Warum der türkische Staat kurdische Journalist:innen tötet

Die kurdischen Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin wurden getötet, weil der türkische Staat die Berichterstattung aus Syrien verhindern will. Das sagen in der Schweiz lebende Verwandte und Berufskolleg:innen.

Nazım Daştan und Cihan Bilgin

Der Tod der kurdischen Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin durch einen türkischen Drohnenangriff am Donnerstag in Nordostsyrien hat auch in Europa Wut und Entsetzen ausgelöst. Die beiden Journalist:innen arbeiteten seit vielen Jahren für kurdische Medien und berichteten zuletzt von der Front am Euphrat über die Angriffe der türkischen Armee und der Dschihadistenmiliz SNA auf die selbstverwaltete Region Nord- und Ostsyrien. In mehreren europäischen Ländern protestierten kurdische Organisationen am Freitagabend gegen die anhaltende Militärgewalt und forderten Sanktionen gegen die Türkei.

Gedenken und Protest in Bern

Unter den Demonstrant:innen waren auch Kolleg:innen und Verwandte der getöteten Journalist:innen. Ein in der Schweiz lebender Cousin von Cihan Bilgin, Ramazan Rojger, sagte bei einer Protestaktion in Bern: „Cihan und ihr Kollege Nazım arbeiteten für die freien Medien und wurden mit einer Drohne getötet. Cihan zu beschreiben, ist sehr schwer. Sie hat ihr ganzes Leben für ihr Volk gekämpft, bis zum letzten Atemzug.“

Die Türkei will die Berichterstattung verhindern

Der Journalist Cihan Ölmez, ein Arbeitskollege von Nazım Daştan und Cihan Bilgin, erklärte in einer Rede: „Nazım und Cihan haben der Welt von den Entwicklungen in Rojava und Syrien berichtet. Sie haben dort viele Jahr journalistisch gearbeitet. Der Angriff war kein Zufallstreffer, auf ihrem Auto stand ,Presse'. Die Türkei hat das Auto verfolgt und gezielt angegriffen. Sie will die Berichterstattung verhindern.“

Noch am Vorabend miteinander telefoniert

Özlem Yaşar berichtete in Bern, sie habe noch am Abend vor dem Anschlag mit Nazım Daştan telefoniert. „Ich habe seine Stimme noch im Ohr“, sagte die Gründerin des Vereins Mesela, der sich für einen künstlerisch-kulturellen Austausch zwischen der Schweiz und dem Nahen Osten einsetzt und in dem auch Nazım Daştan Mitglied war. Man habe zusammen gelacht und ein weiteres Telefonat verabredet. „Bevor er auflegte, sagte er, ich solle mir keine Sorgen machen, die Kurden würden auch diesen Krieg überstehen und alles werde gut werden.“

Winterthur

Auch Morde können uns nicht einschüchtern“

Der Journalist Erdoğan Zamur sagte bei einer Protestveranstaltung in Winterthur, dass viele Mitarbeitende der kurdischen freien Medien im Kampf um eine wahre Berichterstattung gefallen seien. „Seit den 1990er Jahren sind Dutzende Medienschaffende getötet worden, Hunderte wurden verhaftet und zu Flüchtlingen“, erklärte Zamur, der selbst nach einer Verhaftung aus der Türkei flüchtete und heute im Exil in der Schweiz lebt. „Der türkische Staat sollte wissen, dass er uns auch mit Morden nicht einschüchtern kann. Wir halten an der Tradition der freien Presse fest.“

Dieser Angriff war ein Kriegsverbrechen

Auf die Frage, warum seine Kolleg:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin getötet worden seien, antwortete der kurdische Journalist: „Der türkische Staat und seine Medien betreiben hinsichtlich der Geschehnisse in Syrien eine psychologische Kriegsführung. Unsere Kolleg:innen von der freien Presse haben diese Lügen aufgedeckt und die Wahrheit berichtet. Deshalb wurden sie seit Tagen verfolgt und schließlich getötet. Dieser Angriff war ein Kriegsverbrechen. Der türkische Staat begeht Kriegsverbrechen, indem er Medienschaffende und die Zivilbevölkerung gezielt angreift. Wir fordern die Schweiz, die EU und die internationale Gemeinschaft auf, nicht länger zuzusehen und endlich zu handeln.“