UN fordern Freilassung von Gefangenen

Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet warnt vor einer flächenbrandartigen Ausbreitung des Coronavirus in Gefängnissen und ruft die Behörden weltweit zu Haftentlassungen auf. Die Staaten gehen damit unterschiedlich um.

Angesichts der Gefahr einer ungehinderten Ausbreitung des Coronavirus in Gefängnissen haben die Vereinten Nationen dazu aufgerufen, besonders anfällige Häftlinge zu entlassen. Bereits jetzt seien Infektionsfälle aus Gefängnissen gemeldet worden, stellte am Mittwoch die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet in Genf fest. Es bestehe das Risiko, dass sich das Coronavirus flächenbrandartig in Haftanstalten ausbreite. „Behörden sollten Wege suchen, die besonders von Covid-19 bedrohten Insassen freizulassen", forderte Bachelet. Als Beispiele nannte sie ältere Gefangene oder solche, die nur geringe Straftaten begangen und ein geringes Rückfallrisiko haben.

Die Gefängnisfrage in der Coronakrise wird in den Ländern unterschiedlich gehandhabt. Laut Medienberichten will Äthiopien mehr als 4000 Gefangene entlassen, auch im Sudan wurde die Freilassung von mehreren tausend Häftlingen angeordnet.

In Deutschland sind bereits Infektionen in Haftanstalten festgestellt worden, so etwa in einer JVA in Hamburg. In mehreren Städten sind Entlassungen aus Abschiebegefängnissen erfolgt. Nordrhein-Westfalen und andere Länder wollen bei Häftlingen mit kleineren Strafen den Strafvollzug unterbrechen oder bei Verurteilten den Haftantritt vorübergehend aufschieben.

Das französische Justizministerium hat Ausnahmeregeln vorgestellt, mit denen bis zu 6000 Gefangene entlassen werden könnten. Die Vollzugsanstalten in Frankreich sind überbelegt, auf 61.000 Haftplätze kommen zurzeit über 70.000 Gefangene.

In Ländern wie der Türkei und Syrien ist die Situation alarmierend. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt, dass ein einziger Infektionsfall in syrischen Gefängnissen eine Katastrophe bedeute. Im Nordosten des Landes stellen vor allem die Tausenden IS-Gefangenen und ihre Angehörigen ein großes Problem dar, weil die Autonomieverwaltung mit ihrer Versorgung allein gelassen wird.

In der Türkei sind über 300.000 Menschen in Haft. Insgesamt gibt es 366 Gefängnisse mit einer Kapazität von 233.000 Insassen. In den vergangenen 14 Jahren sind unter der AKP-Regierung über 200 neue Haftanstalten eingerichtet worden, allein im vergangenen Januar wurden vier Gefängnisse eröffnet.