Schüsse gegen die Autonomie

Kein Tag vergeht ohne bewaffnete Angriffe auf die indigene Autonomie im Bundesstaat Chiapas, insbesondere nahe den zapatistischen Gebieten und an der Grenze zu Guatemala. Dieser Krieg ist nicht neu, doch erreicht er dieser Tage eine neue Eskalationsstufe.

Triggerwarnung: Polizeigewalt, Militärgewalt, Mord, Drogen, Vertreibung, Hunger

„Es mag im Vergleich zu anderen Aggressionen gegen Indigene in Mexiko noch harmlos erscheinen, aber wenn die EZLN ihre Unantastbarkeit in Mexiko verliert - und in diese Richtung entwickelt es sich gerade - dann eskaliert es völlig. Es braucht jetzt starke internationale Reaktionen!“

Kein Tag vergeht mehr ohne Nachrichten von bewaffneten Angriffen auf die indigene Autonomie im Bundesstaat Chiapas, insbesondere nahe den zapatistischen Gebieten und an der Grenze zu Guatemala. Dieser Krieg ist nicht neu, doch erreicht dieser Tage eine neue Eskalationsstufe:

„Am ersten Januar 1994 griff die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) zu den Waffen, erklärte dem mexikanischen Staat den Krieg und kämpfte für Arbeit, Bildung, Gesundheit, Gerechtigkeit, Land und Freiheit“, erinnert das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas: „12 Tage später wurde nach heftigen Angriffen des mexikanischen Militärs unter dem Druck der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft ein Waffenstillstand erklärt. Nach den Gesprächen von San Andrés hielt sich die mexikanische Regierung nicht an die Vereinbarungen zur Reform der Verfassung und zur uneingeschränkten Wahrung der Rechte der indigenen Völker. Seitdem hat die EZLN ihre Autonomie und Selbstbestimmung in ihrem Gebiet auf zivile und friedliche Weise selbst aufgebaut und ist ein wichtiger Akteur bei der Förderung und Ausübung der Rechte der indigenen Völker (weltweit). In diesen 29 Jahren wurde die EZLN immer von der mexikanischen Armee und staatsnahen Gruppen schikaniert und ständig angegriffen. Die Strategien des Krieges und der Aufstandsbekämpfung ändern ihre Gewaltmethoden, nie jedoch ihr Ziel, den Widerstand und die emanzipatorischen Bewegungen, die für die Achtung ihrer Rechte und die kollektiven Rechte kämpfen, die sie als indigene Völker beanspruchen, zu zerstören.“⁽¹⁾

Dieser Krieg „niederer Intensität“, der einseitig und profitorientierten Interessen kolonialer und neoliberaler Unternehmens- und Wirtschaftslogik folgend von der schlechten Regierung mit Militär und Polizei, Paramilitärs und Organisierten Verbrechen ausgeübt wird, forderte Menschenleben, etwa das des zapatistischen Lehrers Galeano im Jahr 2014. Immer kam es auch zu Zwangsvertreibungen, oft zu Gefangennahme und Folter. Von beidem ist aktuell etwa der zapatistische Genosse Manuel Vasquez betroffen, der nun bereits seinen 21. und 22. Geburtstag im Gefängnis verbringen musste.

Bild: Recherche AG | desInformémonos | Raúl Romero

Seit Monaten sind zapatistische und ihnen nahestehende Gemeinden außerdem bewaffneten Angriffen ausgesetzt, die in den vergangenen Tagen in der Comunidad Moíses y Ghandi eskalierten:

Es war ein feiger Angriff der ORCAO[-Paramilitärs], „einer bewaffneten Gruppe, die nicht aufgehört hat, das Volk der EZLN zu verletzen, einzuschüchtern, zu schikanieren, zu entführen, zu foltern, zu stehlen, und zu versuchen, es von dem Land zu enteignen, das es zurückerobert hat“⁽²⁾, auf die Unterstützungsbasis der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN in der autonomen Gemeinde Moisés y Gandhi im Landkreis Ocosingo, Chiapas. Hunderte Kugeln wurden über Stunden hinweg abgefeuert, noch als der Nationale Kongress der Indigenen (CNI) und weitere Organisationen in Statements den Angriff verurteilten, dauerte dieser an.  Dabei wurde der Compañero und Tseltal-Indigene Gilberto López Sántiz schwer verletzt und schwebt in Lebensgefahr: „Bei dem Angriff mit großkalibrigen Waffen traf ihn eine Kugel, die das Zwerchfell durchdrang, drei Löcher in den Dickdarm riss und dann den Magen und schließlich die Milz beschädigte, was bedeutet, dass sich der Compañero in einem ernsten Zustand befindet. Diese Situation wird dadurch erschwert, dass er nur unzureichende medizinische Versorgung erhalten hat, da er dringend intensivmedizinisch behandelt werden muss, aber nicht in eine Einrichtung eingewiesen oder verlegt wurde, wo er die notwendige Behandlung erhalten kann,“ denunzierte der CNI.⁽³⁾ Die medizinische Hilfe wurde Gilberto aktiv verweigert, wofür auch Polizei und Militär verantwortlich sind, die den Angriff zuließen und ungestraft lassen.

