Die Vereinten Nationen haben die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, ihre Verantwortung für die Kinder im Camp Hol wahrzunehmen und sie in ihre Heimatländer zurückzuholen. „Die Geschichte hat gezeigt, dass Kinder widerstandsfähig sind und sich von Gewalterfahrungen erholen können, wenn sie bei der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft unterstützt werden“, sagte der Chef des UNO-Büros für Terrorismusbekämpfung, Wladimir Woronkow, am Freitag bei einem informellen Treffen des UN-Sicherheitsrates.
Woronkow bezeichnete die Lage in dem Lager im Nordosten von Syrien als eines der „dringendsten Probleme der heutigen Welt“. Die 27.000 Minderjährigen in Hol, viele von ihnen unter zwölf Jahren, blieben „gestrandet und ihrem Schicksal überlassen“ anfällig für die Ausbeutung durch Mitglieder der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) und seien dem Risiko einer Radikalisierung innerhalb des Lagers ausgesetzt. Die Verantwortung für sie liege nicht bei Syrien oder den Kräften, welche das Lager und andere Camps in der Region kontrollieren, sondern bei ihren Heimatländern. Sicherheitsbedenken, die gegen Entscheidungen für Rückführungen von den Staaten herangezogen würden, seien unbegründet. Das hätten die bisherigen Erfahrungen mit zurückgeführten Menschen aus Hol gezeigt, sagte Woronkow.
Autonomieverwaltung ist überfordert
Etwa 45 Kilometer östlich der Stadt Hesekê liegt das Camp Hol. Die Zeltstadt wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Mit Beginn der Syrienkrise besetzte der „Islamische Staat” (IS) das Camp und machte es zu einer wichtigen Einrichtung seiner Schreckensherrschaft. Im Oktober 2015 wurde es von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit und befindet sich seither unter der Kontrolle der Selbstverwaltung. Derzeit beherbergt Camp Hol gut 60.000 Personen aus mehr als 50 verschiedenen Ländern, darunter tausende IS-Familien, die nach der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghuz von den QSD aufgegriffen wurden. Doch die nordostsyrische Autonomieverwaltung ist angesichts der Massen, türkischen Angriffsdrohungen und Aktivitäten von IS-Schläfermilizen überfordert.
Gamba: Kinder in Hol wie Treibgut auf dem Meer
Die UN-Sonderbeauftragte für Kinder in bewaffneten Konflikten, Virginia Gamba, verglich die Lage der Minderjährigen in Camp Hol mit „Treibgut auf dem Meer“. In erster Linie sollten sie als Opfer und nicht als Sicherheitsbedrohung behandelt werden, forderte Gamba. Als Kinder, die über einen langen Zeitraum in den Lagern Nordostsyriens unter dramatischen Bedingungen festgehalten werden, stünde ihre psychische Gesundheit, Sicherheit und die allgemeine Entwicklung auf dem Spiel. „Sie sind permanenten Traumata und Stigmatisierungen ausgesetzt und aufgrund ihrer Nähe zu Mitgliedern von designierten terroristischen Gruppen gefährdet“, so Gamba. Auch Kinder von IS-Familien hätten ein Recht auf Nationalität und Identität und dürften nicht staatenlos bleiben. Sie müssten in einem sicheren Umfeld aufwachsen, wo sie eine Zukunft fernab von Gewalt aufbauen können. „Sie verdienen eine Chance im Leben, wie jedes andere Kind auch“, sagte Gamba.