Offener Brief für Freilassung politischer Gefangener im Iran

In einem offenen Brief fordern 81 ehemalige iranische politische Gefangene vom UN-Sondergesandten für den Iran, sich angesichts der Covid-19-Pandemie für die Freilassung aller aus politischen Motiven inhaftierten Iraner*innen einzusetzen.

In einem offenen Brief fordern 81 ehemalige iranische politische Gefangene vom UN-Sondergesandten für Menschenrechtsangelegenheiten im Iran, Javid Rahman, angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Covid-19-Pandemie sich für die Freilassung aller aufgrund ihrer politischen Forderungen inhaftierten Menschen einzusetzen. Der Iran ist eines der am stärksten von der weltweiten Coronavirus-Epidemie betroffenen Länder. Die Gesamtzahl der Infektionen gab das Gesundheitsministerium am Dienstag mit 24.811 an. Das war ein Anstieg um 1.762 Fälle binnen 24 Stunden. Der Erreger findet gerade in Gefängnissen ideale Ausbreitungsbedingungen vor.

Sehr geehrter Herr Javid Rahman, 

Für den Schutz und die Rettung derjenigen, die in Iran in Haft sind, brauchen wir Ihre Hilfe

Der Kampf um die Rettung des Menschenlebens gegen einen unsichtbar durchdringenden Feind umfasst unsere Welt global und hat die Rangordnung der Prioritäten verändert. Der Schutz des Lebens gepaart mit individueller und sozialer Verantwortung ist die wichtigste Priorität. Doch in Iran sind wir Zeugen folgenden Szenarios: Die Kenntnisse über die neu entstandene internationale Krisensituation ignorierend und noch verantwortungsloser als je zuvor liefern das Militär und Sicherheitsorgane des iranischen Regimes die politischen Gefangenen der COVID-19-Pandemie aus, indem sie ohne die geringsten Schutzmaßnahmen  in den Gefängnissen festgehalten werden. Sie betrachten die Unterdrückung der Gegner*innen der Diktatur und der Korruption nach wie vor als ihre wichtigste Aufgabe. Eine unmittelbare Zeugin der unhaltbaren Zustände vor Ort ist die gefangen gehaltene Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivisten Nasrin Sotoodeh. Damit sie ihren Protest und ihre Forderung zur Freilassung der politischen Gefangenen deutlicher zum Ausdruck bringen kann, befindet sie sich aktuell im Hungerstreik. Frau Sotoodeh schreibt in ihrer Erklärung:

„Dieselben Militär- u. Überwachungsorgane, die mit ihren aggressiven Methoden das Land ins Chaos gestürzt haben, beharren trotz der gegenwärtig überaus gefährlichen Lage hartnäckig darauf, die politischen Gefangenen nicht freizulassen, damit die Katastrophe weiter um sich greift und die Flut des tödlichen Virus die politischen Gefangenen und ihre Angehörigen vernichtet. Alle bisherigen Maßnahmen deuten darauf hin, dass nur Polizei- und Sicherheitsorgane und sonst niemand in dieser Angelegenheit Entscheidungen treffen. Es sind dieselben Organe, die das Land in tiefe Verzweiflung und Ausweglosigkeit geführt haben. Es ist eine nationale Notwendigkeit, dass eine große Zahl der Gefängnisse im Land, unter anderem die Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses, geschlossen werden. Weiter ist es eine nationale Notwendigkeit, dass die Regierung zu den international anerkannten Verständigungsnormen zurückfindet, damit die Möglichkeiten der Wissenschaft und der Technologie gegen das Virus genutzt werden können. Da der gesamte rechtliche und juristische Schriftverkehr in Bezug  auf die Notwendigkeit der Freilassung der politischen Gefangenen unbeantwortet geblieben ist, trete ich in den Hungerstreik, setze ihn als letztes Mittel ein, das einer Gefangenen übrig bleibt, um meiner Forderung nach Freiheit der politischen Gefangenen erneut Nachdruck zu verleihen.“

Es erübrigt sich zu betonen, dass es eine große Hilfe für den Schutz des Lebens der politischen Gefangenen in Iran und zur Eindämmung der Corona-Pandemie wäre, wenn die UN-Menschenrechtskommission das Regime der islamischen Republik auffordern würde, die politischen Gefangenen sofort und ohne jegliche Bedingung freizulassen und die repressiven Maßnahmen zu beenden, die das Regime in Iran mit aller Härte einsetzt.

Hochachtungsvoll

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Zehntausende Gefangene im Hafturlaub - nur politische Gefangene nicht

Nach UN-Angaben befanden sich zuletzt 189.500 Personen in den iranischen Gefängnissen. Darunter waren Hunderte Personen, die im Zuge der im vergangenen November begonnenen Proteste verhaftet wurden. Zwar hatte das Regime als Maßnahme gegen die Ausbreitung der neuartigen Lungenkrankheit die vorübergehende Haftentlassung von ungefähr 85.000 Gefangenen beschlossen und zuletzt auch eine Newroz-Amnestie für 10.000 Gefangene angekündigt. Unter ihnen sind allerdings nur wenige politische Gefangene, denn für sie gelten andere Prioritäten.