Es ist nur der Höhepunkt einer langen Reihe von geduldeten und geförderten Verbrechen: Nicht nur das Netzwerk des Widerstands und der Rebellion AJMAQ dokumentiert seit 2019 zahlreiche Belagerungen zapatistischer (Unterstützungs-)Gemeinden, Diebstähle und Brandstiftungen, verbale und schriftliche Drohungen, das Verbrennen und Ausräuchern von Ernten, das Verbrennen von Bienenstöcken, die Zerstörung der Autonomen Sekundarschule oder des Speisesaals und des kollektiven Geschäfts El Arcoiris durch ebenjene ORACO an der Kreuzung von Cuxuljá. „Es folgen Angriffe und Schüsse unterschiedlichen Kalibers innerhalb der autonomen Gemeinden, die Männer, Frauen, Jungen, Mädchen, Großmütter und Großväter in Gefahr bringen, die vor den Kugeln Schutz suchen, fliehen oder sich mitten in der Nacht in den Schlamm werfen müssen, da es nächtelang und tagelang Kugeln regnet.“⁽⁴⁾

Diesen gingen auch Spionage, Überwachung und Schikanen gegen die Zapatistas und ihre Solidaritätsnetzwerke durch Teile der derzeitigen Bundesregierung voraus: „Seit April 2019 berichteten die Zapatistas, dass rund um ihre Territorien die Präsenz von ‚Militär, Polizei, Paramilitärs, Spionen, Spitzeln, Ohren und Informanten‘ zunimmt. Überflüge von Militärflugzeugen und Hubschraubern sowie Artilleriefahrzeuge sind wieder aufgetaucht“.⁽⁵⁾ Der militärischen Spionage folgen nun also physische Angriffe auf zapatistische Gemeinden.

Foto: Recherche AG | desInformémonos | Raúl Romero

Warum jetzt?

Die Antwort ist umfangreich, doch ein wichtiger Bestandteil derselben hängt mit der klaren Forderung zusammen, welche zuletzt während der Karawane und des Internationalen Zusammentreffens „Der Süden widersteht“ artikuliert worden ist und aus den Bergen, Wäldern, Seen, Flüssen und Meeren des Südostens widerhallte: NEIN ZU DEN MEGAPROJEKTEN DES TODES!

2018 trat der neue Präsident AMLO sein Amt an, und seine sich selbst als „links“ bezeichnende Regierung treibt die neoliberale „territoriale Neuordnung“ durch den „interozeanischen Korridor“ im Isthmus von Tehuantepec und den schlecht benannten „Maya-Zug“ auf der Yucatán-Halbinsel und in Chiapas erfolgreicher voran als die rechtskonservativen Vorgänger:

Gleichzeitig zum Regierungswechsel 2018 feierte die EZLN ihr 25-jähriges Bestehen – und setzte diesem Fortschritt, der nur den Unternehmen, den Reichen, den Militärs und den Kartellen dient, deutliche Botschaften entgegen: „Nachdem Tausende von zapatistischen Milizionären und Frauen marschiert waren und ihre Disziplin und Koordination unter Beweis gestellt hatten, hielt Subcomandante Moisés eine Rede, die bis in den Nationalpalast klang. Der Sprecher der Aufständischen bekräftigte nicht nur die antikapitalistische Position und das Bekenntnis zur Autonomie der zapatistischen Gemeinden, sondern betonte auch die Ablehnung von Megaprojekten und die Bereitschaft, die eigenen Territorien zu verteidigen: ‚Deshalb werden wir kein Projekt zulassen, welches das Leben der Menschheit zerstört und den Tod unserer Mutter Erde bedeutet, denn dahinter stehen die Interessen der großen nationalen und transnationalen Kapitalisten‘. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: In den darauffolgenden Tagen waren die sozialen Netzwerke voll von Hassbotschaften, Lügen, Verleumdungen und Abqualifizierungen gegen die Zapatistas. […] Die Angriffe der Medien auf die Zapatistas waren während der aktuellen [AMLO]-Amtszeit eine Konstante.⁽⁶⁾ […] Verleumdung und Desinformation als Waffen der Aufstandsbekämpfung: Wiederhole eine Lüge tausendmal und sie wird zur Wahrheit.“

Und so zeigte die Hetzkampagne Wirkung: Ohne einen gesellschaftlichen Aufschrei, der in der Epoche der vorherigen rechten Regierungen wahrscheinlich stattgefunden hätte, bedrohen Schüsse die Autonomie in Chiapas.

Die Vertreibung und Vernichtung dieser (zapatistischen) Autonomie soll endgültig den Weg bereiten für die „territoriale Neuordnung“: Diana vom Netzwerk AJMAQ gegen Repressionen berichtete auf der Karawane „Der Süden widersteht“ immer wieder von der Gewalt durch vor allem paramilitärische Einheiten, welche gegen die zapatistischen Gemeinden von Moise y Ghandi, Nuevo San Georgio, Ocosingo und gegen das neunte Caracol ausgeübt wird– und nannte einen entscheidenden Grund für diese Attacken: „Genau in dieser Region wird Schieneninfrastruktur gebraucht, um die beiden Megaprojekte Tren ‚Maya‘ und ‚interozeanischer Korridor‘ miteinander zu verbinden. Wir können diese Aufstandsbekämpfung nicht zulassen.“

Doch ob Tren Maya, interozeanischer Korridor oder andere Megaprojekte in der Region – der auch international vernetzte Widerstand der Zapatistas soll ihnen nicht mehr im Weg stehen:

„Die vom Guacamaya-Kollektiv durchgesickerten Informationen enthüllten einige der Berichte, die SEDENA [das Verteidigungsministerium] über die Zapatistas und ihre Netzwerke in Mexiko und im Ausland erstellt oder bei anderen Behörden in Auftrag gegeben hat. Es wurde sogar die Koordinierung verschiedener staatlicher Ministerien bei der Erfassung von mit den Zapatistas verbündeten Organisationen und Personen in anderen Ländern aufgedeckt (auch in Deutschland…).“

Seit 2019 intensiviert die mexikanische Regierung mit der Beteiligung von Unternehmen aus aller Welt – auch aus Deutschland – die Implementierung der benannten Infrastruktur- und Extraktivismusprojekten in indigenen Territorien – und seit 2019 intensivieren sich dort die Angriffe:

Raúl Romero veröffentlichte kürzlich im Camino al Andar einen (unvollständigen, es handelt sich hier „nur“ um die Angriffe der ORCAO-Paramilitärs) Überblick:⁽⁷⁾

April 2019: Die ORCAO greift zapatistische Unterstützer:innen in der Gemeinde Moisés Gandhi an.

