UN beklagen Kriegsverbrechen in Syrien
Das Schicksal zehntausender Zivilisten in Syrien ist laut einem Bericht der UN-Menschenrechtskommission unklar. Viele seien verschleppt und vermutlich hingerichtet worden.
Das Schicksal zehntausender Zivilisten in Syrien ist laut einem Bericht der UN-Menschenrechtskommission unklar. Viele seien verschleppt und vermutlich hingerichtet worden.
Zehntausende Menschen sind in Syrien seit Beginn des Kriegs vor zehn Jahren willkürlich festgenommen worden und noch immer verschwunden. Tausende seien zudem Folter und sexualisierter Gewalt ausgesetzt oder in Haft gestorben, heißt es in einem am Montag in Genf vorgestellten Bericht der UN-Menschenrechtskommission. Die syrische Regierung habe sich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Auch verschiedene dschihadistische Gruppierungen hätten Kriegsverbrechen begangen. Der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) wirft der Bericht Völkermord vor.
Als im Jahr 2010 der „arabische Frühling” über die Länder Nordafrikas und des Mittleren Ostens hinwegfegte, entbrannte in der Folge auch in Syrien die Hoffnung auf einen Wandel. Im Frühjahr 2011 brachen die Proteste gegen die Regierung von Baschar al-Assad aus. Der Wunsch nach einer Demokratisierung war vielerorts zu spüren, doch Sicherheitskräfte gingen mit brutaler Gewalt gegen die Demonstrierenden vor. Aber auch von der anderen Seite sollte sich der Wind bald drehen. Denn verschiedenste Regional- und Großmächte waren nicht bereit, den Wandel in der Region den Massen zu überlassen. Die Proteste gegen das Regime wurden unter dem ausgerufenen Ziel, Assad zu stürzen, rasch vereinnahmt.
Das Schicksal Zehntausender Menschen aus der Zivilbevölkerung, die von Kräften der Regierung gewaltsam verschleppt worden seien, bleibe unklar, heißt es in dem Bericht der UN. Von vielen sei anzunehmen, dass sie gestorben oder hingerichtet worden seien. Angehörige hätten das Recht, die Wahrheit zu erfahren, sagte der Leiter der Untersuchungskommission, Paulo Pinheiro. „Das ist ein nationales Trauma, das dringend behandelt werden muss.”
Vorwürfe gegen QSD
Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen seien eine Hauptursache, aber auch ein beständiges Merkmal des Konflikts. Sie würden vor allem eingesetzt, um Angst auszulösen und Widerspruch unter der Zivilbevölkerung zu unterdrücken, heißt es weiter. Keine Kriegspartei respektiere die Rechte inhaftierter Personen. Auch gegen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) erheben die Vereinten Nationen in dem Bericht Vorwürfe. Die Anschuldigungen beziehen sich auf angebliche „Vertreibungen“ sowie Gefangennahmen im Verlauf der Befreiungsoffensiven auf Raqqa im Herbst 2017 und die letzte IS-Hochburg Baghuz im Frühjahr 2019. Mehr als zehntausend mutmaßliche IS-Dschihadisten wurden von den QSD inhaftiert, darunter zahlreiche Islamisten ausländischer Herkunft. Hinzu kommen zehntausende Angehörige der festgesetzten IS-Mitglieder, die in Camps im nordostsyrischen Autonomiegebiet unterkommen, weil ihre Heimatländer sie nicht zurücknehmen.
Befeuert werden die Konflikte in Syrien auch durch die Präsenz internationaler Akteure. So wird Damaskus militärisch von Russland und dem Iran unterstützt. Die Türkei als Nato-Mitgliedsland dirigiert einen islamistischen Invasionskorps, mit dem sie weite Teile des selbstverwalteten Nordens besetzt hat, um in Rojava eine Dschihadistenenklave unter türkischer Kontrolle etablieren. War es den kurdischen Regionen Syriens mit der Revolution von Rojava noch gelungen, sich im Machtvakuum des Bürgerkriegs größtenteils von der Herrschaft des Baath-Regimes zu befreien und inmitten eines türkisch-dschihadistischen Kessels eine basisdemokratische Gesellschaftsform aufzubauen sowie sich ökonomisch, kulturell und politisch weiterzuentwickeln, ist Ankara auf dem besten Weg, in Ain Issa einen weiteren Angriffskrieg gegen Nord- und Ostsyrien zu führen.