Im Camp Hol östlich von Hesekê ist eine Pakistanerin von Anhängerinnen der dschihadistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) gesteinigt worden. Das Opfer, die 50-jährige Fatima Abdulellah, habe ihr Leben nicht nach den Gesetzen der Scharia ausgerichtet. Der von den weiblichen Mitgliedern der islamistischen Miliz gegründete „Gerichtshof“ habe daher entschieden, dass sie getötet werden müsse.
Nach Angaben eines Lager-Verantwortlichen erhielt die Camp-Leitung rechtzeitig einen Hinweis, sodass die Tatverdächtigen festgenommen wurden, bevor sie ihr Opfer heimlich beerdigen konnten.
Von einem „kleinen IS-Staat“ im Camp-Hol, das im syrisch-irakischen Grenzgebiet liegt, wird schon länger gewarnt. Insbesondere die weiblichen IS-Mitglieder stellen eine große Gefahr dar. Die Dschihadistinnen haben einen heimlichen Gerichtshof gegründet, vor dem Frauen aus dem Camp für „Fehlverhalten“ verurteilt werden. Mit einer „Religionspolizei” (Hisba) versuchen die IS-Anhängerinnen, ihre tyrannische Herrschaft im Lager aufrechtzuerhalten. Dabei schrecken sie auch nicht vor Konfrontationen mit den Sicherheitskräften zurück. Ende September war es im Camp-Hol zu einem fünfzehnminütigen Schusswechsel gekommen, als weibliche IS-Mitglieder das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffneten.
Seit Monaten immer wieder Gewaltvorfälle
Das Lager, auch bekannt unter al-Haul, ist so groß wie eine Stadt. Mehr als 71.000 Menschen sind dort untergebracht, unter ihnen rund 55.000 IS-Anhänger mit ihren Frauen und Kindern aus fast 50 Ländern, darunter auch Deutsche. In den Bereichen eins, zwei und drei der insgesamt sieben Abschnitte befinden sich Menschen aus Mosul, die 2014 vor dem IS geflohen sind. Im Bereich vier befinden sich syrische Binnenflüchtlinge. In den übrigen Bereichen fünf, sechs und sieben werden IS-Dschihadisten festgehalten und im Abschnitt „Muhadschirat“ die Familien der ausländischen Dschihadisten.
Seit Monaten kommt es im Camp Hol zu Gewaltvorfällen. Erst am Wochenende wurde ein 23-jähriger Schutzsuchender aus dem Irak mit 38 Messerstichen von IS-Anhängerinnen lebensgefährlich verletzt. Am 3. Oktober erstachen IS-Anhängerinnen einen Schutzsuchenden aus al-Bab. Am 5. September wurde eine junge irakische Frau von IS-Dschihadisten, die sich verschleiert in das Camp eingeschmuggelt hatten, ermordet. Am 27. Juni wurde der Leichnam der schwangeren indonesischen Staatsbürgerin Soder Mini gefunden, zwei Tage zuvor tötete eine aserbaidschanisch-stämmige IS-Dschihadistin ihre 14-jährige Enkeltochter.
Staatengemeinschaft hat kein Interesse an Bekämpferung von IS-Ideologie
Es besteht dringender Bedarf, gegen die im Camp verbreitete IS-Ideologie vorzugehen. Die Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens wird mit dem Problem alleingelassen. Während sich im Zuge des Kampfes gegen den Terror mehr als 60 Länder zur internationalen Koalition gegen den IS zusammenschlossen, um die Dschihadistenmiliz zu bekämpfen, scheint keines von ihnen daran interessiert zu sein, den Frieden zu sichern, in den Wiederaufbau der Gebiete zu investieren, aus denen der IS vertrieben wurde, oder sich um die zehntausenden Mitglieder und Anhänger*innen der Miliz zu kümmern, die bei der Zerschlagung der IS-Territorialherrschaft gefangengenommen wurden. Weder unternehmen die Länder der Anti-IS-Allianz Anstrengungen, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, noch finden sie Mittel, um vor Ort die einen zu rehabilitieren und die anderen zu bestrafen. Auch Appelle der nordostsyrischen Selbstverwaltung an die internationale Staatengemeinschaft und Organisationen wie die Vereinten Nationen, einem Wiedererstarken des IS angesichts der türkischen Invasion mit sofortigem Handeln entgegenzusetzen, bleiben weiterhin unerhört. Fast 800 Dschihadisten ist bei gezielten Angriffen des NATO-Partners Türkei und dessen islamistischer Proxy-Armee auf Gefängnisse mit inhaftierten IS-Mitgliedern die Flucht gelungen.