26. Februar 2020: Genoss*innen des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) werden von paramilitärischen Gruppen der sogenannten „CHINCHULINES“ und „ORCAO“ entführt.

22. August 2020: Mitglieder der ORCAO plündern und zünden das Kaffeelager der zapatistischen Gemeinden an, welches sich im Handelszentrum „Nuevo Amanecer del Arcoíris“ an der Kreuzung von Cuxuljá befindet.

8. November 2020: Entführung und Folter eines Genossen aus der zapatistischen Unterstützungsbasis in der Gemeinde San Isidro, Anexo Moisés Gandhi, durch die paramilitärische Organisation ORCAO.

18. Januar 2021: Mitglieder der ORCAO griffen die Gemeinde Moisés Gandhi im Autonomen Bezirk Lucio Cabañas mit Schüssen an. Es gab „etwa 170 Schüsse mit Großkalibern und 80 Schüsse mit Kleinkalibern“.

20. Januar 2021: Neue ORCAO-Angriffe werden in Moisés Gandhi verzeichnet.

21. Januar 2021: Der zapatistische Rat der Guten Regierung berichtet, dass mindestens 20 Mitglieder der ORCAO die Häuser der zapatistischen Unterstützungsbasen mit Schusswaffen angegriffen haben.

11. September 2021: Mitglieder der ORCAO entführen zwei Mitglieder des Rates der Guten Regierung von Patria Nueva, Chiapas.

9. Juni 2022: Nuevo San Gregorio, Lucio Cabañas, Autonome Gemeinde der zapatistischen Rebellen in Chiapas, Mexiko (offizielle Gemeinde von Huixtán) und der Rat der Guten Regierung „Neue Morgendämmerung im Widerstand für das Leben und die Menschlichkeit“, Caracol 10 „Die Saat der Rebellen gedeiht“ erlitten Angriffe, die das Leben, die Sicherheit und die persönliche Unversehrtheit von 6 Familien der Unterstützungsbasis der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee gefährdeten. (Internationale) Menschenrechtsbeobachter erhielten Todesdrohungen.

Foto: Recherche AG | desInformémonos | Raúl Romero

Die Paramilitärs handeln nicht nur im Auftrag der schlechten Regierungen und Konzerne – sie haben auch selbst ein großes Interesse an der Implementierung der zerstörerischen Megaprojekte und der „neuen Ordnung“ im Südosten: Infrastruktur (einschließlich neuer Im- und Exportmöglichkeiten über die der Marine und der Armee unterstellten Häfen), Massentourismus, Urbanisierung…: Alles öffnet ein riesiges Territorium für Drogen-, Menschen-, Waffen- und Tierhandel. Und so breiten sich die alten (Sinaloa) und neuen (CJNG) Kartelle im Südosten Mexikos und an der Grenze zu Guatemala aus, bekämpfen sich gegenseitig und terrorisieren die lokale Bevölkerung. Darunter leiden nicht nur die organisierten Zapatistas: Unzählige Gemeinden erleben eine vollkommen entmenschlichte Brutalität, welcher vor allem die Jugendlichen und Kinder, Frauen und Migrant*innen zum Opfer fallen.

Jüngste Beispiele liefern die Ereignisse an der guatemaltekisch-mexikanischen Grenze: Seit Tagen sind die ländlichen Gemeinden in der Nähe der Frontera Comalapa von den Gefechten rivalisierender Gruppen des organisierten Verbrechens betroffen, die Detonationen weiteten sich bis auf Mazapa de Madero und Chicomuselo aus. Zunächst schlossen sich die Anwohnenden in ihren Häusern ein, inzwischen sind sie auf der Flucht – nicht allen gelingt das: Viele Jugendliche werden zur Teilnahme in den Kartellen gezwungen.

„Die [Gangmitglieder] befinden sich in Lieferwagen, die mit Metallplatten zu einem Panzer umgebaut wurden, in dessen Inneren sie Maschinengewehre und Sprengsätze installiert haben. […] Um die Panzerattrappe zu vervollständigen, sind die Lieferwagen olivgrün lackiert. Diese Fahrzeuge jagen sich gegenseitig über die Straßen und Feldwege des Grenzgebiets, während ständig Schüsse und Explosionen zu hören sind, und auf den Hauptstraßen verbrennen sie Fahrzeuge, die sie als Straßensperren errichtet haben“, berichteten Reporter von Pie de Página⁽⁸⁾ – die von der Bevölkerung um Hilfe gebeten werden: „Bitte, ich weiß nicht, ob Sie der Armee sagen können, dass sie kommen soll, denn in den Gemeinden Candelaria und Lajerío haben sie die Jungen aus ihren Häusern geholt und sie in ein Lagerhaus gebracht, wo sie sie zwingen, Waffen zu nehmen.“ – Auf einem Bild, dass der Zeitung zugespielt wurde, ist eine Leiche zu sehen. „Es handelt sich um einen Mann, der neben einem Motorrad liegt. Sie erklären, dass die Leiche seit mehr als einem Tag dort liegt, sich aber niemand hinaus traut, um sie zu holen.“ Die noch nicht Geflohenen leiden in ihren Häusern nun Hunger. Andere wagten sich nach draußen: „Um die Gemeinden zu erreichen, in denen sie Zuflucht suchten, überquerten sie einen Fluss und liefen mehr als acht Stunden lang durch Gebüsch und Berge, wobei sie die Hauptstraßen mieden, auf denen sie auf Kartellmitglieder treffen könnten.“ Weder ist die massenhaft im Südosten stationierte Armee den Betroffenen bisher zur Hilfe geeilt (sie sind eher dazu da, hilflose Migrant*innen festzunehmen, den Tren Maya zu bauen und indigenen Widerstand anzugreifen), noch unterstützt die lokale oder die Bundesregierung die Vertriebenen.

