Abschied von Kommandant Ferhad Dêrik
Der von der Türkei mit einer Drohne ermordete QSD-Kommandant Ferhad Dêrik ist von Tausenden Menschen in seiner Geburtsstadt Dêrik im Nordosten Syriens verabschiedet worden.
Der von der Türkei mit einer Drohne ermordete QSD-Kommandant Ferhad Dêrik ist von Tausenden Menschen in seiner Geburtsstadt Dêrik im Nordosten Syriens verabschiedet worden.
Tausende Menschen haben in Dêrik Abschied von Ferhad Dêrik (Şiblî Şiblî) genommen. Der QSD-Kommandant war am Freitag durch einen türkischen Drohnenangriff auf sein Haus ermordet worden. Sein Leichnam wurde in einer riesigen Prozession vom Krankenhaus auf den Gefallenenfriedhof „Şehîd Xebat Dêrik“ gebracht.
An dem Trauerzug nahmen Vertreter:innen der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES), politischer Parteien, von Frauen- und Jugendorganisationen, verschiedener Militärverbände der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), kurdischer, arabischer und assyrischer Stämme und Mütter von Gefallenen teil. Die Menschen liefen mit Bildern von Ferhad Dêrik und weiterer gefallener Familienmitglieder durch die Stadt und riefen Parolen zur Unterstützung der QSD.
Eine der Sargträger:innen war Evîn Murad Ebdo, die Lebenspartnerin von Ferhad Dêrik. Sie trug die Uniform ihres ermordeten Mannes und machte das Siegeszeichen. Auf dem Friedhof wurden das Leben und der Kampf von Ferhad Dêrik in Redebeiträgen gewürdigt. Cewahir Îbrahîm vom Rat der Gefallenenfamilien ging in ihrer Rede auf die unbeugsame Haltung der Familie Şiblî ein und sagte, dass die Verbundenheit mit den Gefallenen und der Zusammenhalt in der Gesellschaft ein deutliches Signal an den türkischen Staat seien.
Mahsûm Dêrşewî vom Demokratischen Islam-Kongress Nordostsyriens erklärte: „Erdoğans Aufrufe im Namen der islamischen Religion sind geheuchelt. Er begeht Massaker an unserem Volk und unseren Kindern. Die ganze Welt soll wissen, dass wir im Recht sind und den Kampf unserer Gefallenen fortsetzen.“
Der QSD-Kommandant Xêredîn Xêrkî sprach in seiner Rede von dem jahrelangen Kampf, den Ferhad Dêrik gegen den IS und die türkischen Besatzungstruppen führte: „Dieser Kampf wird weitergehen, bis wir die Ziele unserer Gefallenen erreicht und sie gerächt haben.“
Auch Ferhad Dêriks Mutter Xana Sedon hielt eine Rede, in der sie die Anwesenden begrüßte und sagte: „Wir sind entschlossen, die Errungenschaften unserer Revolution zu verteidigen, wie hoch der Preis auch sein mag.“
Nach den Reden wurde die Gefallenenurkunde verlesen und der Familie übergeben. Während der Leichnam von Ferhad Dêrik begraben wurde, riefen die Menschen „Şehîd namirin” (Die Gefallenen sind unsterblich).
Wer war Ferhad Dêrik?
Ferhad Dêrik war ranghohes Mitglied der QSD. Er koordinierte die Zusammenarbeit des multiethnischen Bündnisses mit der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und leitete das Militärbüro für auswärtige Angelegenheiten in der ostsyrischen Region Deir ez-Zor. Er gehörte der in Dêrik ansässigen bekannten Familie Şiblî an, die seit jeher tief verbunden ist mit der kurdischen Befreiungsbewegung sowie der Revolution von Rojava und zahlreiche Gefallene opferte. Sein älterer Bruder Ferhad Şiblî, der stellvertretender Vorsitzender des Exekutivrats der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) war und 2022 bei einem gezielten Luftangriff der Türkei in Südkurdistan getötet wurde, ist nur einer von ihnen. Sein Cousin Îsam Şiblî starb 2014 bei der Verteidigung der Ezidinnen und Eziden in Şengal, sein Zwillingsbruder verlor im selben Jahr im Kampf gegen den IS in Rojava sein Leben.
2022 Anschlag überlebt
Es handelte sich nicht um den ersten gezielten Anschlag des türkischen Staates gegen Ferhad Dêrik. Im Oktober vergangenen Jahres überlebte er einen Drohnenangriff gegen seine Person schwer verletzt. In der Verteidigung von Rojava aktiv war Ferhad Dêrik seit mehr als einem Jahrzehnt. Er hatte sich zunächst den Selbstschutzeinheiten „Yekinêyên Xweparastina Gel“ (YXG) angeschlossen, ein gemischtgeschlechtlicher Kampfverband, der im Jahr 2011 kurz nach dem Aufkommen des „Arabischen Frühlings“ in Syrien konspirativ gegründet worden war. Er wirkte maßgeblich daran mit, als damals erste Selbstverteidigungseinheiten in Vierteln und Dörfern sowie Patrouillen in Straßen aufgebaut wurden, die sich gegen Dschihadistenmilizen wie Al-Nusra zur Wehr setzten und die Zivilbevölkerung schützten. Als die YXG 2012 zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) umstrukturiert wurden, nahm er seinen Platz in deren Reihen ein.
Fluchtkorridor für Ezid:innen in Şengal freigekämpft
Im Kampf gegen den IS spielte Ferhad Dêrik ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Er beteiligte sich an nahezu allen Großoffensiven der QSD gegen die Terrorgruppe, die 2014 halb Syrien und weite Teile des Iraks überrannt hatte, um ein „Kalifat“ zu errichten. Er verteidigte Rojava damals in Til Koçer und Til Hemîs und gehörte später zu jenen Einheiten der YPG und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten), die zusammen mit der PKK-Guerilla im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal einen Fluchtkorridor freikämpften, über den Hunderttausende Menschen vor dem IS-Genozid im August 2014 gerettet wurden.
Widerstand gegen Angriffskrieg auf Serêkaniyê und Girê Spî
Auch kämpfte Ferhad Dêrik in Til Birak, Hesekê und Til Temir gegen den IS, war an der Befreiung von Raqqa beteiligt und leistete Widerstand gegen den türkischen Angriffskrieg vom Oktober 2019, an dessen Ende die Städte Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) von der Türkei und ihren islamistischen Söldnern besetzt wurden. „Viele Male wurde Hevalê Ferhad an der Front verwundet, aber selbst noch so schwere Verletzungen konnten seinen Willen nicht brechen. Er hat seinen Kampf in den Reihen des Widerstands gegen die Terroristen und Besatzer immer fortgesetzt, da er seinem Versprechen, sein Volk zu schützen, verpflichtet war“, so ein Nachruf der QSD.
Fotos und Video: ANHA und FGBRS