YPG: Zwölf Jahre ohne Xebat Dêrik

Der Mord an YPG-Mitbegründer Xebat Dêrik machte schon früh das aktive Interesse der Türkei in Rojava deutlich. Eine Organisierung des Widerstands unter Einfluss linker Ideen sollte um jeden Preis verhindert werden. Doch die Realität ist eine andere.

Am 14. Januar 2012 wurde Xebat Dêrik, Mitbegründer der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und langjähriger PKK-Guerillakommandant, durch ein Komplott, in das Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT verwickelt waren, in Nordostsyrien ermordet. Zu seinem zwölften Todestag erinnert die YPG-Generalkommandantur an ihn und sein Leben.

Xebat Dêrik wurde 1962 als Mahmoud Ramadan im Dorf Kasan in Dêrik in eine Familie in der Tradition des kurdischen Widerstands geboren. Die Eltern waren wie viele kurdische Familien unter dem syrischen Baath-Regime finanziell schlecht situiert, Rojava wurde jahrzehntelang systematisch benachteiligt. Xebat Dêrik verließ frühzeitig die Schule und ging als Jugendlicher nach Damaskus, um zu arbeiten und seine Familie zu unterstützen. 1985 wurde er zum Militärdienst für die syrische Armee eingezogen, den er im benachbarten Libanon ableistete. Hier lernte er auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) näher kennen.

Xebat Dêrik in den Bergen Kurdistans | Bildquelle: HPG

Xebat Dêrik desertiert und geht zur PKK

Im darauffolgenden Jahr desertierte Xebat Dêrik und ging in die libanesische Bekaa-Ebene, wo die PKK im Dorf Helve ihre Mahsum-Korkmaz-Akademie betrieb. Hier lernte er auch Abdullah Öcalan kennen, nahm teil an den berühmten Schulungen des kurdischen Vordenkers und Begründers der PKK und blieb bis 1987. In jenem Jahr machte er sich auf den Weg in die Berge Kurdistans, zur Guerilla. Er kämpfte in nahezu allen Regionen gegen die türkische Besatzung, bildete Kommandierende aus, gehörte zum Militärrat der Volksverteidigungskräfte (HPG) und ihrer Vorgängerorganisationen und war Mitglied im Zentralrat der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK).

Mehr als zwei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte Xebat Dêrik bei der Guerilla. Nach Beginn der Aufstände in Syrien kehrte er zurück nach Rojava, um den Aufbau der Revolution zu unterstützen. „Hevalê Xebat übernahm eine Vorreiterrolle. Nach den Ideen von Abdullah Öcalan legte er die Grundlagen für die Umsetzung des Modells einer demokratischen Nation der Völker Syriens. Gleichzeitig wies er auf die Notwendigkeit hin, dass die Gesellschaft nicht nur eine Verteidigungskraft schaffen, sondern sich auch selbst organisieren und verwalten muss“, schreiben die YPG in einem Nachruf auf Xebat Dêrik.

Auf Xebat Dêriks Initiative hin wurden die 2011 konspirativ aufgebauten Selbstschutzeinheiten der YXG (Yekinêyên Xweparastina Gel) zu den YPG umstrukturiert. „Genosse Xebat vertrat die Meinung, dass jede Nation, die ihre Existenz behaupten will, zunächst die Fähigkeit haben muss, sich selbst zu verteidigen. Er wusste, dass ein Volk, das seine Selbstverteidigung nicht wahrnehmen kann, früher oder später mit einer Niederlage rechnen muss. Auf dieser Grundlage unternahm er große Anstrengungen zur Schaffung einer militärischen Kraft und ebnete den Weg für die Bildung der YPG.“ Er habe jedoch nicht nur eine auf Selbstverteidigung basierende Kraft aufgebaut, sondern sich auch intensiv für ihre politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung eingesetzt.

Wegbereiter aller Errungenschaften der Revolution

Damit sei Xebat Dêrik der Wegbereiter aller Errungenschaften der Revolution, betonen die YPG. Und genau deshalb wurde er ins Visier genommen. In das tödliche Komplott gegen den Kommandanten waren neben Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT auch kurdische Kollaborateure verwickelt. Der Schütze war ein Angehöriger der Familie Bedro aus dem Umfeld antirevolutionärer Gruppen, die 2011 den sogenannten ENKS („Kurdischer Nationalrat) gründeten. Xebat Dêrik hatte sich als Gast im Haus von Abdullah Bedro aufgehalten, als er kurz nach dem Verlassen von hinten niedergestreckt wurde. Dieser Mord machte schon damals das aktive „Interesse“ der Türkei an der Lage in Rojava deutlich. Eine Organisierung des Widerstands unter Einfluss linker Ideen sollte um jeden Preis verhindert werden. Doch die Realität in Rojava ist eine andere.

Das Erbe der Gefallenen weiterführen - für eine lebenswerte Zukunft

„Die Kraft, die hinter den Errungenschaften in Rojava sowie Nord- und Ostsyrien steckt, ist das Opfer von Xebat Dêrik. Es sind die Bemühungen von fast 12.000 Gefallenen, die im Kampf gegen Terror und Besatzung ihr Leben gaben, und das Ideal einer demokratischen Nation verteidigten. Unsere Aufgabe ist es, das Erbe der Gefallenen weiterzuführen und es zur Grundlage aller unserer Kämpfe zu machen. Trotz der begrenzten Möglichkeiten zu Beginn der Revolution wurden dank Xebat Dêrik große Fortschritte erzielt. Heute haben wir mehr Möglichkeiten und jeder Einzelne sollte den Widerstand für die Freiheit nach seinen Kräften und Fähigkeiten führen. Wir müssen unsere Organisation stärken, unsere Errungenschaften fortsetzen und Freiheit garantieren, um unserer Nation ein lebenswertes Land zu hinterlassen“, erklären die YPG.