Es ist nur ein Beispiel, Tausende sind auf der Flucht.

Im Ejido der Gemeinde Frontera Comalapa wurden mindestens neun Menschen entführt, doch statt für Aufklärung zu sorgen, ist die Gemeindepolizei untergetaucht, während sich die Armee nicht blicken lässt – sie ist 300 Meter von der Gemeinde entfernt stationiert. Vor anderen Gemeinden hat die von AMLO neu geschaffene Nationalgarde ihren Sitz – doch sie unternimmt nichts gegen massenhaftes Verschwindenlassen von Frauen mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren. „Wir im Ejido leben wie in einer Apokalypse, wo alles zerstört wird, wo wir nicht wissen, was wir tun sollen.“

Die Regierung AMLO hat nach der Marke von über 100.000 offiziell Verschwundenen inzwischen auch einen traurigen Mord-Rekord gebrochen, schon jetzt sind es mehr als unter dem extrem-rechten Vorgänger Nieto.⁽⁹⁾

Angesichts dessen wirkt der aktuelle Angriff auf die zapatistische Gemeinde Moíse y Ghandi erschreckend normal – aber wenn die EZLN ihre Unantastbarkeit in Mexiko verliert - und in diese Richtung entwickelt es sich gerade - dann eskaliert es völlig.

So sehen es viele:

In einem seiner letzten Kommuniqués im Jahr 2021 warnte das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee Generalkommando der EZLN (CCRI-CG-EZLN), dass Chiapas am Rande eines Bürgerkriegs stehe.

Und der CNI schrieb in Reaktion auf die aktuellen Angriffe:

Wir warnen erneut vor dem Krieg, der den Pueblos Originarios, den Hüter*innen von Mutter Erde, erklärt wurde. Er zwingt uns dazu, organisiert zu handeln, um das Leben zu verteidigen. Deshalb sind unsere Geschwister der indigenen zapatistischen Gemeinden nicht allein.

Zwei Demonstrationen in Mexiko-Stadt fanden bereits statt,⁽¹⁰⁾ und der Ruf „Stoppt den Krieg in Chiapas!“ erschallte vor dem Nationalpalast, in dem Andrés Manuel López Obrador, der mit dem Gouverneur des Bundesstaates Chiapas, Rutilio Escandón, verbündet ist, (beide sind Mitglieder der Regierungspartei MORENA und Fortsetzer der paramilitärischen Politik gegen die Zapatisten), im Amt ist. Auch international wurde Solidarität ausgesprochen, etwa in Frankreich oder in Spanien, wo der Allgemeine Gewerkschaftsbund (CGT) „seine Abscheu über den Angriff auf die Unterstützungsbasen der EZLN in der Gemeinde Moisés Gandhi, Chiapas, durch ORCAO zum Ausdruck bringt.“⁽¹¹⁾ Über hundert Gewerkschaften und Gruppen aus aller Welt verurteilten als Netz der Organisationen des Internationalen Gewerkschaftsnetzwerks der Solidarität und des Kampfes den Angriff und wandten sich auch direkt an die Familie des verwundeten Gilberto.⁽¹²⁾ Doch das reicht nicht.

Es braucht jetzt starke internationale Reaktionen! Schließt euch den Forderungen an:

1. Der Genosse Gilberto López Sántiz muss sofort und angemessen medizinisch versorgt werden.

2. Der Angriff auf die Gemeinschaft von Moises y Gandhi muss gestoppt und ihr autonomes Gebiet respektiert werden.

3. Die materiellen und geistigen Urheber dieser paramilitärischen Angriffe müssen bestraft werden.

4. Die bewaffneten Gruppen, durch die der Krieg gegen die zapatistischen Gemeinden geführt wird, müssen aktiv aufgelöst werden.

Der Krieg gegen die zapatistischen Gemeinden verschärft sich. Unsere Solidarität in der ganzen Welt ist dringend erforderlich:

Schluss mit den Aggressionen gegen die autonomen zapatistischen Gemeinschaften!

Bild: Recherche AG | desInformémonos | Raúl Romero

SCHLIESST EUCH DEN KOMMENDEN AKTIONEN AN:

  • Am 31.05. wird um 11 Uhr (Mexiko-City) eine ausführliche Pressekonferenz stattfinden, die ihr auf Twitter oder Facebook verfolgen könnt.
  • Am 8. Juni soll ein weltweiter „Twittazo“ mit den Hashtags #Altoalaguerracontraloszapatistas und #sinostocanaunonostocaatodos stattfinden, um medial einen Aktionstag in Solidarität mit den Zapatistas zu begleiten. 
  • Schließt euch dem Aktionstag von euren Territorien aus an (Demonstrationen, Kundgebungen, Soliveranstaltungen, Solifotos- und Videos – alles ist möglich.)

