Rojava verabschiedet seine Toten

Während die Türkei die Angriffe auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien fortsetzt, werden die Todesopfer der ersten Angriffsnacht beerdigt.

Türkei bombardiert Nord- und Ostsyrien

Während die Türkei die Angriffe auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien fortsetzt, werden die Todesopfer der ersten Angriffsnacht beerdigt. In Şehba sind heute vier Zivilist:innen und ein Kämpfer der Befreiungskräfte Efrîns (HRE) verabschiedet worden. Die fünfjährige Melek Şiyar sowie Cemîle Weqas Xelîl (37), Îbrahîm Şêxo (55) und Mihemed Weqfî (47) wurden in der Nacht auf Donnerstag bei einem Drohnenangriff bei Tel Rifat getötet. Der HRE-Kämpfer Îskender Efrîn (Rohilat Murad) ist im Widerstand gegen die Besatzung von Efrîn gefallen.


Die Särge mit den Leichen wurden aus dem Avrîn-Krankenhaus auf den Gefallenenfriedhof Zozan Amanos gebracht. An der Beerdigung nahmen Tausende Menschen teil. Hacer Miho, Mitglied im Rat der Gefallenenfamilien im Kanton Efrîn-Şehba, sagte bei der Trauerfeier, der türkische Staat greife Nord- und Ostsyrien an, weil sein Regime ins Wanken gerate. „Wir fürchten uns nicht vor den türkischen Waffen und Bomben. In Şehba werden wir unseren Widerstand verstärken. Mit dem Widerstand der Menschen aus Efrîn und ganz Rojava wird das türkische Staatssystem zusammenbrechen.“

Angriffe gehen weiter

Die Türkei greift Nord- und Ostsyrien seit dem späten Mittwochabend an. Bereits in der ersten Nacht kam es zu mehr als vierzig Luftangriffen mit zwölf Todesopfern und 25 Verletzten, darunter auch Kinder. Die Angriffe reißen seitdem nicht ab, auch heute wurde von Bombardierungen durch Drohnen und Artilleriegeschützen sowie Verletzten berichtet. Der türkische Staat rechtfertigt die Angriffe mit dem Anschlag auf den staatlichen Rüstungskonzern TUSAŞ in Ankara, zu dem sich die Volksverteidigungskräfte (HPG) heute bekannt haben.

Sechs Tote in Şengal

Neben Zielen in Nord- und Ostsyrien bombardiert die türkische Armee auch die Kurdistan-Region des Irak (KRI) und die ezidische Şengal-Region. Dort kamen sechs Kämpfer der Widerstandseinheiten YBŞ ums Leben, eine Zivilistin wurde bei einem Drohnenangriff auf ihr Wohnhaus verletzt.

Die Türkei und das Völkerrecht

Die Türkei führt seit Jahren einen Zermürbungskrieg gegen die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien. Die Infrastruktur der Autonomieregion war zuletzt 2023 gezielt von der türkischen Armee zerstört worden. Auch damals begründete die Türkei die Angriffswelle mit einem PKK-Anschlag. Am 1. Oktober 2023 waren vor dem türkischen Innenministerium in Ankara zwei Polizisten verletzt worden, als zwei Guerillakämpfer eine Fedai-Aktion durchführten. Ohne Beweise behauptete die Regierung, die Kämpfer seien in Nordsyrien ausgebildet und in die Türkei geschickt worden.

Kein Recht auf Rache oder Vergeltung im Völkerrecht

Weitere flächendeckende Bombardierungen der Zivilbevölkerung und Infrastruktur erfolgten im Dezember 2023 und im Januar 2024. Ankara rechtfertigte die Angriffe im Januar mit „Vergeltung“ für den Tod türkischer Soldaten bei einer Aktion der PKK-Guerilla im Nordirak und verwies zugleich auf das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Die Zerstörung ziviler Ziele ist jedoch nicht durch das Selbstverteidigungsrecht eines Staates gedeckt und stellt ein Kriegsverbrechen dar.