Wie Rojava die PKK kennenlernte

Bereits in den Anfangsjahren der kurdischen Befreiungsbewegung hat Rojava eine wichtige Rolle gespielt. Ehmedê Pîrê lernte die ersten PKK-Mitglieder 1979 in seinem Friseursalon in Kobanê kennen und ist auch heute noch aktiv.

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wurde am 27. November 1978 in Amed (tr. Diyarbakir) gegründet. Bereits in den Anfangsjahren der Bewegung hat Rojava eine wichtige Rolle gespielt. Wir haben Zeitzeugen aus dem heutigen Autonomiegebiet Nordostsyrien gefragt, wie sie die Befreiungsbewegung kennengelernt und was sie damals erlebt haben.

Ehmedê Pîrê stammt aus Kobanê und hat die ersten PKK-Mitglieder 1979 getroffen. Er war damals Friseur und berichtet aus dieser Zeit: „Heval Cemal [Murat Karayilan] ist mit einigen Freunden nach Kobanê gekommen und sie bekamen eine Unterkunft in unserem Viertel. Das war unsere erste Begegnung. Sie kamen zu mir, um sich rasieren zu lassen. Dabei redeten sie ohne Scheu über die Kurden und Kurdistan. Wir kamen ins Gespräch und ich empfand Sympathie für sie. 1980 bin ich in ihre Arbeit eingestiegen. Wir sammelten Hilfe und es kamen Erklärungen, die wir der Bevölkerung vorlasen. Damals haben alle ihnen geholfen. Eine Frau gab ihnen Eier, ein anderer eine Tasse Zucker oder Sirup.

Diese Arbeit setzten wir bis 1986 oder 1987 fort. In dieser Zeit sagte ich den Freunden, dass ich Kurier werden möchte. Wir brachten dann die Freunde für ihre Arbeit und den Kampf über die Grenze nach Bakur [Nordkurdistan]. Als 1993 Mustafa Karasu, Riza Altun und Jiyan, die Schwester von M. Hayri Durmuş, kamen, gehörte ich zu der Gruppe, die sie in Empfang nahm. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] hatte uns vorher gesagt, wir müssten sie unbedingt sicher herbringen, selbst wenn es unser Leben kosten sollte, weil sie zu den ersten Freunden gehörten und aus dem Gefängnis kamen. Auf dem Weg kam es zu einer kurzen Gefechtssituation, Riza Altun wurde leicht verletzt.

Rêber Apo sagte immer, dass wir eine sehr erfolgreiche Arbeit machen. Er warnte uns vor Schleppern und sagte, dass wir nicht mit ihnen zusammenarbeiten sollen, weil sie uns jederzeit für Geld verraten könnten. Wir hörten auf ihn und arbeiteten nicht mit Schmugglern zusammen.

1986 bin ich mit einer Gruppe nach Aleppo gefahren, um Rêber Apo zu treffen. Er bewegte sich in der Bevölkerung und erzählte von den politischen Entwicklungen, der Lage der Kurden und warum unsere Feinde trotz ihrer Massaker keinen Erfolg haben. Sechs Stunden lang redete er über die Kurden und die Revolution der PKK.

Ich habe ihn mehrmals getroffen, in Aleppo, im Libanon und in Damaskus. In Damaskus fand eine Veranstaltung statt, zu der auch die Gruppe von Aram Tigran kam. Ich war im Vorbereitungskomitee der Veranstaltung. Wir stellten für Rêber Apo einen Stuhl unter einem Baum auf, damit er sich dort hinsetzt. Das tat er jedoch nicht, er setzte sich zwischen die Menschen aus dem Volk. Wir waren durcheinander und fragten uns, warum er sich nicht auf den für ihn vorbereiteten Platz setzte und ob wohl etwas mit dem Stuhl nicht stimmte. Er empfand große Liebe zum Volk und wollte immer unter den Menschen sein. Er liebte auch Aram Tigran sehr und sagte, seine Stimme sei unsterblich.

Bevor Rêber Apo Syrien verließ, waren zwei Freundinnen und ein Freund aus Europa gekommen. Wir sollten sie über die Grenze bringen und versuchten es überall, von Girê Spî bis Dscharablus und Bab. Obwohl wir alles versuchten, gelang es uns nicht. Früher waren Hunderte oder Tausende über die Grenze gekommen und gegangen, jetzt wurde die Grenze belagert, überall waren Soldaten und Panzer. Um Rêber Apo zur Ausreise aus Syrien zu bewegen, war eine Operation eingeleitet worden. Er ging schließlich weg, um Syrien nicht zu schaden. Die Grenzen waren geschlossen und der türkische Staat wollte eine Krise auslösen. Im Westen von Dscharablus hat der türkische Staat einen syrischen Stützpunkt mit Panzern angegriffen und auf einen Gegenschlag gewartet, damit Chaos entsteht. Der syrische Staat reagierte jedoch nicht darauf, es entstand keine Krise.

Wir setzten unsere Arbeit an der Grenze fort, bis Rêber Apo Syrien verließ. Danach wurde diese Arbeit eingestellt und wir machten andere Sachen. Auch heute noch arbeite ich weiter. Ich bin etliche Male verhaftet und gefoltert worden. Wir wussten nie, wann wir festgenommen und wann wir wieder freigelassen werden. Ich wurde jedes Jahr festgenommen, ohne jeden Beweis. Wir wurden verhaftet, wenn wir Newroz feierten oder weil wir als Anführer der Gesellschaft angesehen wurden. Uns wurde vorgeworfen, dass wir Syrien spalten wollen. Wir sagten, dass wir das nicht tun und Gleichheit und Demokratie wollen. Es gab alle möglichen Foltermethoden, Strom, Messer, Wasser. Es war sehr schwer, aber wir dachten an Rêber Apo, wenn wir im Gefängnis waren. Einmal war ein junges Mädchen mit uns im Gefängnis in Aleppo. Sie war sehr jung, eigentlich noch ein Kind, und sie weinte. ,Warum weinst du?', fragte ich sie. ,Sie werden mich schlagen, ich weiß nicht, was sie mir antun werden', sagte sie. Ich sagte ihr, sie solle sich ein Beispiel an Rêber Apo nehmen. Sie sagte: ,Aber er ist Rêber Apo.' Daraufhin sagte ich, sie solle sich halt nur zu einem Viertel wie er verhalten. Wenn wir uns heute treffen, sagt sie immer wieder, dass sie vielleicht kapituliert hätte, wenn ich sie damals nicht aufgemuntert hätte.“