PYD-Vorsitzende Hiso: Unsere Haltung ist eindeutig

Die PYD-Vorsitzende Ayşe Hiso verweist auf die Absichten der Türkei, in Zusammenarbeit mit dschihadistischen Gruppierungen das Osmanische Reich wiederzubeleben. „Dagegen werden wir uns verteidigen“, erklärt die kurdische Politikerin.

Die PYD-Vorsitzende Ayşe Hiso befindet sich mit einer Abordnung aus Rojava zu Gesprächen in Europa. In Stockholm hat sie sich gegenüber ANF zu den Angriffsdrohungen der Türkei auf Nordsyrien und die türkischen Ambitionen einer Wiederbelebung des Osmanischen Reiches mit Hilfe dschihadistischer Gruppen geäußert:

„Es ist allgemein bekannt, dass der größte Unterstützer des IS der türkische Staat gewesen ist. Vor allem während des Kampfes um Kobanê war diese Unterstützung sehr offensichtlich. Das eigentliche Angriffsziel des türkischen Staates ist das Projekt der demokratischen Autonomie in Rojava. Aus diesem Grund ist Efrîn angegriffen worden. Unser Projekt ist nicht auf Westkurdistan beschränkt. Wir kämpfen für ein demokratisches Syrien. Wenn uns das in Syrien gelingt, läuft Erdoğans Projekt ins Leere. Sein Traum ist eine Neuauflage der Grenzen des Misak-i Milli [Territorium des zerfallenen Osmanischen Reichs]. Der IS ist in Syrien besiegt. Die Politik, die die Türkei verfolgt, ist für uns nichts Neues. Wir wissen, dass es ihr Ziel ist, unser Projekt zu bekämpfen. Unsere Haltung dazu ist eindeutig. Wir werden unser Projekt verteidigen. Die Türkei hat mit Efrîn, Idlib, Dscharablus, al-Bab und Azaz syrisches Territorium besetzt. Die Präsenz und das Vorgehen der Türkei in Syrien entbehren jeglicher Legitimität.

Erdoğans Angriffsziel sind die vom IS befreiten Gebiete

Die Kommunalwahlen in der Türkei waren für Erdoğan und die AKP ein harter Schlag. Ihre Träume sind ins Wasser gefallen, es herrscht Krisenstimmung. Die Türkei ist NATO-Mitglied und verfügt über die zweitgrößte Armee der NATO. Gegenüber Russland macht sie Zugeständnisse. Die Beziehungen zu Russland gibt es nur, um uns bekämpfen zu können. Trotz Verbot hat die Türkei ein Abkommen mit Russland zum Kauf der S-400-Raketen geschlossen. Dieser Deal ist wegen Rojava gemacht worden. Erdoğan hat das vor wenigen Tagen in Russland ganz deutlich gesagt: ‚Unsere Grenzsicherheit ist in Gefahr.‘ Er behauptet, dass er das Recht hat, syrisches Territorium zu besetzen, weil dort Terror herrscht. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass die Orte, die Erdoğan jetzt angreifen will, vorher vom IS besetzt waren. Er will die Gebiete angreifen, in denen der IS besiegt worden ist.

Die Türkei hat innen- und außenpolitisch verloren

Die Türkei hat große wirtschaftliche und politische Probleme im Inland. Auch auf internationaler Arena ist die türkische Politik in eine Krise geraten. Aus diesem Grund versucht Erdoğan mit seinen Drohungen gegen unser Projekt der Öffentlichkeit zu zeigen, dass er weiter auf den Beinen ist. Die Politik der Türkei ist ein einziger Sumpf, seit sie sich in Syrien einmischt. Ihr einziges Ziel ist die Zerstörung der demokratischen Strukturen in Syrien. Jeder weiß, dass al-Nusra in den von der Türkei besetzten Gebieten ist. Diese Dschihadisten stellen eine Gefahr für die gesamte Welt dar. Früher sind die IS-Anhänger über die Türkei nach Syrien gekommen. Wie sollen sie jetzt wieder herauskommen? Über die Türkei? Gegen Ende der Offensive auf die letzte IS-Enklave al-Bagouz ist ein Video der Dschihadisten in Efrîn und Idlib veröffentlicht worden. ‚Unsere Brüder werden von den Ungläubigen in al-Bagouz getötet, wir müssen sie unterstützen‘, hieß es darin. Das zeigt, dass die Milizen in den von der Türkei besetzten Gebieten mit dem IS zusammenarbeiten. Erdoğan hat aufgrund seiner politischen Niederlagen und insbesondere nach den letzten Wahlen keine Karten mehr in der Hand, die er ausspielen könnte. Deshalb droht er und sucht nach Möglichkeiten für einen Angriff. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben den türkischen Staat aufgefordert, die von ihm besetzten Gebiete zu verlassen. Sie haben erklärt, zu Gesprächen mit der Freien Syrischen Armee (FSA) bereit zu sein, wenn sich die Türkei aus Efrîn zurückzieht. Die Türkei hat innen- und außenpolitisch verloren. Tausende HDP-Mitglieder sind im Gefängnis. In den internationalen Medien wird negativ über die Türkei berichtet. Die Bevölkerung wird unterdrückt. Dass die AKP die wichtigsten Großstädte bei den Wahlen verloren hat, ist ein klares Zeichen.

