NGOs klagen gegen Unterstützung für libysches Migrationsregime

Drei NGOs haben gemeinsam Beschwerde beim EU-Rechnungshof wegen Finanzierung der libyschen Küstenwache und des libyschen Migrationsregimes eingereicht.

Die NGOs Global Legal Action Network (GLAN), Association for Juridical Studies on Immigration (ASGI) und Italian Recreational and Cultural Association (ARCI) haben Beschwerde beim EU-Rechnungshof gegen die Finanzierung von Maßnahmen zur Kontrolle von Flucht und Migration aus Entwicklungshilfegeldern eingelegt und fordern die sofortige Einstellung der Zahlungen im Rahmen des „Programms zur Eindämmung der Migration aus Libyen“. Dieses Programm verstoße sowohl gegen EU-Haushaltsgesetze als auch internationale Menschenrechtskonventionen. Die Kläger stellen fest, dass die Europäische Kommission Projekte finanziell unterstützt, die zum Push- oder Pullback von Menschen nach Libyen führen. Dort sind sie Folter, Misshandlungen und Kriegsgefahren ausgesetzt. Damit verstößt die EU-Kommission gegen ihre Verpflichtung, nicht zu schweren Menschenrechtsverletzungen beizutragen.

Der Rechnungshof, das für die Prüfung des EU-Haushalts zuständige Organ, solle daher eine Sonderprüfung des „Integrated Border Management Programme" (IBM) einleiten, das über den Europäischen Treuhandfonds für Afrika läuft, der die libyschen Behörden unterstützt, und der EU-Kommission empfehlen, das Programm auszusetzen, bis die nach EU-Recht erforderlichen Überprüfungen vorgenommen worden sind.

Geld für flüchtlingsfeindliche Bürgerkriegsmiliz „Libysche Küstenwache“

Unter anderem wird aus diesen Mitteln die berüchtigte Miliz „Libysche Küstenwache“ finanziert, die für Übergriffe und Verschleppung von Schutzsuchenden bekannt ist. Auch die Bundesregierung hat mehrfach auf Kleine Anfragen hin ihr Wissen darum geäußert, dass die libysche Küstenwache einerseits immer wieder in kriminelle Aktivitäten verwickelt ist und von ihr aufgegriffene Schutzsuchende in „Detention Centers“ und private Lager verschleppt werden. Deutsche Diplomaten hatten die Verhältnisse dort als „KZ-ähnlich“ charakterisiert. Schutzsuchende werden als Sklaven verkauft, gegen Lösegeld festgehalten, für Milizen zwangsrekrutiert oder sterben in den Lagern an Krankheiten, Hunger und Durst. Die EU hat 90 Millionen Euro für das Abschottungsprogramm für Libyen bereitgestellt. Die vom Europäischen Treuhandfonds für Afrika verwendeten Gelder stammen in erster Linie aus Entwicklungsfonds, die nur für Entwicklungshilfe eingesetzt werden dürfen, den NGOs zufolge wird mit der Zweckentfremdung der Mittel gegen EU-Recht verstoßen.

Zahlungen erleichtern Folter durch libysche Akteure

Die NGOs stellen in ihrer Erklärung fest: „Die EU-Entwicklungsfonds unterliegen den Regeln der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Dazu gehört die Forderung, dass Projekte über ein System zur Abmilderung, Kontrolle und Überwachung der Auswirkungen auf die Menschenrechte verfügen müssen. Der Treuhandfonds für Afrika verfügt jedoch nicht über solche Mechanismen hinsichtlich von Menschenrechten. Stattdessen verlässt sich der Treuhandfonds bei der Durchführung von Bewertungen und der Überwachung der Auswirkungen auf die Menschenrechte auf die Empfänger seiner Mittel, die ‚Durchführungspartner‘. Diese Abhängigkeit des Treuhandfonds ist im Fall Italiens, dem Durchführungspartner der EU-Finanzierung für Libyen, unangemessen. Die Zusammenarbeit Italiens mit Libyen erleichtert, wie der UN-Ausschuss gegen Folter festgestellt hat, die Folter durch libysche Akteure.“

EU verantwortlich für Misshandlung von in Libyen gefangenen Migrant*innen

Die NGOs werfen der EU vor, durch ihre Zahlungen verantwortlich für die Misshandlungen von Schutzsuchenden in Libyen zu sein. Sie fordern mit ihrer Beschwerde von der EU, dass sie Schritte übernimmt, die Lager für Schutzsuchende zu schließen und für die Umsetzung des Asylrechts zu sorgen.

Scharfe Kritik an maltesischem Vorschlag zu Aufstockung der Hilfe für Küstenwache

Die NGOs kritisieren insbesondere auch die maltesische Regierung, die unter anderen für illegale Pushbacks nach Libyen verantwortlich ist: „Der jüngste Vorschlag der maltesischen Regierung, die Mittel, auch für die libysche Küstenwache als Reaktion auf COVID-19 auf 100 Millionen Euro aufzustocken, zeigt, dass die mangelnde Rechenschaftspflicht für EU-Ausgaben in Libyen nach wie vor missachtet wird."

GLAN: EU-Programm verstößt gegen Menschen und Völkerrecht

Die Rechtsberaterin der NGO GLAN, Dr. Valentina Azarova, erklärt: „Die EU-Haushaltsgesetze verpflichten die EU, die ordnungsgemäße Verwendung der europäischen Entwicklungsgelder sicherzustellen, unter anderem durch die kontinuierliche Überwachung und Bewertung ihrer Auswirkungen auf die Menschenrechte. Ohne Menschenrechtsgarantien verstößt das EU-Programm in Libyen in eklatanter Weise gegen EU- und Völkerrecht und ist mitschuldig an dem menschlichen Leid, das durch die Rückkehr von Migranten nach Libyen verursacht wird.”

ARCI: Europa trägt zu schweren Menschenrechtsverletzungen bei

„Ein Europa, das durch die Misswirtschaft mit Entwicklungsgeldern zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das Völkerrecht beiträgt, ist ein Europa, das seine eigenen Verpflichtungen und sein eigenes Fundament untergräbt. Während die Zivilgesellschaft auf beiden Seiten des Mittelmeers die Schließung der libyschen Gefangenenlager fordert, werden durch die Zusammenarbeit Italiens mit Libyen, die von der Europäischen Union unterstützt und gefördert wird, Männer, Frauen und Kinder in die libysche Hölle zurückgeschickt, anstatt ihnen Sicherheit und Schutz zu bieten“, so Filippo Miraglia von der NGO ARCI.