TELE1-Redakteur Merdan Yanardağ verurteilt und freigelassen

Der türkische Journalist Merdan Yanardağ ist am ersten Verhandlungstag im Prozess wegen seiner Äußerungen zu Abdullah Öcalan in Istanbul zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Gericht ordnete gleichzeitig seine Freilassung an.

Der türkische Journalist Merdan Yanardağ ist am ersten Verhandlungstag im Prozess wegen seiner Äußerungen zur Isolationshaft von Abdullah Öcalan in Istanbul zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die 30. Große Strafkammer verurteilte den Chefredakteur des oppositionellen Senders TELE1 wegen „Propaganda für eine Organisation“ und ordnete gleichzeitig seine Haftentlassung an.

Vor dem Gerichtsgebäude in Çağlayan forderten Demonstrant:innen vor Prozessauftakt die Freilassung von Yanardağ. Die Verhandlung begann mit anderthalbstündiger Verspätung. Yanardağ sagte vor Gericht, der Prozess gegen ihn sei darauf ausgerichtet, die Pressefreiheit abzuschaffen und eine repressive Stimmung in der Türkei herzustellen: „Ich bin verhaftet worden, um den unabhängigen Medien zu drohen und die Gesellschaft einzuschüchtern.“ Er seit seit 38 Jahren Journalist und der eigentliche Grund für die Anklage gegen ihn sei die Debatte über die Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali.

„Gilt auf Imrali ein gesondertes Strafrecht? Seit wann ist es eine Straftat, die Anwendung des Vollzugsgesetzes zu fordern? Abdullah Öcalan soll seine Familie treffen können und wir sollten wissen, was er zu sagen hat“, so der Angeklagte.

Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, die Staatsanwaltschaft beantragte die Fortsetzung der Haft. Das Gericht begründete die Verurteilung des Journalisten damit, dass die Aussage „Denn Öcalan ist eine Person, die viel liest und die Politik richtig sieht“ nicht unter die Presse- und Meinungsfreiheit fällt.

Seit Juni in Untersuchungshaft

Merdan Yanardağ, der auch Besitzer von TELE1 ist, hatte am 25. Juni in der Sendung „4 Fragen 4 Antworten“ mit Studiogästen über die Haftbedingungen in der Türkei, insbesondere von politischen Gefangenen, gesprochen. Dabei hatte er die Frage gestellt, warum der vor 24 Jahren völkerrechtswidrig in die Türkei verschleppte PKK-Begründer Abdullah Öcalan noch immer in Isolationshaft auf einer Gefängnisinsel Imrali festgehalten wird. Öcalan werde als Geisel festgehalten, gleichzeitig werde mit ihm verhandelt, führte Yanardağ weiter aus und wies auf das strikte Kontaktverbot selbst zu seinen Anwält:innen und Familienangehörigen hin: „Abdullah Öcalan ist kein Mensch, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er ist im Gefängnis fast zu einem Philosophen geworden, weil er nichts anderes tut als lesen. Er ist ein äußerst intelligenter Mensch, der die Politik richtig liest, sie richtig sieht und richtig analysiert.“

Wenige Stunden nach diesen Äußerungen war Yanardağ noch im Sendegebäude in Istanbul von der Antiterrorpolizei festgenommen und in Europas größtem Strafvollzugskomplex Silivri westlich von Istanbul gebracht worden.