Deutsche Künstlerin in Bagdad entführt

Die deutsche Kulturvermittlerin Hella Mewis ist in Bagdad entführt worden. „Unbekannte” hätten die gebürtige Ostberlinerin vor den Augen von Polizisten verschleppt. In sozialen Medien richtete sich der Verdacht schnell gegen eine pro-iranische Miliz.

Die deutsche Kuratorin und Kulturvermittlerin Hella Mewis ist in Bagdad entführt worden. „Unbekannte” hätten die gebürtige Ostberlinerin am Montagabend gegen 20 Uhr Ortszeit nach Verlassen ihres Büros im Viertel Karrada im Süden der irakischen Hauptstadt verschleppt, hieß es aus Sicherheitskreisen. Mewis war demnach unweit der Uferstraße Abu Nawas auf ihrem Fahrrad unterwegs, als sich ihr zwei Fahrzeuge näherten. Danach hätten Zeug*innen beobachtet, wie sie aus den Wagen heraus aufgegriffen worden sei. Polizisten hätten den Vorfall ebenfalls verfolgt aber nicht eingegriffen. Ali al-Bayati, Mitglied der vom irakischen Parlament gewählten Menschenrechtskommission, schrieb am Abend auf Twitter, dass bewaffnete Männer Mewis in ihre Gewalt gebracht hätten. In den sozialen Medien richtete sich der Verdacht vor allem gegen die Iran-treue schiitische Miliz „Kataib Hisbollah”. Das Auswärtige Amt bestätigte die Entführung der deutschen Staatsbürgerin zunächst nicht.

Hella Mewis ist 48 Jahre alt und ausgebildete Theatermanagerin. Seit 2013 lebt und arbeitet sie in Bagdad, wo sie das Kulturinstitut „Bait Tarkib” aufbaute. Das Zentrum für zeitgenössische Kunst fördert die Arbeit junger irakischer Kunstschaffender der verschiedenen Genres und organisiert Musikveranstaltungen, Festivals und Ausstellungen. Zeitweise arbeitete Mewis auch für das Goethe-Institut. Freund*innen von ihr schrieben in Online-Netzwerken, dass Mewis zu den Kritiker*innen der instabilen Regierung gehöre und die Protestbewegung auf dem Tahrir-Platz unterstütze.

Nach dem Ausbruch der Proteste im vergangenen Oktober gegen die politische Elite, Misswirtschaft, Korruption und die hohe Arbeitslosigkeit im Irak gingen Sicherheitskräfte, darunter Fraktionen der Volksmobilisierungseinheiten (Hash al-Shaabi), zu denen auch Kataib Hisbollah gehört, mit exzessiver Gewalt gegen Protestierende vor, die im ganzen Land an Demonstrationen teilnahmen. Dabei wurden mehr als 550 Personen getötet und tausende verletzt. Zahlreiche Aktivist*innen, Rechtsanwält*innen, Medienschaffende und medizinisches Personal wurden von Geheimdiensten und Sicherheitskräften eingeschüchtert, inhaftiert oder fielen dem „Verschwindenlassen” zum Opfer. Die irakische Menschenrechtskommission bezifferte die Zahl der spurlos verschwundenen Demonstrant*innen in einem Bericht vom Februar mit 72, die Vereinten Nationen schrieben die Entführungen „bewaffneten Milizen“ zu. Seitdem befürchten viele Menschen, die dunkle Phase von 2004 bis 2009, als politische Morde und Entführungen zum Alltag im Irak gehörten, sei zurück.

Diese Angst hat sich seit dem Tod von Hisham al-Hashimi, einem international angesehenen Historiker und Dschihadismusexperten, noch einmal gesteigert. Vor zwei Wochen wurde der 47-Jährige vor seinem Haus in Bagdad von Unbekannten erschossen. Hashimi galt als ein Reformator und sehnte sich nach einem Irak ohne den seit Jahrzehnten währenden iranischen Einfluss. Kritik äußerte er auch bei seinem letzten Fernsehauftritt nur wenige Stunden vor seinem Tod, als er sagte, dass der Einfluss des Iran im Irak nach wie vor groß sei: politisch über Iran-nahe Abgeordnete und Beamte in Ministerien, sowie wirtschaftlich und militärisch. Auch die Macht der Milizen sei noch nicht gebrochen, sagte Hashimi, der als Vermittler zwischen Politiker*innen und Vertreter*innen der Protestbewegung auf dem Tahrir-Platz fungiert hatte.

Freundin: Hella war besorgt

Die Bagdader Künstlerin Dhikra Sarsam, eine Freundin von Hella Mewis, äußerte am Montag gegenüber AFP, die Deutsche sei seit dem Mord an Hisham al-Hashimi besorgt gewesen. „Ich habe letzte Woche mit ihr gesprochen, sie war nervös. Sie hat sich auch an den Protesten beteiligt“, so Sarsam. Beunruhigend ist der Fall von Mewis zudem mit Blick auf die Entführungen von ausländischen Personen Anfang des Jahres im Irak. An Silvester waren in Bagdad zunächst zwei französische Journalisten nahe der Grünen Zone von Kataib Hisbollah verschleppt worden. Drei Tage später wurden sie infolge von Verhandlungen zwischen dem ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Adil Abd al-Mahdi und dem Vorsitzenden von Hashd al-Shaabi, Falih al-Fayyadh, der zu dem Zeitpunkt als nationaler Sicherheitsberater tätig war, freigelassen. Ende Januar wurden dann drei Franzosen und ein Iraker, allesamt Mitarbeiter der französischen Nichtregierungsorganisation „SOS Chrétiens d'Orient”, in Bagdad entführt und nach einer Woche freigelassen. Die offiziellen Erklärungen des Elysée-Palasts und der Organisation selbst enthielten weder Angaben zu den Entführern noch zum Hergang der Tat und zu der Art und Weise der Freilassung.  Doch auch hier vermuteten Expert*innen pro-iranische Milizen hinter der Tat.