Am Donnerstag fand in Mexiko-Stadt eine Pressekonferenz zur Ankündigung einer internationalen Karawane in die zapatistischen Autonomiegebiete in Chiapas statt. Der Innenhof, in dem die Konferenz stattfand, war bis auf den letzten Platz mit nationaler und internationaler Presse sowie Aktivist:innen gefüllt.
Die Compas (Compañeros, Compañeras) der zapatistischen Organisation haben in den letzten Monaten in Form von Comunicados (schriftlichen oder künstlerischen Verkündigungen) die Auflösung der alten Strukturen der „Juntas de Buen Gobierno“ (Räte der guten Regierung) bekanntgegeben und eine neue Struktur der zapatistischen Autonomie vorgestellt. Aus Anlass der „30 Jahre des Beginns des Krieges gegen das Vergessen“ werden Ende Dezember bis Anfang Januar Zusammentreffen und Festivitäten stattfinden. Eingeladen sind alle, die die „Erklärung für das Leben“ unterzeichnet haben.
Die „Erklärung für das Leben“, welche am 1. Januar 2021 von den Zapatistas gemeinsam mit einem Teil des Europas von links und unten veröffentlicht wurde, war bereits 2021 Bezugs- und Anstoßpunkt für eine breite internationalistische Organisierung in Europa für die „Gira por la Vida” (Reise für das Leben). Eine Delegation aus der indigenen Bewegung im Süden Mexikos brach nach Europa auf, um unter anderem dazu aufzurufen, ein weltweites Netz der Widerstände und der Kämpfe für eine befreite Gesellschaft zu bilden.
Internationale Karawane zum zapatistischen Aufstandsjubiläum
Die Rebell:innen der EZLN (Zapatistische Armee der nationalen Befreiung) begannen in den 1980er Jahren sich im Stillen zu organisieren, um am 1. Januar 1994 einen Aufstand gegen den Kapitalismus, das Patriarchat und den Kolonialismus zu starten. Seitdem setzen sie ihre Vorstellungen „einer Welt, in die viele Welten passen“, tagtäglich in Selbstorganisierung um.
Rund 600 Menschen aus 20 verschiedenen Ländern brechen in den nächsten Tagen in Buskarawanen in die zapatistischen Gebiete auf, um an den Festivitäten über den Jahreswechsel teilzunehmen. Auch mehr als 30 Menschen aus verschiedenen Strukturen aus Deutschland werden nach Chiapas fahren, so zum Beispiel Initiative demokratischer Konföderalismus (IDK), Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie, Netz der Rebellion, Ya-Basta-Netz und Interventionistische Linke.
An der Pressekonferenz in Mexiko-Stadt beteiligten sich zehn Sprecher:innen unterschiedlicher Organisationen, die an der Karawane teilnehmen oder diese solidarisch unterstützen, vertreten waren unter anderem die CGT aus Spanien und der CNI (Congreso Nacional Indígena) aus Mexiko. Menschenrechtsorganisationen und mexikanische Aktivist:innen forderten angesichts der sich zuspitzenden Gewalt in ganz Mexiko, insbesondere aber auch im südlichen Grenzstaat Chiapas, den Staat auf, für die Sicherheit der Karawane Sorge zu tragen.
Auch für die deutsche Delegation nahm eine Pressesprecherin an der Konferenz teil. Besonders wichtig hervorzuheben ist, dass „die Zapatistas in ihrem langjährigen Widerstand immer wieder gezeigt haben, welche Kraft im Kollektiv und der Autonomen Selbstverwaltung steckt. Dass man das Leben mit den eigenen Händen verteidigen muss und kann. Wir sehen die Entwicklungen in Chiapas. Wir sehen die feministische Selbstorganisierung, die ökologische Landwirtschaft, die Alternative zur hierarchischen Gesellschaftsordnung. Wir sehen die stetige Weiterentwicklung der Zapatistischen Gemeinden. Die Strahlkraft der Zapatistas geht über ihre Gemeinden, über Mexiko hinaus und hat Auswirkungen auf die ganze Welt!“
Doch diese Selbstorganisierung wird von Paramilitärs, mexikanischer Regierung und organisierter Kriminalität angegriffen. Diese genannten Akteure können nicht voneinander getrennt betrachtet werden und auch nicht losgelöst von den Einflüssen der Staaten des globalen Nordens wie zum Beispiel Deutschland gesehen werden: „Deutsche Konzerne wie die Deutsche Bahn oder Siemens betreiben Landraub, vertreiben Menschen, zerstören Ökosysteme und greifen damit die Autonomie der Zapatistas und anderer indigener Pueblos an. Der Tren Maya und der Corredor Transístmico sind nur zwei der vielen großen Infrastrukturprojekte, gegen die die lokale Bevölkerung und auch wir im Westen ankämpfen.“
Also müsse die Antwort internationalistisch und ganzheitlich aussehen, denn „auch wenn wir aus verschiedenen Ländern, Gemeinschaften und Organisationen kommen, so verbindet uns eine gemeinsame Vision von einem besseren Leben. Wir kämpfen gegen den selben Feind, auch wenn er andere Gesichter trägt.“
Vollständige Rede der Delegation aus Deutschland
„Wir möchten uns für die Einladung zu dieser Pressekonferenz bedanken und freuen uns, dass dieses Zusammentreffen ermöglicht wird. Dass wir an der Feier zum 30 Jährigen Jubiläum des Aufstands der EZLN teilnehmen dürfen, ist uns eine große Ehre. Wir sind aus unterschiedlichen Städten Deutschlands angereist, weil wir den Kampf der Zapatistas gegen die kapitalistische Zerstörung und für das Leben teilen.