Vereinen wir uns in einer Zeit, in der ein verstörender Rechtsruck von den sich selbst als „links“, „progressiv“ oder „fortschrittlich“ bezeichnenden Regierungen, sich selbst als „grün“ und „sozial“
bezeichnenden Unternehmen und sich selbst als „offen und liberal“ bezeichnenden Gesellschaften weltweit ausgeht – nicht nur in Mexiko: In Deutschland und Europa wird ein Krieg gegen Migrant*innen geführt und das Recht auf Asyl nun auch offiziell vollkommen ausgehebelt, während die von Europa aus finanzierte libysche „Küstenwache“ Ortschaften am Meer bombardiert, um die Flucht auf dem Seeweg zu verunmöglichen. ⁽¹³⁾ Gelingt es Menschen dennoch, auf Boote zu steigen, kommt es zu (inzwischen lückenlos dokumentierten) Pushbacks,⁽¹⁴⁾ etwa in die Türkei, wo sich der Faschist Erdogan in einer fragwürdigen Wahl bereits die weitere „elanvolle Zusammenarbeit“ (O-Ton Olaf Scholz) ⁽¹⁵⁾ mit Deutschland und Europa sicherte. Währenddessen stechen Faschisten Gegendemonstrant*innen mitten in Stuttgart ab,⁽¹⁶⁾ während antifaschistischer Widerstand kriminalisiert wird: Heute wird das Urteil gegen Lina E. gesprochen, deren „Schuld“ nicht bewiesen ist, während seit ihrer Verhaftung sechs Menschen offiziell (!) von Faschisten ermordet worden sind (Aktualisierung: Lina ist inzwischen zu über fünf Jahren Haft verurteilt worden, auch andere Antifaschist*innen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt). Demonstrationen gegen diese Kriminalisierung wurden kurzerhand verboten. Währenddessen sind Faschisten, die Waffen sammeln und Todeslisten schreiben auf freiem Fuß, oder arbeiten bei den Ermittlungsbehörden.  Antifaschist*innen in Jena werden derweil von Polizisten mit einem Sack über dem Kopf verschleppt, bevor man ihnen ihre angeblichen Strafen mitteilt, und die Razzien gegen Klima-Aktivist*innen nehmen (nicht nur) in Deutschland groteske Züge an: Hausdurchsuchungen mit vorgehaltener Waffe bei der Letzten Generation, Razzien und Beschlagnahmung von medizinischem Equipment (!) bei den Demo-Sanitätern (!) in Hannover, Einsturm der Polizei in Privatwohnungen in Wolfsburg, aufgrund verwendeter VW-Logos auf Klima-Protest-Flyern. Was in dieser Zeit noch so ein Verbrechen sein kann? Schlafen zum Beispiel. Die Deutsche Bahn, die auch an der Zerstörung in Südmexiko beteiligt ist, hat gerade einen armen, kranken, kaputten Menschen angezeigt, der in ihrem Bahnhof übernachtete. Das Gericht stimmte zu – und verurteilt ihn wegen „84“ Taten (=84 mal schlafen).⁽¹⁷⁾

Das alles muss zusammen gesehen und beantwortet werden.

Dem Rechtsruck entgegen! Wut gegen ihren Hass auf die Armen, Widerständigen, Lebenden!

Und dabei nie die Stimmen jener vergessen, die nie gehört werden, der Ertrunkenen wie Verdursteten, und, um abschließend an die Grenze Guatemala-Mexiko zurückzukehren, der Landlosen.

Ein ungemein wichtige Artikel der La Jornada soll daher an dieser Stelle vollständig übersetzt und verbreitet werden:⁽¹⁸⁾

Es könnte ein Bild aus den Flüchtlingslagern sein, die während des guatemaltekischen Bürgerkriegs vor 40 Jahren nur einen Steinwurf von der südlichen Grenze in Chiapas entfernt entstanden sind. Hütten aus Stöcken, Dächer aus Plastik oder Guano; auf den Holzkochern ein paar aus der Erde gezogene Kräuter und Tortillas. Verlassenheit, Bataillone von Stelzenläufern und Kinder zu Hunderten. Es ist kein Bild aus der Vergangenheit. Es handelt sich um ein Lager von Guatemalteken in Mexiko, die aus der Gemeinde Laguna Larga vertrieben wurden und mitten im Busch, praktisch an der Grenze zwischen Petén und Campeche, zusammengepfercht sind. Sie leben dort seit sechs Jahren, im Visier der Soldaten des Militärkommandos, das ihr Land und ihre Häuser besetzt hält. Dort lebt Constantino Vázquez Suchité, ein älterer Chortí-Bauer, der sein ganzes Leben auf der Suche nach einem Stück Land zum Säen verbracht hat. Don Tino erlebte Massaker und die Verwüstungen der verbrannten Erde, die die guatemaltekische Armee in den schwersten Jahren des Konflikts anrichtete, bis es ihm um das Jahr 2000 gelang, sich mit einigen seiner Kinder und Enkelkinder auf einem Stück Land im Petén, Gemeinde San Andrés, nahe der Grenze zu Campeche, Laguna Larga, niederzulassen. Es war ihr Traum, der wahr wurde, aber er dauerte nur 16 Jahre. Vor sechs Jahren wurden die 111 Familien, die sich in dieser Ecke des verwüsteten Petén-Urwalds niedergelassen hatten, vertrieben und auf mexikanisches Territorium abgedrängt, wo sie unter prekärsten Bedingungen leben und von den Behörden beider Länder vergessen wurden. Heute sind es, nach Todesfällen und Geburten, fast 500 Menschen, die Hälfte davon Kinder, die ohne offizielle Anerkennung auf der Flucht sind. Auf einem Blatt Papier mit vielen Falten und Schlammflecken wird dieses punktuelle Register geführt. Niemand sonst behält den Überblick über sie.    Am 20. April nutzte Tino, ein ehemaliger Gemeindevorsteher, einen Besuch von Menschenrechtsaktivisten im Lager, um mit einigen anderen Begleitern tief nach Guatemala hineinzufahren und sein ehemaliges Dorf zu besichtigen, das jetzt vom Militär besetzt ist, was ihnen auf dieser Reise oft den Weg versperrt. Sein ehemaliges Dorf ist nun nicht mehr als drei Kilometer entfernt. Ängstlich wandert er zwischen den verbrannten Baumstämmen, die einst die Säulen seines Hauses waren, zwischen den verbogenen Zinkblechen, die überall herumliegen. Er sucht im Gestrüpp nach seinen beiden Brunnen. Beide sind verstopft. Ihre Schwiegertochter pflückt eine schöne reife Frucht. Die Enkelkinder sammeln Feuerholz und füllen ihre Taschen mit Mangos. Es gehörte alles ihnen. Jetzt nicht mehr. Zurück im Lager gibt es ein Treffen mit den Abgesandten des `Teams der Empörung´, die regelmäßig kommen, um die Bedingungen im Lager zu überprüfen und den Menschenrechtsgremien der UN und der OAS Bericht zu erstatten. Direktorin Cristina Muñoz überbringt ihnen eine Botschaft von Präsident Andrés Manuel López Obrador. Anfang April wurde die Aktivistin aus Yucateca (die auch den Widerstand gegen die Schweinefarmen im Cenotenring der Halbinsel begleitet [der von López Obrador vorangetrieben wird]) vom Präsidenten. López Obrador unterzeichnete einen Bericht, der ihm ausgehändigt wurde, und versprach: `Sagen Sie ihnen von mir, dass ich mich persönlich darum kümmern werde´. Die Flüchtlinge bitten den mexikanischen Präsidenten, beim Präsidenten Guatemalas, Alejandro Giammattei, zu intervenieren, um den Fall zu lösen und den Familien die Rückkehr in ihr Land zu ermöglichen.                                                                               

