„Internationale Friedensdelegation nach Imrali“ besucht Asrin

Mitglieder der „Internationalen Friedensdelegation nach Imrali“ sind in der Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin mit dem Verteidigungsteam von Abdullah Öcalan zusammengekommen, um über die andauernde Isolation auf Imrali zu sprechen.

Mitglieder der „Internationalen Friedensdelegation nach Imrali“ sind am Donnerstag in der Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin mit dem Verteidigungsteam von Abdullah Öcalan zusammengekommen, um über die andauernde Isolation des kurdischen Vordenkers zu sprechen. Seit über zwei Jahren gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan und seinen drei Mitgefangenen, die im Inselgefängnis Imrali von ihrer Außenwelt abgeschottet werden. Trotz diversen rechtlichen, administrativen und demokratischen Initiativen wird jeder Kontakt der Imrali-Gefangenen zu ihrem Rechtsbeistand und ihren Angehörigen von den türkischen Behörden systematisch verhindert.

An dem Gespräch beteiligten sich von der Seite der Delegation Denis O'Hearn, Professor für Soziologie und Anthropologie an der Universität UTEP in El Paso im US-Bundesstaat Texas, die katalanische Senatorin Laura Castel, die zugleich stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist, sowie der isländische Politiker Ögmundur Jónasson, der von 2011 bis 2013 Innenminister Islands war. Für das Rechtsbüro Asrin waren Raziye Öztürk, Emran Emekçi, Ibrahim Bilmez und Rezan Sarıca aus dem Verteidigungsteam der Imrali-Gefangenen anwesend.

Bilmez merkte direkt zu Beginn des Gesprächs an, dass Abdullah Öcalan kein gewöhnlicher Gefangener sei. In seiner Funktion als politischer Repräsentant der Kurdinnen und Kurden und Akteur mit einem Lösungsplan für die Kurdistan-Frage und anderer Probleme in der Region stelle seine Isolation eine Bestrafung der gesamten kurdischen Gesellschaft dar. „Auf Imrali wird ein Sonderrecht vollzogen, das weder im türkischen Vollzugsgesetz und der Verfassung noch im internationalen Recht eine Entsprechung findet. Seit dem sogenannten Putschversuch von 2016 ist dieses Sonderrecht nochmal vertieft worden“, betonte Bilmez. Zudem stehe das auf der Imrali-Insel praktizierte System im eklatanten Widerspruch zu Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).

Doch Appellen und juristischen Initiativen von Asrin werde weder im Land selbst noch von Seiten internationaler Institutionen wie dem Antifolterkomitee des Europarats (CPT) Beachtung geschenkt, kritisierte Bilmez. „Hervorzuheben ist, dass der Umgang mit Abdullah Öcalan als eine Art Gradmesser für den Umgang mit dem kurdischen Volk gilt. Europa und seine Institutionen haben in dieser Hinsicht ebenso wie der türkische Staat auf ganzer Linie versagt. Solange es um das kurdische Volk oder die Opposition in der Türkei gilt, zählen Grund- und Menschenrechte nicht.“ Dabei könne die Beendigung der Isolation auf Imrali dazu beitragen, dass sich die Türkei in Richtung Demokratisierung und Frieden bewegt.

Raziye Öztürk sagte, dass Europa im Umgang mit dem türkischen Staat seine Werte verrate. Die EU habe unendliche Geduld mit den Herrschenden in Ankara und verzichte auf deutliche Signale und politische Maßnahmen gegenüber den institutionalisierten Menschenrechtsverletzungen im Land, kritisierte die Juristin. Denis O’Hearn ging auf die seit Jahren eingefrorenen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union ein und bemerkte, dass die Regierung von Recep Tayyip Erdoßan nach seinem Eindruck schon länger nicht mehr an einem EU-Beitritt seines Landes interessiert sei. Der EU-Beitritt der Türkei hat bisher nicht stattgefunden, obwohl diese bereits seit 1999 Beitrittskandidat der Europäischen Union ist. Vielmehr ist das von Erdoğan regierte Land deutlich weiter entfernt von einer Mitgliedschaft, als noch Anfang der 2000er – seit 2016 liegt der Beitrittsprozess auf Eis. Laut O’Hearn könne eine Öffnung weiterer Verhandlungskapitel frühestens unter einer neuen Regierung in Betracht gezogen werden.

Ögmundur Jónasson äußerte, dass bei der türkischen Menschenrechtsentwicklung keine positiven Ergebnisse erreicht würden, solange die Türkei Mitglied der NATO ist. „Als Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses wird die Regierung nicht von sich aus die notwendigen Bedingungen schaffen, Defizite bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu korrigieren. Sie sieht, dass ihre geopolitische Situation eine gute Ausgangsbasis bereithält und nutzt sie.“ Daher sei nicht zu erwarten, dass es, sollte die amtierende Regierung bei den bevorstehenden Wahlen nicht abgewählt werden, wieder Beitrittsperspektiven in der Türkei geben wird.

Laura Castel betonte, dass die Lösung der kurdischen Frage die Hauptbedingung für eine etwaige Wiederaufnahme der Verhandlungen sein sollte.