Türkei versucht „Turkmenischen Gürtel“ aufzubauen

Der türkische Staat versucht die kurdische Bevölkerung aus Nord- und Ostsyrien zu vertreiben und einen fünf Kilometer breiten „Turkmenischen Gürtel“ zu bilden. Die arabische Bevölkerung soll zu einem Krieg gegen die Kurden aufgehetzt werden.

Auch wenn die verschiedenen Gruppen, aus denen sich Erdoğans Milizen der „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) zusammensetzen, jede im Einzelnen eine andere Agenda verfolgt, hat der türkische Staat eigene Vorstellungen, nach denen er die Gruppen benutzt. Der türkische Staat beabsichtigt, die Region zu entkurdisieren und so wie in Bezug auf Iskenderun (Hatay) die Region zunächst zu besetzen und anschließend zu annektieren. Er hat Dutzende verschiedene Gruppen aus dem Spektrum von al-Qaida und der Muslimbruderschaft zusammengebracht und benutzt diese für Kriegsverbrechen und als Kanonenfutter in Nord- und Ostsyrien. Für die einzelnen Gruppen verfolgt der türkische Staat jedoch ebenfalls spezielle Pläne.

Das Konzept des „Turkmenischen Gürtels“

Der türkische Staat stationierte an strategischen Stellen an der Grenze Gruppen, die behaupten, sich aus „Turkmenen“ zusammenzusetzen. Dabei handelt es sich um die Sultan-Murad-Brigade, die Sultan-Suleiman-Shah-Brigade, die Fatih-Sultan-Mehmet-Brigade, die Muntassir-Billah-Brigade und die Samarkand-Brigade. Die aus Arabern bestehenden Gruppen werden hingegen an die Front geschickt, um gegen die Völker Rojavas zu kämpfen und die Kurd*innen zu vertreiben.

Das Adana-Abkommen – ein Worst-Case-Szenario

Bereits nach dem Adana-Abkommen vom 20. Oktober 1998 zwischen dem türkischen Staat und dem syrischen Regime begann der türkische Geheimdienst, in diese Gruppen zu investieren. Nun werden diese Gruppen in einem fünf Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze stationiert. Mit der Ansiedlung dieser Gruppen in dem Gebiet soll eine Legitimationsbasis für eine dauerhafte Besatzung und Annexion geschaffen werden.

Strategische Orte gehen an „turkmenische“ Milizen

Der türkische Staat hält diese Gruppen von Kämpfen fern, damit sie keine Verluste erleiden. Stattdessen halten sie Orte von strategischer Bedeutung wie Grenzübergänge und Verkehrswege unter ihrer Kontrolle. Die anderen Gruppen, die sich hauptsächlich aus Arabern und Ausländern zusammensetzen, werden weiter in den Süden geschickt.

Säuberungen bei Milizen in Efrîn

Nach der Besetzung Efrîns lief ein ähnliches Schema ab und anschließend wurden die Anführer der mit Sultan-Murad konkurrierenden protürkischen Milizen einer nach dem anderen umgebracht. So waren am 10. März 2018 der Kommandant des 1. Corps, Lt. Col. Vail Musa und der Medienverantwortliche der Samarkand-Brigade, Suheyl Kasım, am 11. März 2018, der Feldkommandant von Faylaq al-Sham, Bahri Sami Hayani, am 12. März 2018, das Ratsmitglied von Jabhat al-Shamiya und Regionalverantwortlicher von Ahrar al-Sham, Mohammed Abu-Abdul, sowie der FSA-Major, Raid Muaz, der Lt. Col. Nasr Hamadin und am 14. März 2018 der Kommandant von Jabhar al-Shamiya, Ahmed Abu-Shafi, getötet worden.

Menschen aus Zentralasien und dem Kaukasus werden an der Grenze angesiedelt

Die Mehrheit der Mitglieder der an der Grenze stationierten Gruppen kommt aus Usbekistan, Turkmenistan, Turkistan, Tadschikistan oder stammt wie die Uiguren aus Zentralasien oder dem Kaukasus. Sie wurden aus diesen Regionen nach Syrien gebracht und werden an der Grenze angesiedelt. Diese Gruppen befinden sich im Moment in Idlib, Jabal Akrad, Jabal Turkman, am Grenzübergang Bab al-Hawa, in Entarib und in den Landkreisen Cindirês, Raco, Bilbilê und Şera in Efrîn, wie auch am Bab al-Salama-Grenzübergang in Azaz. Nun setzt der türkische Staat diese Gruppen auch östlich des Euphrat ein und hat bereits damit begonnen, sie in dem fünf Kilometer bereiten Streifen an der Grenze sowie in Girê Spî und Serêkaniyê anzusiedeln. Die Grenzposten von Girê Spî und Serêkaniyê wurden bereits diesen Milizen übergeben.

