Türkei fahndet nach Exil-Schriftsteller Aziz Tunç

Die türkische Justiz hat den kurdischen Exil-Schriftsteller Aziz Tunç zur Fahndung ausgeschrieben. Hintergrund ist eine Anzeige eines rechtspopulistischen Politikers. Tunç warf dessen Zeitung vor, den Nährboden für Massaker an Aleviten zu bereiten.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Istanbul hat dem in der Türkei verfolgten Schriftsteller und Journalisten Aziz Tunç zur Fahndung ausgeschrieben. Hintergrund ist eine Strafanzeige wegen Beleidigung des rechtspopulistischen Politikers Doğu Perinçek. Tunç warf der Tageszeitung Aydınlık in einer am 24. Oktober 2017 beim Online-Portal Alevinet erschienen Kolumne vor, den Nährboden für Massaker an Alevit*innen zu bereiten. Das Blatt wird von der „Vaterlandspartei“ (Vatan Partisi) herausgegeben, dessen Vorsitzender Perinçek ist. Perinçek, der 2006 in der Schweiz wegen der Leugnung des Armenier-Genozids verurteilt wurde, ist bekannt für seine rassistischen Verschwörungstheorien. Vor drei Jahren behauptete er, die USA wollten in der Türkei eine „alevitische Ordnung” einführen, um ihre strategischen Interessen im Mittleren Osten umzusetzen. Daraufhin häuften sich Anschläge, Diskriminierungen und politische Angriffe auf die Minderheit. In einigen Städten wurde Häuser von alevitischen Menschen mit Kreuzen markiert.

Wer ist Aziz Tunç?

Aziz Tunç wurde 1956 im kurdisch-alevitischen Albistan (türk. Elbistan) in der Provinz Gurgum (Maraş) geboren. Bereits in seiner Jugend engagierte er sich als linker Aktivist gegen die Militärdiktatur in der Türkei und kam dafür das erste Mal ins Gefängnis. 1978 verübten Nationalisten und Mitglieder der rechtsextremen Partei MHP das Massaker von Maraş: Dabei wurden ganze Wohnviertel zerstört und hunderte alevitische Kurd*innen gefoltert und getötet – darunter auch Bekannte von Tunç. Nach dem Massaker hat er sich zur Aufgabe gemacht, als Überlebender und Zeuge zu verhindern, dass dieses dunkle Kapitel der Geschichte der Türkei in Vergessenheit gerät und mehrere Bücher verfasst. Als er nach dem Militärputsch 1980 auf die Fahndungsliste der neuen Regierung geriet, war er gezwungen, für elf Jahre unterzutauchen. Beim vermeintlichen Putschversuch vom Sommer 2016 war Tunç gerade auf einer Konferenz in Deutschland. Ein Rückflug wurde unmöglich, als Freund*innen verhaftet wurden. Seitdem ist er auf der Flucht und lebt seit 2017 in Deutschland.

Pass von Ehefrau am Flughafen beschlagnahmt

Anfang 2018 wollte Fatma Tunç aus der Türkei zu ihrem Mann nach Deutschland reisen. Dies gelang ihr allerdings nicht, da ihr am Flughafen Istanbul der Reisepass beschlagnahmt wurde. Als Begründung wurde genannt, dass es in ihrer Familie „verdächtige Personen“ gebe. Damals liefen auch gegen zwei Söhne und eine Tochter des Ehepaars Verfahren in der Türkei.