Wohin mit Erdoğans Dschihadisten?

Auch die Situation mit der Opposition in Syrien ist im Moment unklar. Russland übt wegen einer Lösung der Idlib-Frage Druck auf die Türkei aus. Wie soll Erdoğan seine Präsenz in Idlib fortsetzen? Er weiß nicht wohin mit seinen Milizen. Wird es zu einer Situation wie in Ghouta kommen? Erdoğan versucht seine Stärke mit Drohungen zu beweisen. Wir sind entschlossen, unsere Linie und unser Projekt zu verteidigen. Das Ziel der Türkei in Syrien ist ein Genozid an den Kurden. Das ist in Efrîn deutlich sichtbar geworden. Dort ist die demografische Struktur gezielt verändert worden. Die Kurden werden vertrieben, an ihrer Stelle werden protürkische Araber angesiedelt. In den besetzten Gebieten findet eine Politik der Türkisierung statt, an den Schulen wird auf Türkisch unterrichtet. In unserem Projekt in Efrîn waren alle Völker und Glaubensrichtungen vertreten. Wir arbeiten am Aufbau eines demokratischen Syrien. Der Weltöffentlichkeit sollte bewusst sein, welche Opfer die QSD gebracht haben. Der IS war nicht nur für Rojava und Syrien eine Bedrohung, sondern für die ganze Welt. Deshalb schuldet die Welt den QSD etwas.

Die internationale Staatengemeinschaft hat zur Besatzung von Efrîn geschwiegen und über die Verbrechen des türkischen Staates hinweggesehen. Ohne internationale Unterstützung hätte Erdoğan nicht in Efrîn einmarschieren können. Die jetzige Situation ist in Rojava anders. Das Projekt der Türkei in Efrîn ist vollkommen gescheitert. Das ist der in Şehba weiter Widerstand leistenden Bevölkerung zu verdanken. Die Menschen akzeptieren die Besatzung nicht, vor allem die Frauen aus Efrîn sind da sehr eindeutig. Es findet auch ein bewaffneter Kampf gegen die Besatzung statt.

Assad will den Zustand vor 2011 wiederherstellen

In der Syrien-Frage bewegt sich nichts mehr. Wir denken daher, dass ein Dialog zwischen dem syrischen Regime und der gesamten Opposition beginnen muss. Eine Lösung kann nicht von außen kommen, sondern muss im Inland entstehen. Aus diesem Prozess müssen die ausgeschlossen werden, die sich am Volk schuldig gemacht haben. Wir müssen eine Lösung erarbeiten. Die Gespräche in Genf und Astana haben die Probleme nicht gelöst. Die Lage in Syrien muss endlich geklärt werden. Es muss ein Dialog zwischen allen Kräften Syriens stattfinden, die keine Verbrechen am Volk begangen haben.

Die Haltung des Assad-Regimes gegenüber den Kurden und anderen Minderheiten hat sich jedoch nicht geändert. Es will den Zustand vor 2011 zurück und tut so, als ob nichts vorgefallen wäre. Das ist für uns nicht möglich. Das Regime muss seine Ansichten ändern. Es muss die Veränderungen in Rojava und Syrien objektiv sehen. Im Moment ist unsere Politik die erfolgreichste in Syrien.

Selbstverteidigung ist legitim

Sollte die Türkei Rojava angreifen, werden wir bis zum Äußersten Widerstand leisten. Der türkische Staat kann uns nicht alle einem Genozid unterziehen. Selbstverteidigung ist für uns ein grundlegendes Prinzip. Wir stellen keine Gefahr für die Türkei dar, im Gegenteil, der türkische Staat ist eine Gefahr für die Kurden. Deshalb ist unsere Selbstverteidigung gegen Angriffe legitim. Wir werden unseren Kampf für ein demokratisches Syrien fortsetzen. Das müssen wir tun, um den QSD gerecht zu werden.“