Auch wenn wir aus verschiedenen Ländern, Gemeinschaften und Organisationen kommen, so verbindet uns eine gemeinsame Vision von einem besseren Leben. Wir kämpfen gegen den selben Feind, auch wenn er andere Gesichter trägt. Ein Feind, der seit Jahrhunderten Mensch und Natur ausbeutet. Dessen Macht auf kolonialer Ausbeutung und Strukturen der Ungleichheit und Unterdrückung basiert. Eine Macht, die auch in Europa auf dem Rücken von BIPoC, Frauen und Arbeiter:innen erbaut wurde. Eine Macht, die durch Menschen geschaffen wurde und aufrechterhalten wird – und deswegen auch von ihnen zerschlagen werden kann.
Als Europäer:innen wissen wir, dass wir im Herzen der Bestie leben. Wir wissen um den Reichtum des Westens, der nur durch das Blut des Globalen Südens erwirtschaftet werden kann. Auch wir profitieren von diesem System und sehen uns in der Verantwortung, uns in Deutschland und Europa zu organisieren. Um dem neokolonialen System der Ausbeutung entgegentreten zu können und eine gemeinschaftliche Alternative aufzubauen. Um eine Welt aufzubauen, in der viele Welten Platz haben.
Auch in den Zapatistischen Gemeinden sehen wir die Bedrohung durch den westlichen Kapitalismus. Deutsche Konzerne wie die Deutsche Bahn oder Siemens betreiben Landraub, vertreiben Menschen, zerstören Ökosysteme und greifen damit die Autonomie der Zapatistas und anderer indigener Pueblos an. Der Tren Maya und der Corredor Transístmico sind nur zwei der vielen großen Infrastrukturprojekte, gegen die die lokale Bevölkerung und auch wir im Westen ankämpfen. Wir fordern, dass der mexikanische Staat seinen Krieg gegen die zapatistischen Comunidades beendet und ihr Recht auf Autonomie respektiert, das sowohl in der mexikanischen Verfassung als auch in den Verträgen von San Andrés festgeschrieben ist.
Ob in Mexiko oder in Deutschland, immer und immer wieder sehen wir die Gewalt des Staates und seine Kollaboration mit globalen Konzernen. Der Staat wird immer das Kapital über Menschenleben stellen. Das beweist auch die Beteiligung deutscher Konzerne an Tren Maya und Corredor Transístmico, die eindeutig gegen das Abkommen ILO169 über die Rechte indigener Völker verstoßen, das sowohl von Mexiko als auch von Deutschland ratifiziert wurde.
Die Zapatistas haben in ihrem langjährigen Widerstand immer wieder gezeigt, welche Kraft im Kollektiv und der Autonomen Selbstverwaltung steckt. Dass man das Leben mit den eigenen Händen verteidigen muss und kann. Wir sehen die Entwicklungen in Chiapas. Wir sehen die feministische Selbstorganisierung, die ökologische Landwirtschaft, die Alternative zur hierarchischen Gesellschaftsordnung. Wir sehen die stetige Weiterentwicklung der Zapatistsichen Gemeinden. Die Strahlkraft der Zapatistas geht über ihre Gemeinden, über Mexiko hinaus und hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Der Widerstand der Zapatistas wird auch aus Europa gesehen und hat für uns und die globale Bewegung als praktische Umsetzung unserer Ideale große Bedeutung.
Wir ziehen Kraft und Mut aus dem Kampf der Zapatistas und aus allen globalen revolutionären Bewegungen der Vergangenheit und Gegenwart, die zeigen, dass ein besseres Leben möglich ist. Wir sind solidarisch und kämpfen mit allen vom Patriarchat unterdrückten Menschen und allen Kolonisierten, die unter einer Besatzung leben. Wir werden nicht leise sein, noch uns von Repressionen einschüchtern lassen. Unser Kampf bleibt antikolonial, antirassistisch, antiimperialistisch, antifaschistisch und selbstverständlich feministisch. Gemeinsam kämpfen wir für das Recht aller Menschen auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben. Damit machen wir weiter, Hand in Hand, global, für dich und für mich, für uns alle, und das wichtigste: für das Leben!“
Organisationen, die an der Pressekonferenz teilgenommen haben
Red Nacional de Organismos Civiles de Derechos Humanos «Todos los Derechos para Todas y Todos» (Mexiko)
Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de las Casas (Mexiko)
Congreso Nacional Indígena (Mexiko)
Pallasos en Rebeldía (Galicia)
Asamblea Catalana de Apoyo a la Gira Zapatista (Barcelona)
Red Sexta Grietas del Norte (USA)
Armadillo colectivo Suomi (Finnand)
Assemblea de Solidaritat amb Mèxic del País Valencià
Confederación General del Trabajo de España (Spanien)
Calendario Zapatista (Griecheland)
Delegación alemana de la Caravana Europazapatista (Deutschland)
Espacio de Coordinación Nacional “Alto a la guerra contra los pueblos zapatistas. Si tocan a un@, nos tocan a tod@s” (Mexiko)