Der Militärratskommandant Riyad al-Khalaf hat der internationalen Anti-IS-Koalition und Russland Ignoranz angesichts der Kriegsverbrechen der türkischen Armee und ihren dschihadistischen Hilfstrupps vorgeworfen. Es könne nicht sein, dass sowohl die Koalition als auch die internationale Gemeinschaft untätig bleiben und sich in Schweigen hüllten, wenn türkische Artillerie Zivilisten in Ain Issa tötet. Der Führung in Moskau warf Khalaf vor, dass ihre in Syrien stationierten Truppen im Widerspruch zu internationalen Gesetzen und Abkommen stünden. Obwohl das russische Militär in Ain Issa mehrere Beobachtungsposten betreibt und an der Kontaktlinie präsent ist, würden die Soldaten bei Angriffen der türkisch-dschihadistischen Besatzungstruppen auf die Zivilbevölkerung „keinen Finger rühren”, kritisiert al-Kahalf.
In den frühen Morgenstunden des 4. August zerstörte türkische Artillerie ein Haus im östlich der nordsyrischen Stadt Ain Issa gelegenen Dorf Sefawiyê (al-Safawiya). Ein 54-jähriger Mann und drei seiner Kinder wurden getötet. Die Mutter und ein weiteres Kind wurden verletzt und werden im Krankenhaus von Raqqa behandelt. Die Generalkommandantur der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) hat die türkischen Besatzungstruppen und ihre Milizen verwarnt und die USA und Russland aufgefordert, die trotz der Abkommen der Großmächte mit dem türkischen Staat stattfindenden Kriegshandlungen und ihre Kriegsverbrechen zu stoppen.
„Bei dem Massaker vom Mittwoch handelte es sich bereits um den dritten Angriff in Ain Issa auf die Zivilbevölkerung binnen kurzer Zeit“, unterstreicht Riyad al-Kahalf. Mit Attacken wie diesen werde einzig bezweckt, die angestammte Bevölkerung der Region zu vertreiben, und die Kleinstadt in die illegale Besatzungszone der Türkei einzugliedern. „Die Besatzung der Neoosmanen will Ain Issa entvölkern, um den demografischen Wandel zu vollziehen.” Riyad al-Khalaf ist Kommandant des Militärrats von Girê Spî (Tall Abyad), einem Mitgliedsverband der QSD.
Die strategische Bedeutung von Ain Issa
Ain Issa gehört zu den wichtigen Zentren in der Euphrat-Region und liegt an der Verbindungsstraße zwischen Hesekê und Aleppo. Die Stadt ist von strategischer Bedeutung, da der Verkehrsweg M4 den Norden Syriens wie eine Lebensader durchzieht. Die Türkei und ihre Verbündeten wollen die Region schon länger an die illegale Besatzungszone angliedern. Die Einnahme des Gebiets würde der Türkei den Weg nach Raqqa freimachen, Kobanê wäre damit von den verbliebenen Autonomiegebieten in Nordostsyrien abgeschnitten.
Im Oktober 2019 haben Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan im Zuge der türkischen Invasion in Nordsyrien ein Abkommen geschlossen, das für einen Waffenstillstand einen Rückzug der QSD von 32 Kilometern aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere vorsah. Die QSD haben ihre Auflagen erfüllt, die türkischen Angriffe haben trotzdem nie aufgehört. Entlang der Grenzlinie zwischen dem besetzten Girê Spî und dem Norden von Ain Issa sind Einheiten der Besatzungstruppen stationiert. Ihnen gegenüber stehen Kräfte des syrischen Regimes, auch das ist Teil des Abkommens. Im Großraum Ain Issa befinden sich Einheiten der QSD und der Sicherheitskräfte vom Asayîş sowie russische Kräfte. Einer der russischen Stützpunkte ist direkt in der Stadt.