Die Zusammensetzung der SNA

Das AKP-Regime hat in der „Syrischen Nationalarmee” folgende Terrorgruppen zusammengebracht:

1. Ahrar al-Sharqiya: Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine IS-Abspaltung, die Deir ez-Zor verlassen hat und nach Idlib gegangen war. Sie trat durch ihre Brutalität, Plünderung, Diebstahl und Vergewaltigungen ins Rampenlicht. So ist diese Gruppe für Verbrechen wie die Folterung und Ermordung der Generalsekretärin der Zukunftspartei, Havrin Khalaf, verantwortlich.

2. Jaish al-Mukha: Vorher Jaysh al-Tahrir, reorganisierte sich 2017 als Jaysh al-Mukha. Diese Gruppe unter der Leitung von Mihemed Ahmed al-Sayad operierte in Aleppo, Latakia, Hama und Idlib. Zusammen mit al-Nusra und kurdischen Kollaborateuren aus ENKS-nahen Milizen ermordete sie in Til Aran und Til Hasil Dutzende kurdische Zivilist*innen als „Apoisten“. Sie nahm an der Besatzung von Efrîn teil.

3. Suqhur al-Sham: Diese Gruppe wurde 2011 von Ahmed Abu Isa gegründet und arbeitete lange Zeit mit al-Nusra zusammen, später schloss sie sich Ahrar al-Sham an. Sie ist bekannt für ihre dschihadistischen Ideologie und besteht zu einem großen Teil aus ausländischen Dschihadisten. Auch sie sind Teil der Besatzungstruppen von Efrîn.

4. Failaq al-Sham: Die Miliz schloss sich 2014 aus 19 Gruppen zusammen. Die Gruppe unter der Leitung von Fadil Elah al-Haci nahm an den Angriffen auf Şehba und Şêx Meqsûd teil. Diese Gruppe, die sich auch in Efrîn befindet, hat gute Beziehungen zum türkischen Staat und ist eine der bedeutendsten Strukturen innerhalb der SNA.

5. Ahrar al-Sham: Diese Gruppe ist eine der größten der SNA. Sie wurde 2011 von Hasan Aboud gegründet. Die Gruppe, selbst Al-Qaida-Ableger, ist vielerorts in Westsyrien aktiv und hat eine wechselhafte Beziehung zu al-Nusra. Sie ist im Moment in Idlib mit al-Nusra/HTS zusammen. Auch sie ist Teil der Besatzungstruppen in Efrîn.

6. Hamza-Division: Diese Gruppe, die bisher hauptsächlich in den ländlichen Gebieten von Dera, Aleppo und Damaskus tätig war, begann, als sich die Beziehungen zum türkischen Staat entwickelten, in al-Bab aktiv zu werden. Unter der Leitung des ehemaligen IS-Mitglieds Seyf Abu-Bakr unterhält sie gute Beziehungen zur Republik Türkei und nimmt an der Besatzung von Efrîn teil.

7. Liwa al-Fatih: Diese Gruppe, die zuvor mit verschiedenen Gruppen zusammengearbeitet hatte, gab 2017 bekannt, Jabhat al-Shamiya beigetreten zu sein.

8. Jaish al-Ahfad: Sie ist eine der ersten Gruppen, die der Nationalen Armee beitrat. Zusammen mit Liwa Samarkand war sie zunächst Teil von Furqat al-Hamza. Diese Gruppe unter der Leitung von Sheik Husen Geud nahm ebenfalls an der Besatzung von Efrîn teil.

9. 23. Division: Sie war früher in Aleppo und Idlib tätig. An ihrer Spitze steht Sertip Hassan Radjub. Die 23. Division nahm an der „Schutzschild Euphrat“-Operation und an der Besatzung von Efrîn teil.

10. 9. Division: Diese Gruppe, die 2014 als Spezialeinheit organisiert wurde, war Teil der vom Pentagon unterstützten Hazim-Bewegung. Als diese Struktur der Muslimbrüder einige Aktionen gegen al-Nusra durchführte, wurde sie von dieser liquidiert. Anschließend wurde sie vom türkischen Staat reorganisiert. Sie schloss sich der Besatzung von Efrîn vom Süden aus an.

11. Fevc al-Mustafa: Ali Necar Abu-Mejdo ist der Chef dieser Gruppe mit Sitz in Marê. Sie ist für ihre Nähe zum türkischen Staat bekannt. Sie hat immer wieder antikurdische und Erklärungen gegen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) abgegeben und ist insbesondere im besetzten Kreis Bilbilê in Efrîn aktiv.

12. Liwa al-Awwal Magavir: Im Jahr 2013 zog sich diese Gruppe, die in den ländlichen Gebieten von Homs und Damaskus aktiv war, nach einer Vereinbarung mit dem Regime nach Idlib zurück und nahm an der Besatzung von Efrîn teil.

13. Firqa Mutassim: Diese Gruppe mit Sitz in Marê erhielt Waffen und Training durch die USA und wird von Khalil Hassan geführt. Sie nehmen an der Besetzung von Efrîn teil.

14. Jabhat al-Shamiya: Diese Gruppe wurde 2014 gegründet und ist Teil der Besatzung von Efrîn.

15. 5. Regiment: Es ist auch bekannt als Fevc al-Khames und wird von Mistefa Kepso geführt. Diese Gruppe ist im Norden von Hama und Idlib aktiv und nimmt an der Besatzung von Efrîn teil.