Am 2. Juni 2016, so erzählt Don Tino, `kamen nachts bei strömendem Regen Soldaten und Polizisten und schossen. Ich war in San Andrés (dem Sitz der Gemeinde Petén, in der ein Dialog mit den Behörden eingeleitet wurde, der jedoch nie Früchte trug), weil uns die Nationale Kommission für Naturschutzgebiete (CONANP) gesagt hatte, sie hätte eine Lösung. Das war eine Täuschung. Ihre Antwort lautete: Heute werden sie vertreiben. Ich hatte kaum Zeit, die Gemeinde anzurufen, um ihnen mitzuteilen, dass die Armee auf dem Weg war. Mit Kindern, Hühnern und ein paar Habseligkeiten im Gepäck liefen die Familien den schlammigen Weg in Richtung des fünf Kilometer entfernten El Desengaño, doch bevor sie die Stadt Campeche erreichten, wurden sie von Agenten des Nationalen Migrationsinstituts und der Armee abgefangen und durften nicht weitergehen. Sie sind dort gestrandet, an der Grenzlinie, von der aus sie die Laguna sehen können, das, was einst ihre Lagune war. Drei Tage im strömenden Regen, mitten auf den eingezäunten Weiden, den Rauch der von den Soldaten verbrannten Häuser über den Berg erblickend, die Kettensäge hörend, die ihre Mauern, ihren Tempel, ihre Ställe niederreißt. Das war vor sechs Jahren.                                                                                                     

Dort, an der Grenze, in völliger Verlassenheit, haben sie Wirbelstürme, Dürreperioden und die Covid-19-Pandemie überstanden. Nicht ein einziger Impfstoff hat diese Ecke erreicht. Sie können nur auf die Solidarität der Bevölkerung von El Desengaño, sporadische Nahrungsmittelhilfe (ein- oder zweimal im Jahr, wie sie sagen) von der guatemaltekischen Regierung und gelegentliche Aufmerksamkeit von der Gouverneurin Layda Sansores zählen. Sie pflanzen sehr wenig, wo immer sie können, sogar auf dem Friedhof, wo sie bereits 14 ihrer Angehörigen begraben haben. Und 85 Kinder sind geboren worden.´ `Und hier leben wir alle zusammengepfercht wie Küken in einem Korb´, sagt einer der Ältesten der Gemeinde ironisch. Alle vierzehn Tage kommt eine mexikanische medizinische Brigade. Drei Wochen im Monat kommen drei Lehrer des guatemaltekischen Bildungsministeriums, die fern von ihren Familien, ohne Reisekostenerstattung und mit viel Entmutigung eine Sondergenehmigung bei der mexikanischen Einwanderungsbehörde beantragen müssen, um in zwei Klassenzimmern mit Guano-Dach eine Herde von Kindern mit exotischen und bunten Namen zu unterrichten: Daianki, Inner, Anjeli, Jeimi, Jerlin, Yuliza, Degner. Einige sind mexikanisch, andere guatemaltekisch, und wieder andere... nichts.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und die mexikanische Kommission für Flüchtlingshilfe (Comar) haben sich nicht um dieses Lager gekümmert. Für diese Gemeinschaft ist der Flüchtlingsstatus keine Option. `Wir wollen zurückkehren; Flüchtlingsrechte sind etwas anderes´, erklären sie. In diesen Tagen sind die Männer damit beschäftigt, kleine Parzellen vorzubereiten, auf denen sie Mais und Kürbis anbauen werden. Aber sie wissen, dass sie ohne die Säcke mit Minsa, Bohnen und anderen Hilfsgütern, die sie erhalten, nicht in der Lage wären, der Hungersnot zu entkommen. Die jungen Leute gehen auf Arbeitssuche in Campeche, Tabasco oder Chiapas, um etwas Geld nach Hause zu schicken. Kürzlich wurden sie Zeuge, wie Pick-up-Trucks aus Mexiko in die Lagune auf der guatemaltekischen Seite fuhren. Dort blieben sie den ganzen Tag am Stausee. Am späten Nachmittag fuhren sie mit ihrem Fang ab: den Mojarras, die die Gemeinde vor der Vertreibung von ihrem Land in diesem für sie nun unzugänglichen Gewässer "gepflanzt" hatte. Sie konnten ihren Fisch nie probieren.

