Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert Bundesaußenminister Heiko Maas auf, den türkischen Botschafter in Deutschland einzubestellen. Anlass ist die Serie von Drohungen und Übergriffen gegen in Deutschland lebende Exiljournalisten aus der Türkei. Offenbar soll es eine sogenannte Hinrichtungsliste mit 55 Namen geben, unter denen sich auch Journalisten befinden. In mindestens zwei Fällen sind die deutschen Polizeibehörden bereits aktiv. Aus Kreisen der Polizei stammt die Information über die Existenz dieser Liste.
DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall begrüßt die polizeilichen Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Exiljournalisten. „Das reicht aber nicht aus“, erklärte der DJV-Vorsitzende am Freitag. „Heiko Maas muss dem türkischen Botschafter unmissverständlich klar machen, dass hier eine Grenze überschritten wird und dass Drohungen und Gewalt gegen Journalisten, die hier Zuflucht vor dem repressiven Regime der Türkei gefunden haben, inakzeptable Straftaten sind.“
Der DJV-Vorsitzende erinnerte in dem Zusammenhang an den türkischen Journalisten Erk Acarer, der am 7. Juli vor seiner Wohnung in Berlin von drei Bewaffneten zusammengeschlagen wurde: „Es ist schon schlimm genug, dass regierungskritische Kollegen in der Türkei ihren Journalistenberuf nicht mehr ausüben können. Dass sie im Zufluchtsland Deutschland weiterhin Angst haben müssen, ist völlig inakzeptabel.“
Obwohl Acarer seitdem unter Polizeischutz steht, wird er weiter bedroht. Er hatte in verschiedenen türkischen Zeitungen, zuletzt in der regimekritischen Zeitung Birgün, über die Verbindungen zwischen der Türkei und dem IS berichtet und war dadurch ins Visier des Erdoğan-Regimes geraten. Der Account „jitemkurt" postete danach, dass es eine „Exekutionsliste“ für 21 oppositionelle Journalist:innen, Künstler:innen, Intellektuelle und Schriftsteller:innen in Europa gebe.
Der Journalist Celal Başlangıç ist von der Polizei darüber informiert worden, dass er auf einer „Hinrichtungsliste“ steht, auf der 55 Namen von Oppositionellen erfasst sind. Başlangıç lebt seit 2016 in Deutschland und hatte sich zuletzt kritisch mit den Mafiastrukturen innerhalb des türkischen Staats auseinandergesetzt, unter anderem hatte er ANF im Mai ein Interview gegeben.
Gewalt gegen Journalisten in der Türkei
In Istanbul sind am Dienstag acht Journalist:innen bei einer Demonstration von der Polizei angegriffen und verletzt worden. Das teilte der Journalistenbund der Türkei (Türkiye Gazeteciler Cemiyeti, TGC) mit. Betroffen waren Erdem Şahin (European Pressphoto Agency), Fatoş Erdoğan (Dokuz Sekiz), Bülent Kılıç (AFP), Kübra Köklü (Cumhuriyet) sowie die freien Journalist:innen Yasin Akgül, Emre Orman, Ozan Acıdere und Zeynep Kuray. Die Polizei setzte unter anderem Plastikmunition gegen die Journalist:innen ein. Der TGC verurteilte die Polizeigewalt und forderte eine Bestrafung der beteiligten Sicherheitskräfte.