Haftbefehl gegen Journalist Aziz Oruç aufgehoben

Nach fast einem Jahr in Untersuchungshaft ist der Haftbefehl gegen Aziz Oruç aufgehoben worden. Der Prozess wegen Terrorvorwürfen gegen den kurdischen Journalisten wird im April fortgesetzt.

Am 3. Schwurgerichtshof in der nordkurdischen Provinz Agirî (türk. Ağrı) ist am Montag der Prozess gegen den Journalisten Aziz Oruç wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und angeblicher Terrorpropaganda fortgesetzt worden. Der Haftbefehl gegen den 36-Jährigen wurde auf Antrag der Verteidigung aufgehoben. Inzwischen konnte Oruç auch das Gefängnis in Patnos verlassen. Der Prozess wird am 16. April 2021 fortgesetzt.

Erst letzten Freitag hatte die in der Türkei ansässige Medienrechtsorganisation „Media and Law Studies Association” (MLSA) im Fall Oruç Verfassungsbeschwerde beim türkischen Verfassungsgericht in Ankara erhoben. MLSA begründete den Schritt mit der fortdauernden Inhaftierung und der damit einhergehenden Verletzung der Pressefreiheit und des Rechts auf Freiheit und Sicherheit. Laut der Organisation, die Oruç anwaltliche Pro-Bono-Unterstützung bietet, war die Inhaftierung des Journalisten politisch motiviert. Somit sei sein Freiheitsentzug nicht nur ein Eingriff in die Pressefreiheit, sondern stelle zudem einen Verstoß gegen Artikel 18 der europäischen Menschenrechtskonvention dar. Nach dem Artikel dürfen Rechte und Freiheiten nur zu den vorgesehenen Zwecken eingeschränkt werden.

Aziz Oruç war vergangenen Dezember im Landkreis Bazîd (Doğubayazıt) verhaftet worden. Davor arbeitete er ungefähr drei Jahre lang in der südkurdischen Stadt Silêmanî für RojNews. Oruç hatte Anfang 2017 das Land verlassen, um sich einer Freiheitsstrafe wegen Terrorismusvorwürfen zu entziehen. Es war eines von mehreren Verfahren gegen den missliebigen kurdischen Journalisten, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ein Urteil aus dem Jahr 2011 über eine mehrjährige Haftstrafe wird derzeit noch vom Kassationsgericht überprüft. Auch andere Verfahren sind anhängig.

Vor seiner Inhaftierung in der Türkei hatte der ehemalige Korrespondent der per Notstandsdekret verbotenen Nachrichtenagentur DIHA versucht, vom Iran aus über Armenien nach Europa zu gelangen, um politisches Asyl zu beantragen. An der armenisch-iranischen Grenze wurde er festgenommen und gefoltert. Ein daraufhin aus der Not heraus gestelltes Asylgesuch wurde erst gar nicht an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Stattdessen wurde der zweifache Vater an iranische Sicherheitskräfte überstellt. Nach einer weiteren Festnahme auf iranischer Seite der Grenze, erneuter Folter und einer Geldstrafe wurde Oruç schließlich in der Nacht zum 11. Dezember 2019 barfuß und nur in Unterwäsche gekleidet im türkischen Grenzgebiet ausgesetzt.

Der MLSA-Anwalt und Verteidiger von Oruç, Erhan Çiftçiler, rief bei der heutigen Verhandlung in Erinnerung, dass sein Mandant unmittelbar nach der Festnahme durch den türkischen Innenminister Süleyman Soylu medial als Terrorist diffamiert wurde. Das Gericht sei unter Druck gesetzt worden, den Anweisungen des Ministers Folge zu leisten, obwohl es wisse, dass es sich bei dem einzigen Vergehen von Oruç um eine einfache Grenzverletzung handele.