Im Auffang- und Internierungslager Hol in der Nähe von Hesekê ist eine Sicherheitsoperation gestartet worden. Das gab die Kommandantur der Kräfte der inneren Sicherheit in Nord- und Ostsyrien im Beisein von YPG-Sprecher Nûrî Mehmûd und QSD-Sprecher Aram Hanna sowie weiterer Kommandant:innen am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz bekannt. Bei der Maßnahme handelt es sich um die zweite Phase der im März 2021 eingeleiteten Humanitären Sicherheitsoperation gegen die organisierten Strukturen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in dem Lager.
Pressekonferenz der Sicherheitskräfte von Nordostsyrien
Elî El Hesen und Vejîn Êlan, Mitglieder des Generalkommandos der Sicherheitskräfte, erklärten auf der Pressekonferenz, dass sich Camp Hol zu einem Zentrum für Angehörige und Zellen des IS entwickelt hat. In diesem Jahr seien bereits 43 Terroranschläge in dem Lager verübt und 44 Menschen, darunter 14 Frauen und Kinder, getötet worden.
„Camp Hol ist zu einer Brutstätte des IS geworden“
In der Erklärung der Kommandantur der inneren Sicherheitskräfte wurden folgende Sachverhalte ausgeführt:
„Die große Gefahr, die von Camp Hol ausgeht, ist der lokalen und internationalen Öffentlichkeit bekannt. Camp Hol hat sich zu einem Zentrum für IS-Familien und -Zellen entwickelt. Das schafft ein günstiges Umfeld für die Terrororganisation, um Mitglieder zu rekrutieren und ihre Zellen ungehindert in Syrien, im Irak und weltweit zu verbreiten. Die Gefahr, die von diesen Zellen ausgeht, wird größer, und die von den Zellen dieser Organisation verübten Terroranschläge haben in letzter Zeit zugenommen. Sie gehen mit brutalen Methoden gegen die Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers, freiwillige Mitarbeiter:innen humanitärer Organisationen und Angehörige der inneren Sicherheitskräfte vor. Außerdem wurden Fluchtversuche aus dem Lager und Pläne, das Camp von außen anzugreifen, von unseren Sicherheitskräften und Militärverbänden vereitelt. Der Angriff der IS-Banden auf das Sina-Gefängnis in Hesekê, um die Kontrolle über Camp Hol zu erlangen, war einer ihrer jüngsten Pläne.
44 Menschen bei 43 Terroranschlägen getötet
Neben dem Angriff auf das Sina-Gefängnis haben terroristische Zellen wiederholt versucht, Anschläge innerhalb des Lagers und durch Gänge von außerhalb zu verüben. Sie gruben auch Tunnel durch die Sicherheitsmauern in dem Korridor, der die östlichen Teile Syriens mit der irakischen Grenze, dem syrischen Hinterland und der türkischen Grenze verbindet.
Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und die Sicherheitskräfte nahmen viele von ihnen gefangen und vereitelten ihre gefährlichen Pläne. Dieser Plan wird in der letzten Zeit auf einem gefährlichen Niveau fortgesetzt.
In diesem Jahr verübten terroristische Zellen 43 Anschläge, bei denen 44 Lagerbewohner:innen, darunter 14 Frauen und Kinder, getötet wurden. Diese Angriffe wurden mit schallgedämpften Waffen, Gewehren und Schneidwerkzeugen ausgeführt. Zuvor wurden die Opfer gefoltert und ihre Leichen in die Kanalisation geworfen, um die Verbrechen zu vertuschen. Außerdem gab es 13 Entführungen und es wurden Zelte angezündet, während die Lagerbewohner:innen schliefen. Die medizinische Einrichtung und Hilfsgüter wurden unbrauchbar gemacht. Es sollte Unruhe im Camp entstehen, um den Schutzwall um das Lager zu durchbrechen.
IS-Zellen werden vom türkischen Staat finanziert
Es ist eindeutig, dass die terroristischen Vorfälle im Camp im Einklang mit den eskalierenden türkischen Drohungen gegen Nord- und Ostsyrien zugenommen haben. Den Daten über terroristische Praktiken zufolge nahmen diese Vorfälle in den Monaten zu, in denen der türkische Staat seine Angriffe und Drohungen verstärkte. Viele führende IS-Mitglieder wurden in den vom türkischen Staat besetzten Gebieten aufgespürt. Diese IS-Anführer organisieren die Terroranschläge in Camp Hol und Umgebung.
