Der Verband der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Nord- und Ostsyriens hat bei den Vereinten Nationen (UN) einen Antrag für Maßnahmen zur Beendigung der Isolationshaft von Abdullah Öcalan gestellt. Hintergrund ist die Besorgnis der Vereinigung über das Leben des 74-Jährigen. Seit März 2021 gibt es kein Lebenszeichen von dem kurdischen Vordenker und seinen drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. Der letzte Kontakt zur Außenwelt war ein kurzes Telefongespräch zwischen Öcalan und seinem Bruder Mehmet Öcalan, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Anwaltsbesuche wurden das letzte Mal im August 2019 ermöglicht – jedoch nur für Öcalan. Die anderen drei Imrali-Gefangenen haben seit ihrer Verlegung in das Hochsicherheitsgefängnis im Jahr 2015 gar keinen Kontakt mehr zu ihren Rechtsbeiständen gehabt.
„Das Haftregime, das der türkische Staat in Imrali durchsetzt und das Verbot von Anwaltsbesuchen beinhaltet, verstößt gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der UN für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) und gegen das türkische Vollzugsgesetz (Gesetz Nr. 5275)“, sagte Xanim Eyo, Ko-Vorsitzende des nordostsyrischen Anwaltsverbands, bei einer Kundgebung vor der Vertretung des UN-Flüchtlingskommissariats in Qamişlo. Staaten seien verpflichtet, die Ausübung der Rechte von Gefangenen und Verurteilten ohne Rücksicht auf ihre Identität oder die Qualität ihrer Strafe zu gewährleisten. „Doch die Türkei ist nicht gewillt, ihre eigenen Gesetze und internationales Recht zu respektieren. Sie hält an ihrem menschenverachtenden Isolations- und Folterregime auf Imrali fest. Das verurteilen wir auf das Schärfste.“
Eyo sprach von einer „globalen Ignoranz“ gegenüber dem Unrecht auf Imrali und benannte das CPT als eine der hauptverantwortlichen Institutionen dafür, dass der türkische Staat Abdullah Öcalan unter „unwürdigsten Bedingungen“ festhalten könne. Für weitere Beunruhigung beim Anwaltsverband habe der Hinweis von Sabri Ok, Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), gesorgt, Öcalan seien durch die Vollzugsleitung des Imrali-Gefängnisses und der türkischen Regierung mehrere Briefe übergeben worden, in denen er mit dem Tod bedroht werde. „Daher bekräftigen wir unsere Forderung nach einem Treffen mit Herrn Öcalan. Wir sind entschlossen, unseren Kampf für seine Freiheit entschieden fortzusetzen und rufen die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf den türkischen Staat auszuüben und die Isolation zu beenden.“ Im Anschluss an die Kundgebung wurde dem Flüchtlingswerk ein Dossier mit dem Antrag des Verbands zur Weiterleitung an den UN-Menschenrechtsausschuss übergeben.