16. Liwa asl Shimal: Die Gruppe ist eine Gründung durch Faylaq al-Sham. Faylaq al-Sham brachte mehrere Dschihadistenfraktionen zusammen. Die Gruppe ist in der Umgebung von Minbic, in Dscharablus und Şehba aktiv und ist Teil der Besatzungstruppen in Efrîn.

17. Rical el-Harb: Eine Gruppe, die rund um Aleppo und Idlib operiert.

18. Liwa Sultan Osman: Wurde 2017 von Rageb Osman, genannt Abu Omar, gegründet und ist in Bilbilê im besetzten Efrîn aktiv.

19. Jaish al-Islam: Wurde 2011 in Ost-Ghouta gegründet und war eine der größten Milizen. Der Kommandant dieser Struktur war der Salafist Zahran Alloush. Diese von Saudi-Arabien unterstützte Gruppe verwendete bei den Angriffen auf Şêx Meqsûd Chlorgas. Nachdem Zahran Alloush getötet worden war, übernahm sein Bruder Mohammed Alloush seinen Platz. Diese Gruppe nahm an den Treffen in Riad und Astana teil, und nachdem sie Ghouta verlassen hatte, errichtete sie ihre Stützpunkte zusammen mit Faylaq al-Rahman in al-Bab und Efrîn.

20. Festakin Kema Umirte: Wurde 2012 unter Beteiligung von sieben Gruppen in Istanbul gegründet. Die Gruppe ist gut vernetzt und wird von der Türkei, Katar und Saudi-Arabien unterstützt.

21. Jaish al-Sharqiyya: Eine der kleinen Gruppen. Ihre Mitglieder kommen aus den östlichen Regionen Syriens.

22. Suwar al-Jazeera: Shah Ahmad und Abu Zeyneb al-Hashimi sind die Anführer dieser Gruppe. Sie ist gegründet worden, um gegen die Kurd*innen in der Region Cizîrê zu kämpfen. Diese in Dscharablus ansässige Gruppe nahm an den Angriffen auf Minbic und an der Besatzung von Efrîn teil.

23. 51. Brigade: Wurde 2015 unter der Leitung von Haytham Dschamal Ifesi gegründet. Als sich die Gruppe der SNA anschloss, wurde Mohammed Deri Gruppenleiter. Die Gruppe nahm an den Treffen in Genf und an der Besatzung von Efrîn teil.

24. Firqa Shimal: Diese Gruppe wurde unter dem Namen Liwa Fursan al-Haq 2012 in der Stadt Kefer Nubul in Idlib gegründet. Die von der CIA unterstützte Gruppe wurde von Faris al-Beyoush geführt. 2017 übernahm Abid Karim Yahya seinen Platz. Er wurde in Şêx Meqsûd getötet.

25. Sultan-Murad-Brigade: Die Gründung dieser Gruppe geht auf das Jahr 1998 nach dem Adana-Abkommen zurück. Die Beziehungen des Anführers Yusuf al-Seleh zum MIT gehen auf diese Zeit zurück. Fehim Isa war für die Region verantwortlich und der Serbe Ahmed Osman für das militärische Vorgehen. Es ist die Gruppe, in die der türkische Staat am meisten investiert. Die Kontrolle der Grenzen und der Grenzübergänge bleibt dieser Gruppe überlassen.

26. Sultan Suleiman Shah: Diese Gruppe, die sich aus Turkmenen aus der Region Bab rekrutiert, versuchte kurdische Verbände in der Region Qibesin aufzubauen. Dieses Vorhaben gelang ihr jedoch nicht. Diese Gruppe unter der Leitung von Abu Amsa nahm an der Besatzung von Efrîn teil.

27. Fatih-Sultan-Mehmet-Brigade: Diese Gruppe wurde 2012 vom türkischen Staat in der Stadt Khendura bei Dscharablus gegründet und blieb lange Zeit in Aleppo. Sie schloss sich 2015 der Sultan-Murad-Brigade an und verließ diese wieder im Jahr 2016. Sie ist in Dscharablus, al-Rai und Azaz aktiv und stellt einen Teil der Besatzungstruppen in Efrîn.

28. Muntassir-Billah-Brigade: Diese Gruppe, die zuerst in Aleppo aktiv war, ist hauptsächlich in al-Bab, al-Raî und Dscharablus tätig. Sie wird von Firaz Basha geleitet und ist direkt dem türkischen Geheimdienst unterstellt. Sie nimmt an der Besatzung von Efrîn teil.

29. Samarkand-Brigade: Diese Gruppe wurde 2016 im ländlichen Aleppo gegründet und wird vom türkischen Staat unterstützt. Sie besteht aus Personen aus Zentralasien, insbesondere Usbeken. Sie wurde zum Kampf „gegen Kurden und das Regime“ gegründet und ist Teil der Besatzungsmacht in Efrîn.