Ein Teil der Region Şehba in Nordsyrien ist 2016 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) von der Besatzung durch islamistische Fraktionen wie die Türkei-nahe Al-Nusra-Front befreit worden. Nach der Besatzung Efrîns im Frühjahr 2018 durch den türkischen Staat haben sich die Grenzen der Region verändert. Der Norden befindet sich jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zur türkischen Besatzungszone und der Süden, Westen und Osten wird von Damaskus kontrolliert. Şehba wird somit von allen Seiten belagert. Es gibt nur einen einzigen Zugang in die Region, dieser wird von der berüchtigten 4. Division der syrischen Armee kontrolliert. Die zehn Kilometer vor dem Distrikt Aleppo gelegene Ortschaft Ehdas steht unter der Kontrolle der 4. Division. Diese Militäreinheit hat mafiöse Züge und treibt für die Einführung lebenswichtiger Produkte nach Şehba Zölle ein. Dadurch sind vor allem Brennstoffe und Lebensmittel in Şehba unerschwinglich geworden.
Seit drei Jahren kein Regen
In Şehba leben weiterhin über 100.000 Vertriebene aus Efrîn. Für die Unterbringung der Geflüchteten sind in Eigenregie fünf Camps errichtet worden, die Namen wie „Widerstand“ (ku. Berxwedan) und „Efrîn“ haben. Die Region liegt in der Nähe des Mittelmeers und hatte früher fruchtbaren Boden. Wie in ganz Syrien hat es jedoch auch in Şehba in den vergangenen drei Jahren kaum noch geregnet. Felder und Gärten müssen mühsam über Brunnen bewässert werden. Die Zentrifugen zur Förderung von Grundwasser werden mit Diesel betrieben, was angesichts der immensen Preissteigerung kaum noch zu bewerkstelligen ist. Darunter leidet die Landwirtschaft, eine Selbstversorgung wird unmöglich gemacht.
Das gleiche gilt auch für die Gesundheitsversorgung. In Şehba gibt es drei Krankenstationen: Das Avrîn-Krankenhaus, ein Krankenhaus in Tell Rifat sowie ein Gebäude, das speziell für Corona-Kranke errichtet wurde. Aufgrund des Embargos gegen die Region und der hohen Zölle kann das selbstverwaltete Gesundheitskomitee diese Krankenhäuser nicht mehr mit dem notwendigen Bedarf und Medikamenten versorgen.
„Das syrische Regime und die Söldnerbanden der Türkei arbeiten zusammen“
Zelûx Bekir ist Ko-Vorsitzende des Volksrats von Efrîn. Gegenüber ANF weist sie auf die schwerwiegenden Folgen der Belagerung für die Bevölkerung hin: „Wir leben unter einem harten Embargo der Regierung in Damaskus. Es gibt nur einen einzigen Weg, dieses Embargo zu durchbrechen, und dieser Zugang wird von der 4. Division kontrolliert. Diese Division versperrt immer wieder die Straße und fordert hohe Steuerzahlungen. Das syrische Regime und die Söldnerbanden des türkischen Staates arbeiten zusammen gegen die Menschen in Şehba.“
Bekir sagt, dass die Regierung in Damaskus mit dem türkischen Staat zusammenarbeitet und als Teil des Vernichtungskonzepts gegen das kurdische Volk eine aggressive Politik gegen die in Şehba und Aleppo lebenden Kurdinnen und Kurden betreibt: „Damaskus sucht nach Schwachstellen, um den Druck gegen die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien zu erhöhen.“ Aufgrund der geographischen Lage seien Şehba und die selbstverwalteten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo diese Schwachstellen, an denen das syrische Regime ansetze.
Für Efrîn im Widerstand
Die Menschen aus Efrîn und die Bevölkerung von Şehba seien jedoch entschlossen, dem türkisch-syrischen Vernichtungskonzept zu widerstehen, betont Zelûx Bekir: „Als wir aus Efrîn vertrieben wurden, haben wir geschworen, solange weiter Widerstand zu leisten, bis wir in unsere Heimat zurückkehren können. Der Kampf in Efrîn, Şehba, Şêxmeqsûd und Eşrefiyê geht weiter.“
Ähnlich äußern sich auch andere Vertriebene aus Efrîn. So erklärt etwa Rengîn Mihemed, dass ihre Lage äußerst prekär ist und der Alltagsbedarf nicht gedeckt wird: „Dadurch lassen wir uns jedoch nicht schwächen, niemals. Wir sind in Şehba, weil wir für Efrîn im Widerstand sind. Dieser Widerstand wird unter allen Umständen fortgesetzt.“