Die PKK wurde am 27. November 1978 in Nordkurdistan gegründet. Bereits in den Anfangsjahren der Bewegung hat auch Rojava eine wichtige Rolle gespielt. Wir haben Zeitzeugen aus dem heutigen Autonomiegebiet Nordostsyrien gefragt, wie sie die Befreiungsbewegung kennengelernt und was sie damals erlebt haben.
Necah Gulo aus Qamişlo berichtet: „Bevor ich die PKK kannte, wusste ich gar nichts über die Kurden. Bereits damals gab es viele kurdische Parteien, aber bei allen spielten nur Männer eine Rolle. Eines Tages kamen Freunde in das Haus von Apê Yusif Gulo und sagten, dass sie sich für die kurdische Sache und Kurdistan einsetzen. Mich interessierte das nicht besonders. Ich dachte, dass sie wie die anderen Parteien nur Männer ansprechen.
Wenn die Freunde zu uns kamen, kümmerte ich mich immer um den Haushalt, weil ich die Schwiegertochter der Familie war. Die Freunde riefen mich und wollten, dass ich mich an der Unterhaltung beteilige. Wir sprachen über kurdische Themen. Die Freunde waren damals als Talebe oder Apocu bekannt. Wir standen in jener Zeit der Barzanî-Familie nahe, aber wofür diese Leute arbeiten oder was sie wollten, wusste ich nicht.“
Necah Gulos Sohn Mazlum ist am 9. November 2021 zusammen mit seinem Großvater Yusif und seinem Cousin Mihemed Gulo im Viertel Hilêliyê in Qamişlo von einer türkischen Killerdrohne getötet worden. Mazlum wurde 1984 geboren und sein Vater gab ihm den Namen von Mazlum Doğan, einem der großen Revolutionär:innen im Gefängniswiderstand in Amed.
Ihr Mann Mustafa schloss sich nach einem Gefängnisaufenthalt der PKK an, erzählt Necah: „Eines Nachts wachte ich auf. Mustafa war bereits wach. Ich fragte ihn, warum er um diese Uhrzeit nicht schläft. Er sagte: ,Ich möchte mich den Apocu anschließen.' Ich war damals eine junge Frau, unsere Kinder waren noch klein. Als ich ihn fragte, was aus uns werden soll, sagte er: ,Du bist die Tochter meines Onkels. Bleib dort, wo du dich wohlfühlst.'
Als wir das zweite Mal redeten, hatte er der Partei bereits sein Wort gegeben und wollte gehen, um sich anzuschließen. Heval Mustafa war der erste aus unserer Familie, der sich anschloss. Er verließ das Haus und ging an die Mahsum-Korkmaz-Akademie. Nachdem er in den Befreiungskampf gezogen war, lernten wir die kurdische Geschichte kennen. Wir lernten, was die Kurdinnen und Kurden für ihr Land tun müssen. Die ersten, die sich aus Hilêliyê und ganz Qamişlo dem Kampf anschlossen, waren Heval Mustafa und Heval Salih. Sie waren Nachbarn.
Bevor Mustafa wegging, wollte er mich überzeugen, dass auch ich mich an der Arbeit beteilige. Ich sagte, dass das aufgrund des gesellschaftlichen Ehrbegriffs nicht geht. Daraufhin sprach er mit seinem Vater darüber. Ich begann dann, mit Heval Rihan und Sakine Cansiz zusammen zu arbeiten. Heval Mustafa brachte mir bei der Rückkehr von seiner Ausbildung das Buch ,Widerstand ist Leben' von Mazlum Doğan mit. Dieses Buch beeindruckte mich sehr. Ich war nicht nur in der Arbeit aktiv, sondern lernte auch Kurdisch. Wenn wir Hausbesuche machten, erlebte ich sehr schwierige Situationen. Es wurden Fragen gestellt und ich wusste nicht, was ich antworten soll. Später erinnerte ich mich an diese Zeit, wenn ich mit Frauen sprach. Die Arbeit in der Gesellschaft weitete sich aus und immer mehr Menschen kannten uns. Wir arbeiteten mit großer Moral.“
Necah lernte auch Abdullah Öcalan kennen: „Als ich Rêber Apo kennenlernte, bin ich neu geboren. Als kurdische Frauen und Mütter lernten wir unser Land kennen und uns wurde bewusst, was wir für unser Land tun müssen. Was die PKK bedeutet und wie wir frei werden können, erfuhren wir durch Rêber Apo, durch seine Gedanken und seine Philosophie. In dieser Zeit habe ich ihm mein Wort gegeben. Nachdem Heval Mustafa im Kampf gefallen war, erneuerte ich mein Versprechen und sagte, dass ich seinen Kampf fortsetzen und meine Kinder mit der Philosophie von Rêber Apo erziehen werde. In unserem Kampf geht es um alle Teile Kurdistans und alle unterdrückten Völker.
Damals wurden patriotische Familie, die Rêber Apo sehen wollten, in den Libanon gebracht. Ich machte mich mit meinen drei Kindern Rêzan, Rêber und Mazlum auf den Weg. Es war ein sehr weiter Weg, auf dem Regimekräfte waren. Bis nach Damaskus begleiteten uns die Triller und Parolen der Mütter. Über 15.000 Menschen hatten sich auf den Weg gemacht, um Rêber Apo zu sehen. Wir saßen da und plötzlich trat er zwischen den Felsen hervor. Mein Herz schlug vor Glück und Aufregung sehr schnell. Er kam und sagte, wir sollten mitkommen. Er sagte: ,Ihr seid aus großer Entfernung gekommen, um mich zu sehen. Und ich bin gekommen, um euch zu sehen, obwohl es gefährlich ist.' Er erzählte uns von der Revolution und der Arbeit der Frauen. Wir blieben sieben Tage dort. Jeder Satz von Rêber Apo gab uns Kraft.
Das nächste Mal fuhr ich 1997 nach Damaskus, um ihn zu sehen. Für mich war das lebenswichtig. Alles, was wir von ihm lernten, setzten wir in unserer Arbeit in die Praxis um. In schwierigen Zeiten sagten wir: Berxwedan jiyan e [Widerstand ist Leben].“
Necah Gulo will auch 43 Jahre nach der PKK-Gründung weiterkämpfen. Der 27. November ist für sie ein Feiertag, zu dem sie Abdullah Öcalan, der Guerilla, den kämpfenden Gefangenen, den Familien der Gefallenen und dem gesamten kurdischen Volk gratuliert. Sie sagt: „Im neuen Jahr werden wir noch mehr für die physische Freiheit von Rêber Apo kämpfen. Wir werden den Kampf in allen vier Teilen Kurdistans ausweiten und Vergeltung an den Mördern unserer Kinder üben. Die Besatzungsangriffe des türkischen Staates werden wir zurückschlagen.“