Nuri Mehmud: Staatengemeinschaft muss Verantwortung übernehmen

Seit Sonntag führen die Sicherheitskräfte von Nord- und Ostsyrien eine Operation gegen den IS im Camp Hol durch. YPG-Sprecher Nuri Mehmud erläutert im ANF-Interview die Hintergründe und die Forderungen an die internationale Staatengemeinschaft.

Die Sicherheitskräfte von Nord- und Ostsyrien haben am 28. März eine Operation gegen den IS im Camp Hol östlich von Hesekê gestartet. Die Operation wird von den QSD, den YPG und den YPJ unterstützt. YPG-Sprecher Nuri Mehmud hat sich im ANF-Interview zum Inhalt und Umfang der Operation sowie zu den erwarteten Ergebnissen geäußert.

Am 23. März 2019 ist die Territorialherrschaft des IS zerschlagen worden, zwei Jahre später findet eine weitere Operation statt, diesmal im Camp Hol. Worum geht es dabei?

Das Camp Hol gibt es bekanntlich schon sehr lange. Dort leben die meisten der IS-Familien aus al-Bagouz und Hajin. Die Mentalität des IS existiert hier weiter. Es gibt klandestine IS-Zellen im Camp. Ein großer Teil der Menschen in dem Lager sind Kinder, die vom IS beeinflusst werden. Wenn nicht eingegriffen wird, besteht die Gefahr, dass hier eine neue Generation von Terroristen heranwächst. Die Operation richtet sich gegen die terroristischen Aktivitäten im Camp. IS-Mitglieder errichten eigene Gerichtshöfe, die höchst gefährlich für die Bevölkerung im Lager ist. Es droht die Gefahr, dass sich der Terror von hier aus nach außen ausbreitet. Seit Jahresbeginn sind 47 Menschen ermordet worden. Die Operation richtet sich gegen dieses Gefährdungspotential. Gleichzeitig soll damit der Einfluss des IS auf die Menschen im Camp gebrochen werden. Im wesentlichen geht es darum, die Menschen vor der IS-Mentalität zu schützen. Das ist unser Ziel.

Welche Ergebnisse werden erwartet und inwiefern beteiligen sich die YPG daran?

Nach Informationen, die uns und den Kräften der inneren Sicherheit vorliegen, befinden sich viele gefährliche Personen im Camp. Deshalb haben die Sicherheitskräfte die Operation gestartet, die von den QSD, YPG und YPJ unterstützt wird. Die Kräfte der inneren Sicherheit führen die Operation im Camp durch. Falls eine Intervention nötig wird, werden unsere Kräfte dabei helfen. Die Aufenthaltsorte der Terroristen im Lager sind anhand der eingegangenen Informationen festgestellt worden. Wir bemühen uns, die Menschen und vor allem die Kinder von ihrem Einfluss zu befreien. Es wird versucht, die Operation innerhalb von zwei Wochen abzuschließen.

Hol ist nicht nur ein Camp für Geflüchtete, sondern gleichzeitig ein Internierungslager für IS-Angehörige. Seit längerer Zeit wird darüber geredet, dass das Camp eine große Gefahr für die Region darstellt. Es gibt jedoch keinen Lösungsansatz. Wer ist dafür verantwortlich und was muss für eine Lösung getan werden?

Camp Hol ist kein Gefängnis. Es kommen internationale Organisationen und Journalisten zu Besuch. Für das Camp muss es ein internationales Rechtssystem geben. Ein großer Teil der Bevölkerung stammt nicht aus Syrien, sondern aus dem Ausland. In völkerrechtlicher Hinsicht ist ihre Lage unklar und viele von ihnen verfolgen ein gefährliches Gedankengut. Es werden ernste Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Selbstverwaltung versorgt das Camp entsprechend der eigenen Möglichkeiten. Für die Selbstverwaltung und die Sicherheitskräfte ist das eine schwere Last.

Die Weltgemeinschaft übernimmt nicht die erforderliche Verantwortung, die Last liegt bei uns. Viele Menschen im Camp leiden unter psychischen Erkrankungen und vertreten die Meinung, dass alle, die anderer Auffassung als sie selbst sind, sterben müssen. Um diese Gefahr zu bannen, ist ein großer Kraftakt erforderlich. Das kann nicht der Selbstverwaltung, den QSD, YPG oder YPJ überlassen werden. Dafür muss die Weltgemeinschaft eine Lösung finden. Das ist bisher nicht geschehen.

Wie es heißt, wird die Operation auch von der internationalen Koalition gegen den IS unterstützt. Wird es durch die Operation zu einer Entwicklung hinsichtlich eines Gerichtshofs gegen IS-Mitglieder kommen?

Der Kampf gegen den IS dauert seit langer Zeit an. In dieser Zeit sind Terroristen festgesetzt worden, die aus Dutzenden verschiedenen Ländern kommen. Sie haben nicht nur in Nord- und Ostsyrien Verbrechen begangen, sondern auf der ganzen Welt. Die Staaten der Welt haben bisher keine Verantwortung für eine juristische Verurteilung dieser Personen übernommen. Die Last wird einfach der Leitung von Nord- und Ostsyrien überlassen. Wir nehmen die laufende Operation zum Anlass, erneut dazu aufzurufen, dass diese Personen gemäß des internationalen Rechts vor Gericht gestellt werden.