Zum Stuttgarter Prozess gegen Osmanen Germania

Obwohl der Bezug der Gruppe „Osmanen Germania“ zum Erdoğan-Regime mehrfach belegt ist, spielen politische Motive keine Rolle im Prozess gegen acht Bandenmitglieder vor dem Stuttgarter Landgericht.

Seit vergangenem März läuft vor dem Stuttgarter Landgericht der Prozess gegen die Anführer der 2014 mit Unterstützung der türkischen AKP-Regierung gegründeten Gruppe „Osmanen Germania“. Obwohl die Gruppierung Anschläge gegen Oppositionelle des Erdoğan-Regimes plante, sollen sie lediglich wegen Straftaten wie Erpressung, Körperverletzung und Zwang zur Prostitution verurteilt werden.

Wie die Stuttgarter Nachrichten berichten, haben die Richter des Stuttgarter Landgerichts die zu erwartenden Strafen mit den Angeklagten erörtert. Demnach haben die Erdoğan-Rocker wegen politischer Verbrechen keine Strafe zu erwarten. Unter anderem der Überfall auf einen Kurden im November 2016 in Ludwigsburg soll wegen mangelnder Indizien straffrei bleiben.

Die höchste Strafe in Höhe von etwa acht Jahren droht dem Stuttgart-Verantwortlichen der Osmanen Germania, Levent Uzundal. Er soll unter anderem seine Freundin zur Prostitution gezwungen haben. Für Selçuk Şahin, einen der Bandenchefs, ziehen die Richter eine Freiheitsstrafe von drei bis vier Jahren in Betracht. Mehmet Bağcı, der sich zum „Weltführer“ der Osmanen Germania erklärt hat und von Erdoğan in seinem Palast in Ankara empfangen wurde, kann sich auf eine Haftstrafe von anderthalb Jahren einstellen. Mustafa Kılınç, der mutmaßliche Haupttäter, hat sich in die Türkei abgesetzt und lebt in Izmir.

Das Gericht will die Beweisaufnahme voraussichtlich am 25. Oktober abschließen.

Auf Anweisung Erdoğans

Wie aus im Dezember letzten Jahres öffentlich gewordenen Tonaufnahmen hervorgegangen ist, hat der Erdoğan-Vertraute und AKP-Abgeordnete Metin Külünk mehrfach den Bandenchefs der Osmanen Germania Geld für Waffenkäufe zukommen lassen. Mehmet Bağcı und Selçuk Şahin waren in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr festgenommen worden.

Die Osmanen Germania sind im Juli dieses Jahres von Bundesinnenminister Horst Seehofer verboten worden. Obwohl die Gruppierung bundesweit organisiert ist, fanden nur in vier Bundesländern Razzien statt. Die Aktivitäten der Bande werden in vielen Städten unter anderen Namen fortgesetzt.

Sollte der von Erdoğan persönlich beauftragte Mehmet Bağcı tatsächlich nur zu anderthalb Jahren verurteilt werden, ist seine baldige Freilassung denkbar. Alle Ermittlungsverfahren in Deutschland, bei denen es einen Zusammenhang mit der Erdoğan-Regierung gibt, sind in den letzten zwei Jahren eingestellt worden.

Zuletzt sind im Dezember die Ermittlungen gegen DITIB eingestellt worden, obwohl mehrfach belegt worden ist, dass der türkisch-islamische Verband wie ein Nachrichtendienst für das Erdoğan-Regime arbeitet. Der MIT-Agent Mehmet Fatih Sayan, der mit Anschlägen auf kurdische Politiker beauftragt war, wurde freigelassen und ist untergetaucht. Gegen Mustafa Karataş, einen weiteren Agenten, von dem es Tonbandaufnahmen über seine Tätigkeit für den türkischen Geheimdienst gibt, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.