Im Auffanglager Hol (al-Haul) im Nordosten von Syrien ist ein irakischer Flüchtling von Unbekannten getötet worden. Zwei weitere Geflüchtete aus dem Irak sowie eine binnenvertriebene Person wurden bei dem Übergriff verletzt. Camp-Verantwortliche vermuten Zellenstrukturen der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) hinter der Tat. Sicherheitskräfte haben eine Fahndung eingeleitet.
Wie es heißt, seien die Geflüchteten auf einem Marktplatz im ersten der insgesamt drei Abschnitte des Lagers für Vertriebene aus Mosul und Anbar angegriffen worden. Die Verletzten wurden umgehend in das Al-Hikma-Krankenhaus im rund 45 Kilometer weiter östlich gelegenen Hesekê gebracht. Zur Schwere ihrer Verletzungen lagen zunächst keine Angaben vor. Auch äußerten sich die Sicherheitskräfte zum Tatmittel bislang nicht.
Ein weiterer Mordfall im Camp Hol trug sich nach vorliegenden Informationen am gestrigen Samstag zu. Bei dem Opfer handelt es sich demnach um Jalal Muhammad Mutlaq al-Azzawi aus der Kleinstadt Al-Asharah in der ostsyrischen Region Deir ez-Zor. Der Mann Mitte 50 sei mit einem Kopfschuss niedergestreckt worden. Seit Mitte April hat es nach Angaben des Asayîş mindestens 25 Morde in Hol gegeben. Bei allen Opfern handelt es sich um Vertriebene aus Syrien und dem Nachbarland Irak. Die meisten von ihnen wurden erschossen.
Verhaftungen nach Sicherheitsoperationen
Erst Ende März hatten die Sicherheitskräfte der Autonomieregion von Nord- und Ostsyrien zusammen mit Mitgliedverbänden der Demokratischen Kräften Syriens (QSD) eine von der internationalen Anti-IS-Koalition unterstützte „humanitäre Sicherheitsoperation” im Camp Hol durchgeführt. Dem Einsatz war eine Serie von 47 IS-Morden seit Jahresbeginn vorangegangen. In der ersten Phase konnten über 125 Mitglieder des sogenannten IS gefasst werden, darunter auch solche aus der Führungsebene. Zu weiteren Festnahmen kam es im weiteren Verlauf der Operation im Rahmen von punktgenauen Razzien gegen IS-Zellen. Ziel des Einsatzes in dem Lager war die Zerschlagung von IS-Strukturen, die die Reorganisierung der Terrormiliz vorantreiben und innerhalb sowie außerhalb des Camps über klandestine Zellen Anschläge verüben.
Über 25.000 Internierte sind minderjährig
Hol gilt als Brutstätte des IS, dort leben über 60.000 Menschen aus über fünfzig verschiedenen Ländern, darunter tausende IS-Familien, die nach der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghuz Anfang 2019 von den QSD aufgegriffen wurden. Über 25.000 der Internierten sind Minderjährige, denen die IS-Doktrin beigebracht wird. Dadurch entsteht die Gefahr, dass eine neue Generation von Terroristen geschaffen wird. Die IS-Frauen haben eigene Strukturen aufgebaut und begehen immer wieder Gräueltaten an Personen, die sich vom IS trennen wollen oder nicht nach den Maßstäben der Terrororganisation leben. Diese Situation hängt vor allem mit der fehlenden Bereitschaft zu internationaler Unterstützung für die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens und Rücknahme der Insass:innen ab. Die wenigsten Staaten sind bereit, ihre in Camp Hol festgehaltenen Bürgerinnen und Bürger zurückzunehmen.