Drei Militärratskämpfer bei Explosion in Minbic getötet

Nach Angaben des Militärrats Minbic sind am Sonntag drei Kämpfer bei der Explosion eines Autos getötet worden. Der Hintergrund ist unklar, die Stadt in Nordsyrien wird permanent von der Türkei angegriffen.

Bei der gestrigen Explosion in Minbic sind drei Kämpfer des örtlichen Militärrats ums Leben gekommen. Das teilt der Militärrat Minbic mit. Bei den Gefallenen handelt es sich um Haytham Muhammad Ato (Kampfname: Abu Dahham), Hassan Muhammad Nour Khafour (Zilovan) und Saleh Muhammad Rabei (Saleh). Ato, geboren 1995 in Til Eran, war Mitbegründer des Militärrats von Minbic.

Nach Angaben des Militärrats wurde die Explosion durch eine Mine ausgelöst. Informationen über den Hintergrund des Anschlags und die Täter liegen nicht vor. „Wir versprechen unserem Volk, den Weg der Gefallenen fortzusetzen, unser Land zu verteidigen, für Sicherheit zu sorgen und unsere Gefallenen zu rächen“, erklärt der Militärrat Minbic.

Beerdigung der gefallenen Militärratskämpfer in Kobanê

Im Juni sind bei türkischen Drohnenangriffen sechs Kämpfer in Minbic ums Leben gekommen. Die Stadt liegt westlich des Euphrat in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien (AANES), rund dreißig Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Neben Tel Rifat wurde Minbic vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als erstes Angriffsziel für eine neuerliche Invasion der Türkei in der AANES benannt. In der Stadt kommt es immer wieder zu Angriffen der türkischen Armee und verbündeter Dschihadistenmilizen, die sich gegen den Militärrat, die Zivilbevölkerung und Angehörige der Selbstverwaltung richten. Die multiethnische Bevölkerung lebt in ständiger Angst vor Anschlägen und Angriffen aus der Luft und am Boden.

Hintergrund: Die Befreiung von Minbic

Minbic ist am 15. August 2016 vollständig von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit worden. Damit wurde die mehr als zweieinhalbjährige Herrschaft des IS beendet. Für den IS bedeutete der Verlust eine schwere Niederlage, galt Minbic doch als die „geheime Hauptstadt“, die auf der strategisch wichtigen Versorgungsroute von der türkischen Grenze nach Raqqa lag, und in der Selbstmordattentäter ausgebildet und unter anderem nach Europa geschickt wurden.

Kurz bevor die QSD am 1. Juni 2016 die Befreiungsoffensive am Tischrin-Staudamm starteten, war der Militärrat von Minbic durch die von den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) angeführten QSD ins Leben gerufen worden. Einer seiner Mitbegründer war Abu Leyla (Faisal Abdi Bilal Saadoun), der am dritten Tag der Operation bei einem Artillerieangriff von einem Schrapnell am Kopf getroffen wurde. Als Abu Leyla am 5. August verstarb, wurde die Offensive auf Minbic nach ihm benannt.

75-tägiger Befreiungskampf

Insgesamt 75 Tage dauerte der Kampf um Minbic. Er war ein voller Erfolg, an dem vor allem YPJ-Kämpferinnen maßgeblich beteiligt waren. Unvergessen sind die Bilder von Frauen, die nach der Befreiung ihre Schleier verbrannten und sich Zigaretten anzündeten, von Männern, die sich öffentlich ihre Bärte abrasieren ließen, und die erleichterten und freudestrahlenden Gesichter von Kindern. Der Kampf für ein freies Minbic war aber auch sehr verlustreich. Große Teile der Stadt wurden zerstört, etwa 300 Kämpferinnen und Kämpfer kamen ums Leben, darunter auch einige Internationalist:innen.

Ethnisches und sprachliches Mosaik

Nach der Befreiung von Minbic standen die QSD vor der Herausforderung, die Bevölkerung innerhalb des politischen Projekts der Selbstverwaltung zu organisieren. Minbic ist ein ethnisches und sprachliches Mosaik, dessen Bevölkerung aus etwa 70 Prozent Araber:innen, 20 Prozent Kurd:innen, fünf Prozent Turkmen:innen und einer kleinen Anzahl von Tscherkess:innen und Armenier:innen besteht. Die Bevölkerungsgruppen wurden jahrzehntelang durch die vom syrischen Regime geförderte stammesorientierte konservative Politik geteilt. Während der Jahre unter der Kontrolle des IS verschärfte sich diese Politik der Spaltung.

Gesellschaftsmodell mit basisdemokratischem Anspruch

Im Herbst 2016 übergab der Militärrat die Verwaltung der Region dem provisorischen Zivilrat von Minbic. Im darauffolgenden März erfolgte die Umbenennung des Zivilrats in die „Legislative der Demokratischen Administration von Minbic“, um sich breiter aufzustellen und die demokratische Legitimation zu erhöhen. Direkt zu Beginn wurde in allen Ämtern eine genderparitätischen Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann eingeführt, sodass der Anteil der Frauen in der Verwaltung 50 Prozent beträgt. Die Leitung der Selbstverwaltung besteht aus 132 Personen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sind entsprechend ihrer Bevölkerungsanteile darin vertreten. Die Bedeutung von Minbic erklärt sich somit nicht nur durch seine geostrategische Lage im gesamtsyrischen Kontext, sondern auch durch das dort seit August 2016 aufgebaute politische System, das einen sehr hohen demokratischen Anspruch hat und als Modell für ein neues demokratisches Syrien gilt. Durch dieses Gesellschaftsmodell konnte sich ein vertrauensvolles und sicheres Umfeld etablieren, in dem Frauen ihre Rechte erkämpften und nun in allen Bereichen der Verwaltung und des Lebens eine Rolle einnehmen. Diese Errungenschaften werden von der Türkei permanent angegriffen.