Die Menschenrechtsorganisation Equipo Indignación mit Sitz in Chablekal bei Mérida begleitet sie seit ihrer Vertreibung und hat erreicht, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission vorsorgliche Maßnahmen zu ihren Gunsten erlassen hat. Sie sind regelmäßig anwesend, um ihre Situation zu überwachen. An jenem Tag im April nutzten mehrere Flüchtlinge den von der NRO gebotenen Schutz, um die guatemaltekische `militärische Straßensperre´ zu ihrem Land zu passieren. Die Soldaten des Trupps kamen bewaffnet heraus, als der Tross vorbeikam. Sie verlangten einen Ausweis. `Verstehen Sie, dass Sie sich, ob Sie wollen oder nicht, in einer Militäreinrichtung befinden´, sagt der verantwortliche Unterleutnant zu ihnen. Die Antwort war einstimmig: `Nein, das ist unsere Schule. Wir haben sie eingerichtet.´ Das Zusammenleben zwischen den Soldaten des Kaibil-Bataillons (Spezialtruppen) an diesem Grenzübergang und den Flüchtlingen ist von häufigen Reibereien und Zusammenstößen geprägt. Das Risiko eines diplomatischen Zwischenfalls ist latent vorhanden. Kürzlich war der Verantwortliche des Kommandos so freundlich, ein Schild auf dem Bürgersteig anzubringen: `Zutritt verboten´. Salz in der Wunde. Junge Männer zerschlugen das Schild. Die Soldaten betraten das Lager, um sie aufzuhalten. Gelegentlich betreten bewaffnete und uniformierte guatemaltekische Militärs El Desengaño, um Lebensmittel, Batterien oder Akkus für ihre Handys zu kaufen. Und sie gehen durch, ohne um Erlaubnis zu fragen. An einem anderen Tag biss ein nauyaca einen kaibil. Die Lagerleitung nahm Kontakt auf und bat um Hilfe, und der Soldat wurde im Krankenhaus in La Candelaria behandelt - und konnte sein Leben retten. Manchmal siegt der gesunde Menschenverstand über die Bitterkeit. Aber nicht immer.

Paradoxerweise werden die Räumung der Laguna Larga und die Androhung ähnlicher militarisierter Enteignungen gegen etwa 60 Gemeinden, die in den Naturparks Laguna del Tigre und Sierra del Lacandón sowie im Candelaria-Dreieck in El Petén angesiedelt sind, hinter dem `Naturschutz´-Argument derjenigen versteckt, die den angeblichen Schutz des Urwalds mit dem Schwerpunkt auf Kontrolle und Militarisierung vorantreiben, argumentiert die in Chiapas ansässige Organisation Voces Mesoamericanas in dem Dokument `Desesperando en la Frontera´. Während also Siedler verschiedener ethnischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Region niedergelassen haben, enteignet werden, expandieren Forstkonzessionen (Paxbán Industrial Concession, mit Genehmigungen bis 2029), Ölkonzessionen (kanadische Quattro Exploration and Production und anglo-französische Perenco), Ölpalmenplantagen, Drogenhandel und das von der Firma Guatecarbón geförderte Megaprojekt für den Verkauf von Kohlenstoffgutschriften.

Das letztgenannte Unternehmen, das von einer US-amerikanischen NRO und der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) unterstützt wird, fördert ein Geschäft, mit dem über einen Zeitraum von 30 Jahren 122 Millionen Dollar durch die Platzierung von `Kohlenstoffanleihen´ auf dem internationalen Markt verdient werden könnten. Dabei handelt es sich um das von der UNO über die FAO und das UNDP geförderte Programm REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation Avoidance), in dessen Rahmen die umweltschädlichsten Länder der Erde Kohlenstoffgutschriften von Unternehmen kaufen, die sich verpflichten, die Waldgebiete im Naturpark El Petén nicht abzuholzen, um die globale Erwärmung einzudämmen. In diesem riesigen, bereits weitgehend zerstörten Waldgebiet gibt es fünf Gemeinden mit Räumungsbefehlen (Laguna Larga war die erste und bisher einzige), darunter El Reloj, El Sacrificio und Estrella del Norte, alle an der Grenze zu Campeche. Und es gibt noch viele mehr (manche sagen bis zu hundert), die zwischen der drohenden Räumung und der Möglichkeit einer versöhnlichen Einigung hin- und hergerissen sind. Für Voces Mesoamericanas, der Organisation, welche diese Gruppe von Vertriebenen seit ihrer Ankunft begleitet und unterstützt, ist dies ein klarer Fall von `Green Grabbing, einer Form von Enteignung´.

