Internetsperren in der Türkei betreffen insbesondere kurdische Medien

Das Verbot der kurdischen und sozialistischen Presse bildet die Grundlage der Internetzensur. Dem Zensurbericht zufolge lag ANF 2023 an erster Stelle der vom AKP/MHP-Regime blockierten Websites.

Pressefreiheit in der Türkei

Nach einem Bericht des Vereins für Medien und Recht (MLSA) im Rahmen des FreeWeb-Projekts zu Zensur im Jahr 2023 in der Türkei wurden allein 2023 14.680 Nachrichten blockiert. Damit wurde ein neuer Spitzenwert der Nachrichtenzensur im Internet erreicht.

197.907 Domains blockiert

Der gemeinsam von MLSA und FreeWeb erstellte Zensurbericht 2023, der sich mit Verletzungen der Rechte der Presse befasste, zeigt deutlich den Ernst der Lage.

Laut dem FreeWeb-Bericht für das 2023 wurden:
197.907 Domains
14.680 Nachrichten
5.641 virtuelle Medienbeiträge
743 virtuelle Medienkonten
38 Kommentare zu Unternehmen auf Google
33 Suchmaschinenergebnisse
9 Mobile Anwendungen
5 Google Drive Dateien
2 Mailadressen
1 Google Dokument
blockiert.

30 Domains von Presseorganen verboten

Im Jahr 2023 wurden 30 verschiedene Domainnamen von Nachrichten-Websites verboten. Bei den am häufigsten verbotenen Domains handelt es sich um Webpräsenzen der folgenden Medien:
Kızıl Bayrak 5
ETHA 4
Komün Dergi 3
Gazete Patika 3
Özgür Gelecek 3
Yeni Demokrasi 2
Alınteri, Yeni Yaşam, Jinnews, Yeni Demokrat Gençlik wurden jeweils einmal verboten.

Bei all den Presseerzeugnissen handelt es sich um kritische Medien aus dem linken und kurdischen Spektrum.

Kurdische Medien werden systematisch verboten

Auch hier zeigt sich, dass die ungelöste kurdische Frage der Motor der Faschisierung der Türkei ist. Die Verbote der kurdischen und sozialistischen Presse bilden die Grundlage der Internetzensur. Insbesondere die Verbote kurdischer Medien sind zu einer gängigen Praxis geworden. In dem erstellten Zensurbericht werden die kurdischen Medienseiten, auf die das Zensurgesetz bis 2023 am häufigsten angewendet wurde, wie folgt aufgelistet:
Fırat Haber Ajansı (ANF)
Dicle Haber Ajansı
Yeni Özgür Politika
Yüksekova Haber
Azadiya Welat
RojNews
JİNHA
JinNews
Yeni Yaşam
Özgür Gündem
Medya Haber
Mezopotamya Ajansı

Abgesehen davon werden oppositionelle Nachrichtenseiten wie ETHA, Gazete Duvar, SendikaOrg, Mücadele Birliği, Evrensel, Birgün, Artı Gerçek, Sol Haber, Yeni Demokrasi häufig verboten oder der Zugang zu ihren Nachrichten wird blockiert.

Für bis 2023 werden in dem Bericht einige der am häufigsten blockierten Nachrichten-Websites aufgeführt:
Nuçe Ciwan 163
Kızıl Bayrak 86
Demokrasi.com 79
Sendika.org 62
Özgür Gelecek 58
ETHA 57
ANF 56
JinnNews 52.

Am häufigsten werden Nachrichten zum Regimechef und seiner Familie blockiert

Auch ein Blick auf den Inhalt der blockierten Nachrichten ist interessant. Wenn man die blockierten Nachrichten thematisch einem Ranking unterzieht, dann stehen Nachrichten, die sich kritisch auf die AKP, Erdoğan und Regimevertreter beziehen, an der Spitze der Zensur. Inhaltlich wird deutlich, dass viele der 14.680 Sperrungen von Berichten dazu dienen, Korruption von AKP-Mitgliedern und der Familie Erdoğan, sexualisierte Gewalt in regimetreuen Orden, patriarchale Gewalt und sonstige verbrecherischen Strukturen im Kontext des Regimes zu decken.

Inhaltlich sieht die Zensur wie folgt aus:
5.881 Berichte über Korruption
2.256 Berichte über Gewalt an Frauen und Kindern
1.733 Berichte über Organisierte Kriminalität
1.108 Berichte über Mord wurden blockiert.

Von den 5.881 gesperrten Korruptionsnachrichten betrafen 1.133 Personen, die der AKP nahe stehen, 646 Erdoğan und seine Familie und 60 Sekten und Gemeinschaften. Von den 2.256 Nachrichten, die aufgrund von Gewalt gegen Frauen und Kinder gesperrt wurden, wurden 801 aufgrund von Beschwerden von Personen, die als Täter bezeichnet wurden, 693 aufgrund von Beschwerden von Amtsträgern, 244 aufgrund von Beschwerden von Geschäftsleuten, 157 aufgrund von Beschwerden von Sekten und 13 aufgrund von Beschwerden von AKP-Mitgliedern gesperrt.

Während 713 der gesperrten Zugriffe, die als Organisationsdelikte definiert sind und meist Nachrichten über die „FETÖ“ und bewaffnete Gruppen betreffen, von Beamten beanstandet wurden, wurden 595 gesperrt, weil Politiker und AKP-Mitglieder sich beschwert hatten. Darüber hinaus wurden 262 Nachrichten über Mord wegen der Erwähnung von AKP-Mitgliedern und Erdoğan und seiner Familie und 26 Nachrichten über Betrug wegen der Erwähnung von AKP-Mitgliedern und Erdoğan und seiner Familie gesperrt.

Von den 14.680 allein im Jahr 2023 gesperrten Nachrichten bezogen sich 5.150 auf Amtsträger, 2.580 auf Bürger:innen, 2.575 auf AKP-Mitglieder, 854 auf Erdoğan und seine Familie und 221 auf Sekten und Orden.

Begründung meist „Nationale Sicherheit“

Neben Nachrichten-Websites wurde auch der Zugang zu Anwendungen gesperrt, die von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen genutzt werden. Als Gründe für die Zugangssperren wurden überwiegend „Obszönität“ und „Nationale Sicherheit“ genannt. Einige der von der Regierung gesperrten Websites und Anwendungen, die nicht zu den Nachrichten-Websites gehören, sind die folgenden:

Sammelmailprogramm Sendgrip, Entwicklungsprogramme Vercel und Read the Docs, Martı Taşımacılık, Ekşi Sözlük, YouTube, Twitter, Instagram, Roblox.