Mehr als 30 Morde in Camp Hol seit Jahresbeginn

Im nordostsyrischen Lager Hol bei Hesekê sind seit Jahresbeginn mindestens 31 Menschen getötet worden. Die Campverwaltung vermutet Schläferzellen des IS, bei einem Todesopfer handelt es sich um ein örtliches Teammitglied von „Ärzte ohne Grenzen“.

Im nordostsyrischen Camp Hol sind seit Jahresbeginn bereits mehr als 30 Menschen getötet worden. Sechs der mindestens 31 Opfer im größten Lager Syriens für Vertriebene, gefangene IS-Mitglieder und Angehörige von Dschihadisten seien mit scharfen Gegenständen erstochen worden, die anderen wurden erschossen. Die Campverwaltung vermutet Schläferzellen der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) hinter den Morden. Bei einem Todesopfer handelt es sich um ein örtliches Teammitglied von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), das in der Nacht zum 24. Februar ermordet wurde. Die Hilfsorganisation hat ihre Arbeit in Camp Hol inzwischen ausgesetzt – einschließlich der medizinischen Versorgung in den Zelten sowie der Versorgung mit Wasser und Sanitäranlagen.

Mordopfer irakische und syrische Staatsangehörige

Die meisten Mordopfer waren Irakerinnen und Iraker, doch auch syrische Binnenvertriebene wurden getötet. Mitte Januar war ein irakischer Schutzsuchender in Camp Hol sogar enthauptet worden. In dem Lager östlich der Stadt Hesekê leben derzeit mehr als 60.000 Menschen aus mehr als 50 verschiedenen Ländern, darunter etwa 31.000 irakische und weitere 22.000 syrische Staatsangehörige. Bei tausenden Bewohnerinnen und Bewohnern von Hol handelt es sich um IS-Anhänger oder ehemalige Mitglieder, die im Zuge der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghuz Anfang 2019 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) aufgegriffen wurden. Rund 93 Prozent aller Menschen im Lager sind Frauen und Kinder. Ein großes Problem ist jedoch die massive Überbelegung. Die Verhältnisse sind aufgrund der ausbleibenden Hilfe von der Staatengemeinschaft katastrophal, die medizinische Versorgung ist miserabel.  Nur wenige Internierte sind bisher von ihren Heimatländern zurückgeführt worden.

UN: Lage in Hol eines der „dringendsten Probleme der heutigen Welt“

Die nordostsyrische Autonomieverwaltung ist angesichts der Massen, türkischen Angriffsdrohungen und Aktivitäten von IS-Schläfermilizen überfordert und appellierte immer wieder an die Herkunftsländer, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Die Vereinten Nationen (UN) warnten wiederholt davor, dass sich die Sicherheitslage in dem Lager weiter verschlechtern werde. Ende Januar hatten die UN die Lage in Hol als eines der „dringendsten Probleme der heutigen Welt“ bezeichnet und die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, wenigstens ihre Verantwortung für die Kinder wahrzunehmen und sie in ihre Heimatländer zurückzuholen. Die 27.000 Minderjährigen in Hol, viele von ihnen unter zwölf Jahren, blieben „gestrandet und ihrem Schicksal überlassen“ anfällig für die Ausbeutung durch IS-Mitglieder und seien dem Risiko einer Radikalisierung innerhalb des Lagers ausgesetzt.

MSF: Internationale Gemeinschaft muss Verantwortung übernehmen

Auch Ärzte ohne Grenzen ruft die internationale Gemeinschaft sowie die Länder, deren Staatsangehörige sich im Camp Hol befinden, dazu auf, Verantwortung zu übernehmen, um längerfristige Lösungen für die dort lebenden Menschen zu finden. Wenige Tage nach dem Mord an dem Teammitglied von MSF wurden drei Mitarbeitende der Hilfsorganisation am vergangenen Samstag bei einem Brand verletzt. Das Feuer war in einem Zelt, in dem eine Hochzeitsgesellschaft versammelt war, ausgebrochen, nachdem ein Kind versehentlich eine mit Diesel betriebene Heizung umgestoßen hatte. Zwei Frauen und sieben Minderjährige kamen bei dem Brand ums Leben, darunter auch die vierjährige Tochter eines MSF-Mitarbeiters. Über zwanzig weitere Menschen wurden verletzt.