Nazım Daştan und Cihan Bilgin
Nazım Daştan und Cihan Bilgin werden doch nicht in ihren Heimatorten im nördlichen Kurdistan bestattet. Die türkische Regierung habe es de facto abgelehnt, dass die sterblichen Überreste der beiden Journalist:innen, die im Dezember bei einem gezielten Drohnenangriff in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien getötet wurden, in die Türkei überführt werden, sagte der DEM-Abgeordnete Kamuran Tanhan am Donnerstag vor Presseleuten in Silopiya. Tanhan war Teil einer Delegation, die am Montag vom türkischen Grenzübergang Habur in die Kurdistan-Region des Irak (KRI) einreisen wollte, um die Leichname der Getöteten an der innerkurdischen Passierstelle zu Nord- und Ostsyrien in Empfang zu nehmen. Doch der Abordnung wurde die Ausreise unter absurden Vorwänden verweigert.
Pressefahrzeug gezielt bombardiert
Nazım Daştan und Cihan Bilgin stammten beide aus Nordkurdistan, arbeiteten jedoch seit Jahren für kurdische Medieneinrichtungen in Nord- und Ostsyrien. Am 19. Dezember befanden sie sich auf dem Rückweg von einer Reportage über das Kampfgeschehen zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der pro-türkischen Söldnertruppe SNA an der Tişrîn-Front am Euphrat, als ihr als „Pressefahrzeug“ gekennzeichneter Wagen gezielt von einer türkischen Drohne erfasst wurde. Beide Journalist:innen waren auf der Stelle tot, ihr Fahrer wurde verletzt. Seitdem bemühten sich Angehörige um eine Überführung ihrer sterblichen Überreste. Nun steht fest, dass sie sich nicht wie geplant von ihren Liebsten verabschieden können.
Tanhan äußerte sich heute bei einer Presseerklärung, die im Rahmen eines Protestmarschs in Silopiya stattfand. Videoquelle: Mezopotamya Ajansı (MA)
„Was nicht funktionierte, waren Gewissen und Ethik“
„Die Ausreise in die KRI ist unserer Abordnung rechtswidrig versagt worden“, erklärte Tanhan. Über zwei Tage lang steckte die Gruppe, in der sich auch Daştans Vater und Mitglieder des Journalistenvereins DFG befanden, am Kontrollpunkt Habur fest, weil Fahrzeugscanner defekt gewesen seien und Passkontrollen nicht funktioniert hätten. „Was in Wahrheit nicht funktionierte, war das Gewissen und die Ethik der Verantwortlichen“, betonte der Politiker. Ihnen fehlte es an Respekt gegenüber Menschen, ihren Rechten, Idealen und Überzeugungen. „Es heißt, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. In diesem Fall hätte dieserWeg eigentlich auch nur 200 Meter gehabt“, sagte Tanhan in Anspielung auf den geschlossenen Grenzübergang zwischen Nisêbîn (tr. Nusaybin) auf türkischem Staatsgebiet und dem gegenüberliegenden Qamişlo in Nordostsyrien.
Tanhan kritisiert psychische Folter
„Man hätte diese Passierstelle für die Überführung der Leichname nur für einen Moment öffnen müssen. Wir haben über Wochen auf eine entsprechende Zusage gewartet, die uns zu Beginn auch seitens des Innenministeriums in Aussicht gestellt wurde“, erklärte Tanhan. Weil das Ministerium danach aber nicht mehr reagiert habe und auch andere staatliche Stellen „sich taub stellten und es vorzogen, die Angehörigen der Getöteten psychischer Folter zu unterziehen“, sei entschieden worden, die sterblichen Überreste durch die Kurdistan-Region im Irak in die Türkei zu transportieren. „Dies gelang uns am Ende aber nicht. Es ist uns verwehrt worden dazu beizutragen, dass Nazım und Cihan an ihren Geburtsorten in Würde bestattet werden und ihre Angehörigen endlich zur Ruhe kommen“, sagte Tanhan. Auch der Menschenrechtsverein IHD hatte sich vergeblich für eine Überführung der Leichname in die Türkei eingesetzt. Die Journalist:innen sollen nun in Qamişlo beerdigt werden.