Die unabhängige sozialistische Abgeordnete Amineh Kakabaveh hat eine Anfrage zur Situation in der Türkei im schwedischen Parlament gestellt. In der Anfrage weist die Abgeordnete auf die Missachtung des Völkerrechts, der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte durch die Erdogan-Regierung hin und fragt Außenministerin Ann Linde, wie Schweden sich dazu verhalten will.
In der Einleitung der Anfrage heißt es:
„Seit langem gibt es von europäischer Seite heftige Kritik an Präsident Erdogan und seinem Regime in einer Reihe von Punkten. Der Präsident hat für ihn unliebsame Abgeordnete des Parlaments und 5000 gewählte Politiker und Mitglieder der HDP inhaftiert. Mehrere hundert kurdische HDP-Bürgermeister wurden durch regimetreue Männer (ernannte Treuhänder) ersetzt, während die gewählten Vertreterinnen und Vertreter ohne Gerichtsverfahren inhaftiert wurden, darunter die HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ.
Ausnahmezustand und Völkerrechtsbruch
Erdogan hat in den kurdischen Gebieten des Landes den Ausnahmezustand verhängt, was die tägliche Lebensgrundlage der kurdischen Bevölkerung erheblich erschwert und zu mehreren Menschenrechtsverletzungen durch das türkische Militär geführt hat. Er hat militärische Angriffe auf Nachbarländer durchgeführt und das Hoheitsgebiet anderer Länder besetzt, indem er dem türkischen Militär erlaubte, in die syrische Stadt Afrin in Rojava einzumarschieren, was einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.
Auslandsmandat verlängert
Und im türkischen Parlament hat Erdogans Partei mit Unterstützung der rechtsnationalistischen Partei MHP die Präsenz der türkischen Besatzungstruppen in Afrin verlängert. Erdogan erlaubt dem türkischen Militär, die kurdischen Gebiete im Irak zu bombardieren. Misshandlungen, Morde und Bombardierungen sind für Hunderttausende kurdische Zivilisten in Afrin und in den Grenzgebieten Kurdistans und des Irak an der Tagesordnung.
Erdogans Hass auf Frauen
Erdogans Frauenhass wird auch dadurch deutlich, dass die Türkei die Istanbul-Konvention verlassen hat. Damit legitimiert Erdogan die Gewalt von Männern gegen Frauen. Vergewaltigung in der Ehe wird zu einer Familienangelegenheit. Er hat offen erklärt, dass „Demokratie nicht das Ziel ist". Aber wer soll dann das Land regieren, wenn nicht das Volk in einer demokratischen Ordnung? Welche Regierungsform will er dann durchsetzen? Die Liste der Vergehen ließe sich noch verlängern, aber ich muss aus Platzgründen darauf verzichten.
Innenpolitisches Versagen durch nationalistische Außenpolitik kaschiert
Präsident Erdogan hat seinen nationalistischen Hahnenkamm immer höher geschwungen, während es mit der Wirtschaft des Landes bergab geht und die Kurven in den Wirtschaftsdiagrammen durchhängen und abfallen. Es ist ein uralter Trick, innenpolitisches Versagen mit einer aggressiven nationalistischen Außenpolitik zu kaschieren und das eigene Versagen durch Angriffe auf die Umwelt zu verbergen.
Abwendung von Europa
Vor einigen Jahrzehnten hat die Türkei versucht, sich Europa anzunähern. Sie bewarb sich um die EU-Mitgliedschaft, scheiterte aber an der Umsetzung der so genannten Kopenhagener Kriterien in Bezug auf die Menschenrechte. Die türkischen Führer und Behörden glaubten offenbar, dass die EU die Menschenrechte nicht ernst nimmt. Als sich jedoch herausstellte, dass die EU die Menschenrechte sehr wohl ernst nimmt, begann sie, sich in eine andere Richtung zu bewegen. Stattdessen hat sich die türkische Regierung trotz der Rivalität in religiösen Fragen dem Iran und Saudi-Arabien angenähert - kaum ein Vorteil für die Menschen in der Türkei oder in Europa.
Den machtbesessenen Präsidenten zur Vernunft bringen
Schweden muss die EU dazu bewegen, die türkische Regierung mit ihrem hysterischen und machtbesessenen Präsidenten zur Vernunft zu bringen, der Realität ins Auge zu sehen und die Menschenrechte und das Völkerrecht zu achten. Wenn sich in dieser Hinsicht nichts ändert, kann die türkische Regierung kaum Respekt von anderen Staaten verlangen. Es ist an der Zeit, dass Schweden und die EU auf eine Lösung der so genannten Kurdenfrage drängen.“
Welche Maßnahmen gedenkt Schweden zu ergreifen?
Amineh Kakabaveh stellt folgende Fragen an die schwedische Außenministerin Ann Linde:
„Welche Maßnahmen gedenkt Schweden als einzelner Staat und als Mitglied der EU zu ergreifen, um die türkische Regierung und den türkischen Präsidenten zur Achtung des Völkerrechts, der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte zu bewegen?
Wird die Ministerin die Freilassung führender HDP-Politiker wie Selahattin Demirtaş, Figen Yüksekdağ und anderer gewählter Politiker auf Gemeinde- und Kreisebene in der EU und im Namen Schwedens fordern?
Was gedenkt Schweden zu tun, um die diplomatischen Beziehungen zur Türkei auszubauen, damit Schweden zu einer demokratischeren Entwicklung in einer Türkei beitragen kann, in der die Menschenrechte, die Rechte aller ethnischen Gruppen und die Rechte der Frauen geachtet werden?
Wird Schweden Initiativen ergreifen, um Erdogan davon zu überzeugen, die kurdische Frage durch eine friedliche Lösung zu lösen?"