Lebens. In wenigen anderen Ländern der Welt würden Menschen so viel Vertrauen in den Rechtsstaat legen, auf das Leben der Aktivist*innen zu achten, wie hier in Deutschland. Nur dadurch ergibt diese Aktionsform überhaupt Sinn. Wir gehen davon aus: Wenn ein Baum einen Menschen trägt, dann gibt es in diesem Land keine Möglichkeit, diesen Baum zu fällen, ohne die Menschen vorher sicher zu evakuieren. Doch offensichtlich scheint dieses Prinzip nicht mehr wirksam zu sein.
Seien es bewusste strategische Entscheidungen, sei es Fehlverhalten von Einzelpersonen, seien es strukturelle Probleme der Polizei: Unsere Leben hängen derzeit buchstäblich an dünnen Fäden und es ist wirklich nur noch eine Frage von sehr kurzer Zeit, bis mindestens ein Mensch, wenn nicht mehrere, zu Tode stürzen oder erschlagen werden. Es fühlt sich eher wie ein Wunder an, dass es nicht bereits passiert ist.“