In Iran hat der erste der umstrittenen Prozesse gegen zwei im Rahmen der Anti-Regime-Proteste verhaftete Journalistinnen begonnen. Die beiden Reporterinnen waren unter den Ersten, die über den Tod von Jina Mahsa Amini berichteten. Nilufar Hamedi tat dies für die Zeitung „Shargh“ aus dem Krankenhaus in Teheran, in dem Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im Koma lag, bevor sie am 16. September offiziell für tot erklärt wurde. Vier Tage später wurde Hamedi verhaftet. Elaheh Mohammadi arbeitet bei der Zeitung „Ham-Mihan“. Sie reiste in Aminis Heimatstadt Seqiz in Rojhilat, um über die Beerdigung der 22-jährigen Kurdin zu berichten, aus der sich die „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution entwickelte. Knapp zwei Wochen später wurde auch sie verhaftet.
Hamedi und Mohammadi sind wegen den Vorwürfen Spionage und Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt. Sie stünden mit ausländischen Nachrichtendiensten in Verbindung und seien von ihnen ausgebildet worden, behaupteten das iranische Geheimdienstministerium und die Geheimdienste der iranischen Revolutionsgarden in einer gemeinsamen Erklärung Ende Oktober. Beide Frauen sitzen im Sicherheitstrakt 209 des berüchtigten Foltergefängnisses Evin in der Hauptstadt Teheran ein.
Als Erste stand am Montag Elaheh Mohammadi vor Gericht. Der Verhandlungstag gegen die 36-Jährige fand allerdings hinter verschlossenen Türen statt, wie ihre Zeitung „Ham-Mihan“ berichtete. Mohammadis Verteidiger Schahab Mirlohi sprach laut der Nachrichtenagentur ILNA von einem positiven Verlauf. Für Dienstag ist der Prozessbeginn gegen Mohammadis 30 Jahre alte Kollegin Nilufar Hamedi geplant.
Nilufar Hamedi twitterte Mitte September dieses Foto. Darauf zu sehen war ein verzweifeltes Ehepaar im Krankenhaus, deren Tochter dort im Koma lag: Die Eltern von Jina Mahsa Amini. So verschaffte die Journalistin dem Fall früh Aufmerksamkeit, wofür sie verhaftet wurde. Der Tod der jungen Kurdin löste die schwersten Proteste seit Jahrzehnten gegen das islamistische Unrechtssystem des iranischen Regimes aus. Der Sicherheitsapparat reagierte mit äußerster Härte: Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden mehr als 530 Menschen von iranischen Regimekräften im Zusammenhang mit der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung getötet, darunter dutzende Minderjährige.| © NH
Zuständiger Richter berüchtigt für Todesurteile gegen Demonstranten
Verhandelt wird das Verfahren vor einem berüchtigten Revolutionsgericht in Teheran, dessen Vorsitzender Richter Abolghassem Salawati für besonders harsche Urteile bekannt ist. Im Rahmen der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution hat Salawati bereits mehrere Todesurteile gegen Demonstranten gesprochen. Deshalb forderten Medienschaffende landesweit, dass die Prozesse öffentlich stattfinden. Die Sorge ist groß, dass die Frauen hinter verschlossenen Türen harte Strafen erhalten
Regime forciert „Klima der Angst“ für Medienschaffende
Laut Reporter ohne Grenzen sind Medienschaffende in Iran schweren Repressionen durch das Regime ausgesetzt. Die islamistische Führung des Landes wolle, dass unabhängige Journalistinnen und Journalisten in einem Klima der Angst leben. Den Zahlen der Organisation nach haben iranische Behörden seit dem Beginn der landesweiten Proteste im letzten September 75 Presseleute verhaftet. 17 von ihnen sind demnach noch immer in Haft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Iran auf Platz 177 von 180 Staaten.