Zahl der Verletzten gestiegen
Die Türkei setzt ihre Angriffswelle gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien fort. Nach bereits mehr als vierzig Luftangriffen mit zwölf Todesopfern und 25 Verletzten in der vergangenen Nacht folgten den gesamten Donnerstag über dutzende weitere Attacken, die sich wie die vorangegangenen Bombardements hauptsächlich gegen zivile Wohngebiete und die Infrastruktur in den selbstverwalteten Gebieten Syriens richteten. Nach neueren Angaben der Behörde für innere Sicherheit (Asayîş) stieg dabei auch die Zahl der Verletzten auf nunmehr 27.
Mindestens zwei Menschen wurden am Abend verletzt, als Geschosse im Dorf Til Sosîn bei Ehdas einschlugen. In der Ortschaft südlich von Tel Rifat befindet sich das Camp Serdem, das für Efrîn-Vertriebene eingerichtet wurde. Die Asayîş sprach von einem Artillerieangriff; parallel zur Luftangriffswelle türkischer Kampfdrohnen intensivieren die islamistischen Proxy-Truppen Ankaras ihre Bodenangriffe gegen die Region. Neben Til Sosîn wurden demnach auch weitere Dörfer rund um Tel Rifat sowie Siedlungen in Til Temir, Ain Issa und Minbic unter Artilleriefeuer genommen. Weitere Drohnenangriffe zielten unter anderem auf die Ölversorgungseinrichtung Ewda (Odeh) in Tirbespiyê sowie zwei Ölfelder im angrenzenden Ort Girê Berê, das Dorf Gir Ziyaret bei Girkê Legê und eine Funkstation des syrischen Mobilfunkanbieters Syriatel in Dirbêsiyê.
Schwarzer Rauch steigt nach Drohnenangriffen in Tirbespiyê auf | Video: ANHA
Der türkische Staat rechtfertigt die Angriffe gegen Nord- und Ostsyrien mit dem Anschlag auf den staatlichen Rüstungskonzern TUSAŞ bei Ankara. Bei dem Angriff am gestrigen Mittwoch kamen nach staatlichen Angaben sieben Menschen ums Leben, darunter zwei Angreifer:innen, die von der Regierung als Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) identifiziert worden sein sollen. 22 weitere Menschen wurden verletzt. Die PKK hat sich bisher nicht zu dem Anschlag bekannt. Neben Zielen in Nord- und Ostsyrien bombardiert die türkische Armee auch die Kurdistan-Region des Irak (KRI) und die ezidische Şengal-Region. Dort kam ein Kämpfer der Widerstandseinheiten YBŞ durch einen Drohnenangriff ums Leben, zwei weitere Mitglieder erlitten leichte Verletzungen. Bei einem weiteren Angriff in Şengal wurde eine Zivilistin verletzt.
Großbrand nach Attacken auf den Ölversorger Ewda | ANHA
Die Türkei und das Völkerrecht
Die Türkei führt seit Jahren einen Zermürbungskrieg gegen die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Die Infrastruktur der Autonomieregion war zuletzt 2023 gezielt von der türkischen Armee zerstört worden. Auch damals begründete die Türkei die Angriffswelle mit einem PKK-Anschlag. Am 1. Oktober 2023 waren vor dem türkischen Innenministerium in Ankara zwei Polizisten verletzt worden, als zwei Guerillakämpfer eine Fedai-Aktion durchführten. Ohne Beweise behauptete die Regierung, die Kämpfer seien in Nordsyrien ausgebildet und in die Türkei geschickt worden.
Kein Recht auf Rache oder Vergeltung im Völkerrecht
Weitere flächendeckende Bombardierungen der Zivilbevölkerung und Infrastruktur erfolgten im Dezember 2023 und im Januar 2024. Ankara rechtfertigte die Angriffe im Januar mit „Vergeltung“ für den Tod türkischer Soldaten bei einer Aktion der PKK-Guerilla im Nordirak und verwies zugleich auf das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Die Zerstörung ziviler Ziele ist jedoch nicht durch das Selbstverteidigungsrecht eines Staates gedeckt und stellt ein Kriegsverbrechen dar.