Der Rat der Familien der Gefallenen in Nordostsyrien hat am 5. Oktober eine Mahnwache für die Aushändigung der Leichen der in Xelîfan bei einem PDK-Hinterhalt getöteten Guerillakämpfer:innen begonnen. Die Mahnwache am Grenzübergang Sêmalka, von Rojava ins von der PDK beherrschte Südkurdistan, ist zu einem Fokus des Protests gegen die Kollaboration der PDK mit dem türkischen Faschismus geworden. Seit einer Woche lösen sich verschiedene Gruppen rund um die Uhr im Protest ab. Die Familien der Gefallenen kündigen an, die Aktion so lange auszuweiten, bis die Körper der Gefallenen übergeben werden. Dabei geht es insbesondere um die Herausgabe der Leichen der Guerillakämpfer:innen Nesrîn Temir (Tolhildan Raman) und Yusif Îbrahîm (Serdem Cûdî), die aus Rojava stammten.
„Wenn unsere Geduld erschöpft ist, werden wir die Grenze niederreißen“
Im ANF-Gespräch berichten Teilnehmer:innen über ihre Motivation. Hogir Qamişlo von der TEV-DEM-Jugend warnt die PDK und erklärt: „Die Menschen nehmen massenhaft an der Aktion in Sêmalka teil. Hunderte Jugendliche sind dabei. Sie sagen: ‚Wir haben keine Geduld mehr, es reicht.‘ Wenn sie uns unsere Gefallenen nicht geben, ist unsere Geduld am Ende. Als Jugend sagen wir, wenn sie uns nicht schnellstens unsere Gefallenen aushändigen, werden wir die Grenze niederreißen. Das muss die PDK genau wissen. Jede Mutter und alle Jugendlichen sind wütend über den Verrat der PDK. Dieser Verrat durch Mesûd und Neçîrvan Barzanî ist nicht hinnehmbar. Sie versuchen, ihren historischen Verrat erneut zu wiederholen. Als Jugend stellen wir uns gegen diese Politik. Die Guerilla hat überhaupt erst die Grundlage dafür geschaffen, dass diese Familie Barzanî, die jetzt meint, für die Kurden zu sprechen, überhaupt noch da ist. Es war die PKK, die Guerilla in den Bergen, die dem Hilfeschrei aus Şengal, Rojava und Kobanê gefolgt ist. Die PKK steht für Kurdistan, das kurdische Volk und die ganze Welt bereit.“
Mutter von Hevrîn Xelef nimmt an der Aktion teil
Suad Mistefa, die Mutter der vor zwei Jahren von Söldnern des türkischen Staates ermordeten Generalsekretärin der Syrischen Zukunftspartei, Hevrîn Xelef, nimmt ebenfalls an der Aktion gegen den Verrat der PDK teil. „Die Aktion, die wir am Grenzübergang Sêmalka begonnen haben, dauert an", erklärt sie. „Wir werden unsere Aktion fortsetzen, bis wir unsere Gefallenen von unseren sogenannten ‚Brüdern‘ erhalten. Wenn unsere Gefallenen in den Händen anderer wären, würden wir sagen, sie sind beim Feind, bei den Verrätern. Leider sind ihre Leichen aber in den Händen unserer kurdischen Brüder. Wir erwarten, dass sie uns unsere Gefallenen übergeben.“
Die Aktion geht auch in der Nacht weiter
In der Nacht sitzen die Aktivist:innen um ein Feuer am Grenzübergang. Manchmal singen sie Klagelieder, manchmal Widerstandslieder. Immer wieder rufen sie über den Grenzfluss Xabûr: „Tod dem Verrat, es lebe der Widerstand der Guerilla.“
Einer der Sänger an der Grenze sagt über die PDK: „Wir haben gehofft, dass es keinen Krieg zwischen uns geben würde. Aber leider ist genau das geschehen. Sie sollen uns unsere Gefallenen geben, damit sich unsere Beziehungen nicht weiter verschlechtern. Dieser Krieg gegen die Geschwisterlichkeit ist sehr schlimm. Er verletzt alle Kurd:innen und alle Völker der Region. Wir rufen es ihnen laut zu, aber die Familie Barzanî und die PDK hören nicht zu. Lasst uns mit dem ‚Bruderkrieg‘ aufhören und uns gegen den Feind vereinen. Es reicht. Es ist die Zeit, sich zu vereinen und gemeinsam gegen den Feind vorzugehen.“
PDK hindert Friedensmütter am Grenzübergang
26 Friedensmütter aus der Cizîrê-Region hatten am Montag versucht, den Grenzübergang Sêmalka zu überqueren, um die Leichen der Gefallenen zurückzufordern. Die PDK verweigerte ihnen die Einreise. Daraufhin begannen sie einen Sitzstreik.
Türkischer Geheimdienst und PDK ergreifen Maßnahmen
Wie ANF-Quellen aus Sicherheitskreisen berichten, betrachtet die PDK die Aktion als Bedrohung und hat vom türkischen Geheimdienst Unterstützung angefordert. An der Grenze wurden daraufhin Spezialeinheiten des MIT stationiert. Auf der südkurdischen Seite des Grenzübergangs Sêmalka – dort heißt er Pêşxabûr – sind ohnehin Einheiten des MIT stationiert. So wurde bereits zuvor bekannt, dass der MIT Reisende aus Rojava oder nach Rojava verhört und Formulare mit Geheimdienstfragen ausfüllen lässt.