Şêxmeqsûd: Sicherer Hafen seit 1915

Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges öffnete das Viertel Şêxmeqsûd in Aleppo seine Pforten für die Menschen, die vom Regime, den salafistischen Gruppen und dem IS in die Flucht getrieben wurden.

Als 1915 im Zuge des Genozids am armenischen Volk durch das Osmanische Reich unzählige Menschen zusammengetrieben und auf Todesmärsche über unwegsames Gebirge in Richtung Aleppo geschickt wurden, ist das Viertel Şêxmeqsûd (Scheich Maksud) für die Überlebenden der jungtürkischen Gräueltaten ein sicherer Hafen geworden. So wie der Ort damals den Armenier*innen seinen Schutz bot, ist Şêxmeqsûd seit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges neben den Kurd*innen ein Zufluchtsort für das arabische, turkmenische, aramäische, assyrische und armenische Volk und bietet den Menschen Schutz vor den Schergen des Regimes und den dschihadistischen Banden.

Der Weg zur Freiheit der Völker Nordsyriens, der sich beginnend mit Kobanê bis nach Dêra Zor erstreckt, hat seine Form in Şêxmeqsûd angenommen. Hier trafen die Menschen Rojavas zum ersten Mal auf den Häuserkampf und haben der Menschheit die Tradition des großen Widerstandes überlassen. Die Bewohner*innen Şêxmeqsûd haben mit ihrem Wirken gezeigt, dass Freiheit nicht nur etwas ist, von dem man träumt, sondern sie erlangen kann, solange man dafür kämpft. Der Ort, in dem die Jugend von Efrîn ihre ersten Erfahrungen in Sachen Widerstand erlernten, hat nun seine Pforten für die Menschen geöffnet, die von den türkischen Besatzern aus ihrer Heimat Efrîn vertrieben wurden.

Şêxmeqsûd

Das im Norden von Aleppo liegende Viertel Şêxmeqsûd ist eigentlich die Bezeichnung einer ganzen Region. Zu dieser Region gehören die Viertel Şerqî, Xerbî und Maruf. An sie grenzt das überwiegend von Kurd*innen bewohnte Eşrefiye-Viertel. Der Ort hatte vor dem Krieg knapp 400.000 Einwohner*innen. Momentan leben hier in etwa 100.000 Menschen. Da es der höchste Punkt von Aleppo ist, hat Şêxmeqsûd eine hohe, strategische Relevanz. Aleppo kann von vielen Stellen der Region aus der Vogelperspektive betrachtet werden. Aufgrund dessen wurde Şêxmeqsûd unzählige Male sowohl vom Regime als auch von salafistischen Rebellengruppen angegriffen.

Überlebende des Genozids haben Grundstein gelegt

Viele christliche Kultstätten im armenischen Siedlungsgebiet Şêxmeqsûd sind von salafistischen Angreifern in Brand gesteckt und zerstört worden.

Erbitterter Widerstand

Fünf Jahre lang war die Region eingekesselt von den Salafisten und ist ein Paradebeispiel für den Krieg in Syrien. Es gibt kein einziges Haus und auch kein einziges Geschäftsgebäude, das nicht von Kugeln durchsiebt wurde. Auch durch Artillerieschläge schwer getroffene und zerstörte Häuser sind überall im Ort anzutreffen.

Der Widerstand des kurdischen Volkes in Aleppo hat in jeder Straße und Gasse seine Spuren hinterlassen. Trotz der Zerstörung durch den Krieg hat es Şêxmeqsûd immer wieder geschafft, aus seiner Asche aufzuerstehen.

Insel der Flüchtlinge

Als der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach, wurde Şêxmeqsûd für die fliehende Bevölkerung aus Idlib, al-Bab, Dera, Hama und Homs zur Insel für Flüchtlinge. Nachdem sich 2012 der Krieg auch nach Aleppo ausweitete, sind weitere Menschen vor den Auseinandersetzungen zwischen den salafistischen Gruppen und Truppen des Regimes in das Gebiet geflohen. Während ein Teil der Bevölkerung erst nach dem Ende der Kriegshandlungen zurückkehren möchte, sind viele erst gar nicht weggegangen.

Neue Heimat für Vertriebene von Efrîn

Jetzt ist Şêxmeqsûd Heimat für mehrere Hundert Familien aus Efrîn, die nach der türkisch-dschihadistischen Besatzung aus ihrem Zuhause fliehen mussten. Viele schutzsuchende Menschen aus Efrîn sind bereits durch die TEV-DEM (Bewegung für eine demokratische Gesellschaft) in der Region untergebracht worden. 16 Kommunen in Şêxmeqsûd kümmern sich darum, Unterbringungsmöglichkeiten und Nahrungsmittel zu organisieren sowie weitere lebenswichtige Bedürfnisse zu erfüllen. Auch die alteingesessenen Bewohner*innen von Şêxmeqsûd versuchen, wo es nur geht zu helfen. An einigen Punkten im Viertel werden ebenfalls Lebensmittel und vor allem Brot ausgegeben. Viele der aus anderen Regionen Syriens nach Şêxmeqsûd geflohenen Menschen werden bei ihrer Ankunft in den Gesundheitszentren untersucht.

Die ehemaligen Bewohner*innen Efrîns, die hierhergekommen sind, betonen, dass sie den Ort als ihr eigenes Zuhause ansehen und sie sich gemeinsam mit den anderen Völkern in Şêxmeqsûd in einer Phase des Widerstandes befinden.