Albanien holt 19 IS-Frauen und Kinder zurück

Die Regierung von Tirana hat fünf Frauen und vierzehn Kinder mit albanischer Staatsbürgerschaft aus dem Camp Hol zurück ins Land geholt. Empfangen wurde die Gruppe im Libanon vom albanischen Ministerpräsidenten persönlich.

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat eine Gruppe albanischer Staatsangehöriger aus dem zerschlagenen IS an ihr Heimatland zurückgegeben. Die fünf Frauen und vierzehn Kinder von Söldnern der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) lebten zuletzt im Auffang- und Internierungslager al-Hol östlich von Hesekê.

Die Übergabe der albanischen IS-Frauen und Kinder fand am Wochenende unter Leitung von Abdulkarim Omar, Ko-Vorsitzender der auswärtigen Abteilung der Selbstverwaltung, an den Botschafter Albaniens für Syrien, den Libanon und Jordanien, Mark Gharib statt. Es handelt sich um die bislang dritte Rückführungsaktion von IS-Anhänger:innen und ihren Kindern nach Albanien. Im letzten Jahr waren vier Frauen und ein Kind in das südosteuropäische Land auf dem Balkan repatriiert worden.

Omar: Kinder sind für uns unschuldige Opfer

„Wir stehen für eine offene, ausgleichende und transparente Politik. Und wir wollen, dass alle Staaten Verantwortung für ihre Bürgerinnen und Bürger übernehmen, die sich dem IS angeschlossen haben und in den Autonomiegebieten festgehalten werden. Dies ist ihre moralische Verantwortung”, sagte Omar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Die Kinder sind für uns unschuldige Opfer, sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Herkunftsländer müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Was die Frauen betrifft, so liefern wir sie ebenfalls an ihre Herkunftsländer aus, wenn wir ihnen keine in Syrien begangenen Straftaten nachweisen können. Können wir ihnen jedoch hierzulande begangene Verbrechen nachweisen, bleiben sie hier und verantworten sich vor einem internationalen Tribunal, dessen Gründung wir einfordern”, so Omar.

Omar und Gharib bei der Unterzeichnung des Rückführungsprotokolls

Gharib: Kinder sollen ein würdiges Leben führen können

Mark Gharib erklärte, das vorrangige Ziel seiner Regierung in Tirana sei es, alle aufgrund ihrer IS-Zugehörigkeit im Ausland festgesetzten Bürgerinnen und Bürger ins Land zurückzuholen. Ein besonderes Augenmerk liege dabei bei den Kindern. „Wir wollen sicherstellen, dass sie alle ihre Rechte wahrnehmen können und ihnen den Zugang zu Bildung ermöglichen, damit sie ein würdiges Leben führen können.“ Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien trage eine schwere Last auf den Schultern, führte Gharib weiter aus. „Es ist eine ehrenvolle Verantwortung, vom Krieg betroffene Kinder von Kampfgebieten fernzuhalten. Die internationale Gemeinschaft sollte sich dem bewusst werden.”

Weitere Rückführungen nach Albanien angekündigt

Empfangen wurden die neunzehn Frauen und Kinder im Libanon vom albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama persönlich, um gemeinsam nach Albanien zu fliegen. „Das ist doch etwas Positives, und es wird nicht dabei bleiben. Wir bereiten bereits eine weitere Rückholung vor”, sagte Rama bei einer Pressekonferenz in Beirut. Wie viele Menschen es dann sein würden, wisse man noch nicht genau. „Das liegt daran, dass wir an die Orte, an denen sie leben, nicht herankommen.” Ob die Ehemänner der nun repatriierten Frauen noch leben oder in Syrien oder dem Irak inhaftiert sind, dazu äußerte sich Rama nicht. Begleitet wurde der albanische Premier von seinem Innenminister Bledar Cuci und dem libanesischen General Abass Ibrahim. Letzterer hatte die Verhandlungen mit der Autonomieverwaltung für die Rückführung angestoßen.

Nach der Landung der albanischen Maschine auf dem Flughafen Tirana © BalkanWeb

754 ehemalige IS-Angehörige seit Jahresbeginn zurückgeführt

Mit der jüngsten Rückführungsaktion sind in diesem Jahr 754 Personen mit IS-Bezug aus den Camps in Nord- und Ostsyrien in ihre Heimatländer zurückgebracht worden. Seit 2018 sind es insgesamt 2.149 ausländische Staatsangehörige. In Europa führen die Balkanstaaten die Zahl der Repatriierungen an. Der Kosovo hat bisher 121 seiner Bürgerinnen und Bürger zurückgeholt, Mazedonien 34, Bosnien und Herzegowina 25 und Albanien 24.

Europa tut sich schwer im Umgang mit IS-Angehörigen

Etwa 45 Kilometer östlich der Stadt Hesekê liegt das Camp Hol. Die Zeltstadt wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Mit Beginn der Syrienkrise besetzte der IS das Camp und machte es zu einer wichtigen Einrichtung seiner Schreckensherrschaft. Im Oktober 2015 wurde das Lager von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit und befindet sich seither unter der Kontrolle der Selbstverwaltung. Derzeit beherbergt Camp Hol gut 60.000 Personen aus mehr als 50 verschiedenen Ländern, darunter tausende IS-Familien, die nach der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghuz von den QSD aufgegriffen wurden. Die meisten Länder tun sich allerdings schwer im Umgang mit IS-Angehörigen und ihren Kindern in den Autonomiegebieten und verweigern Rückführungen.