Dokumente und Geständnisse verhafteter Terroristen zeigen deutlich, dass die Türkei ihre gesamte nachrichtendienstliche, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Macht für die IS-Zellen im Lager und außerhalb einsetzt. Indem sie die Terrornetzwerke in den besetzten Gebieten aufrechterhält, will sie außerdem Angst in den Lagern schüren und die Stabilität und Sicherheit in der Region zerstören.
Unsere Kräfte haben viele Opfer gebracht, um die Gefahr, die von terroristischen Zellen und Organisationen im Lager ausgeht, abzuwenden. Viele unserer Mitglieder sind gefallen, um die Bewohner:innen des Lagers zu schützen. Unsere Kräfte erfüllen ihre Aufgabe sorgfältig und unter Berücksichtigung internationaler Menschenrechtsstandards. Trotz des Ausnahmezustands, in dem wir uns befinden, bekämpfen wir die terroristischen Zellen weiter. Diese nutzen die humanitäre Lage in dem Lager aus, um sich unter den Frauen und Kindern und in Tunneln zu verstecken. Mehrfach sind Terroristen in der Menschenmenge aufgespürt worden.
Die internationale Gemeinschaft ist verantwortlich
Das Fehlen einer internationalen Planung für die Lösung dieses Problems, das Versäumnis der betroffenen Staaten, ihre Bürgerinnen und Bürger aus den Lagern abzuziehen, und das Fehlen einer starken Unterstützung für unsere Kräfte und die Institutionen der Autonomieverwaltung haben zu einer wachsenden Besorgnis im Camp geführt.
Gleichzeitig wird der Versuch, den Terrorismus zu beenden, gefährdet. In diesem Zusammenhang sehen wir die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung für die aktuelle Situation, die eine ernste Dimension erreicht hat. Die internationale Gemeinschaft verschließt die Augen vor den wirtschaftlichen und sonstigen Verbindungen zwischen den terroristischen Zellen und den Banden in den vom türkischen Staat besetzten Gebieten.
Vor diesem Hintergrund kündigen wir, die inneren Sicherheitskräfte Nord- und Ostsyriens, mit Unterstützung der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der Internationalen Koalition gegen den IS, den Beginn der zweiten Phase der humanitären Sicherheitsoperation an, um IS-Zellen im Lager Hol zu identifizieren, ihre Quellen auszutrocknen und das Camp von ihrem Terror zu befreien.
Die Operation muss unterstützt werden
Diese Operation hat sich aufgrund der Angriffe und Drohungen des türkischen Staates lange Zeit verzögert. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die Region und die ganze Welt vor vielen Problemen stehen. In diesem Zusammenhang rufen wir alle Staaten und relevanten Organisationen auf, die Operation zu unterstützen. Wir bekräftigen noch einmal, dass wir bei der Operation die Menschenrechte und Gesetze einhalten werden."
Camp Hol
Camp Hol liegt etwa 40 Kilometer östlich der Kantonshauptstadt Hesekê im irakisch-syrischen Grenzgebiet und ist so groß wie eine Stadt. Es wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im März 2019 gilt Camp Hol als tickende Zeitbombe und Brutstätte des IS, da es hauptsächlich zur Unterbringung von Frauen und Kindern benutzt wird, die zuvor in Gebieten unter Kontrolle des IS lebten.
Der Terror in Camp Hol geht hauptsächlich von der sogenannten IS-Religionspolizei für Frauen und der IS-Jugendorganisation „Junglöwen des Kalifats“ aus und richtet sich gegen Menschen, die nicht nach den Maßstäben des IS leben. Bei den meisten Personen, die Mordversuche überlebten, handelt es sich um irakische Schutzsuchende und Abtrünnige des IS.
War Hol zu Beginn für 10.000 Personen ausgelegt, halten sich heute etwa 55.000 Menschen aus verschiedenen Ländern dort auf. Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Geflüchtete aus dem Irak, die meisten von ihnen sind Kinder. Knapp 19.000 Menschen sind Vertriebene aus Syrien, außerdem sind rund 8.000 Angehörige von IS-Dschihadisten untergebracht.