Der Dialog zwischen der Regierung, der CONANP und den Bewohnern der Laguna Larga hat in den sechs Jahren des Tauziehens zu keiner Lösung geführt, obwohl vor der Vertreibung von einem alternativen Plan die Rede war, der vorsah, sie nicht von ihrem Land zu vertreiben, sondern ein Projekt für eine umweltverträgliche landwirtschaftliche Nutzung mit verbesserten Anbautechniken zu entwickeln. Bei zwei oder drei Gelegenheiten wurde ihnen eine Umsiedlung auf neue, kleinere, nicht landwirtschaftliche Grundstücke angeboten. Nachdem die Vertriebenen sechs Jahre lang unhaltbare Vorschläge gehört haben, verlangen sie nur eines: die Rückkehr auf ihr Land. Während der Versammlung im April wurde dieser Wunsch von den Vertriebenen durch die Stimmen der Gemeindekoordinatoren und Kommissare wiederholt. Doch die Rückkehr scheint in immer weitere Ferne zu rücken. Seit ihrem Exil durchstreifen die Vertriebenen von Laguna Larga jedes Jahr die verlassenen Ländereien oder einsamen Flecken auf der Suche nach herrenlosen Ecken, nach kleinen Stückchen Land zum Säen. Diese heimliche, aber dringliche Suche fand Ende April statt, denn Anfang Mai musste man mit dem Pflügen beginnen, die Erdschollen auflockern und an das Öffnen der Furchen denken.

Das Diktat der Aussaatzyklen prägt die sozialen und sogar politischen Entscheidungen der Landarbeiter. Für die landlosen Bauern sind dies kritische Momente. Die Vertriebenen von Laguna Larga sind zu diesem Zeitpunkt des Jahres nicht in der Lage, auch nur das kleinste Stück Land zu bekommen, um den Mais und die Bohnen anzubauen, die sie brauchen. Die Armee und die Nationale Zivilpolizei ihres Landes hindern sie daran, dies zu tun.

Nach dem Besuch des Teams der Empörung wurden Ende Mai, vielleicht als Vergeltungsmaßnahme, drei Bauern aus dem Lager verhaftet, darunter ein 11-jähriger Junge. Sie waren etwas weiter in das Gebiet des Petén vorgedrungen als üblich. Sie wollten Mais abholen, den sie gepflanzt hatten. Das war ihr Verbrechen. Der Junge wurde an seinen Füßen aufgehängt, eine Form der Folter. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, die diese Gemeinschaft mit der Vorsichtsmaßnahme 412-17 schützt, musste eingreifen, damit das Kind am nächsten Tag zu seiner Familie zurückgebracht wurde. Die beiden Erwachsenen, René Gutiérrez und Melvin Pérez, wurden 10 Tage später freigelassen. Ihre Rückkehr ins Lager war eher düster. Sie hatten eine unheilvolle Botschaft im Gepäck. Sie wurden gewarnt, dass die guatemaltekische Regierung sie nicht mehr in ihr eigenes Land einreisen lassen würde. Wenn sie es doch täten, würden sie inhaftiert werden. Das war die Drohung. Seit diesem Tag ist eine neue Angst in den Alltag des Lagers eingedrungen: Wo werden sie ihre Ernte anbauen? Werden sie Tortillas für ihre Kinder haben, wenn die Säcke mit Minsa, die ihnen gespendet wurden, aufgebraucht sind? Werden sie überleben?

 

 


⁽¹⁾ https://www.frayba.org.mx/index.php/la-opacidad-e-inaccion-del-estado-mexicano-es-una-amenaza-inminente-la-paz-en-chiapas

⁽²⁾ https://radiozapatista.org/?p=45247

⁽³⁾ https://www.congresonacionalindigena.org/2023/05/25/cni-unsere-geschwister-der-autonomen-gemeinde-moises-gandhi-sind-nicht-allein/

⁽⁴⁾ https://www.redajmaq.org/

⁽⁵⁾ https://www.caminoalandar.org/generales

⁽⁶⁾ Bishin zu so abstrusen Behauptungen von `Influencern´ und `Bots´, die britische Krone würde die Zapatistas finanzieren.

⁽⁷⁾ Dieses und alle vorangegangenen Zitate: https://www.caminoalandar.org/post/el-zapatismo-bajo-ataque-llamado-a-la-solidaridad-internacional

⁽⁸⁾ https://piedepagina.mx/chiapas-pobladores-recorren-50-kilometros-entre-montanas-para-ponerse-a-salvo-de-los-carteles/

⁽⁹⁾ https://twitter.com/GuacamayanLeaks/status/1662840845261832192

⁽¹⁰⁾ http://www.grieta.org.mx/index.php/2023/05/27/alto-a-las-agresiones-contra-las-comunidades-zapatistas-protesta-frente-sedes-del-mal-gobierno-de-mexico/

⁽¹¹⁾ https://cgt.org.es/basta-de-agresiones-a-las-comunidades-zapatistas/

⁽¹²⁾ https://laboursolidarity.org/n/2688/las-organizaciones-de-la-red-sindical-internacional-de-solidaridad-et-de-lutas-denuncian-ataque-armado-en-territorio-zapatista

⁽¹³⁾ https://taz.de/Tote-in-Libyen/!5934840/

⁽¹⁴⁾ https://www.spiegel.de/ausland/griechenland-video-dokumentiert-illegalen-pushback-lueckenlos-a-eab88940-0411-4ca0-890e-e18c38442f9f

⁽¹⁵⁾ https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1662915616808861697

⁽¹⁶⁾ https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/erdogan-gewinnt-wahl-in-tuerkei-100.html

⁽¹⁷⁾ https://www.sueddeutsche.de/leben/hauptbahnhof-hamburg-deutsche-bahn-obdachlosigkeit-adhs-1.5858839

⁽¹⁸⁾ https://www.lajornadamaya.mx/campeche/215481/olvidadas-111-familias-de-guatemala-sobreviven-en-chozas-en-campeche