122 Jahre kurdische Presse

Am 22. April 1898 erschien die erste kurdische Zeitschrift „Kurdistan“ in Kairo. Seitdem gilt der 22. April als Tag des kurdischen Journalismus.

Die erste kurdische Zeitung mit dem Namen „Kurdistan“ erschien am 22. April 1898, herausgegeben von Mîqdad Mîdhat Bedirxan in Kairo. Seitdem ist der 22. April der Tag des kurdischen Journalismus. Die kurdische Presse war von Beginn an Verfolgung, Repression und Verhaftungen ausgesetzt. Die ersten fünf Ausgaben der Zeitschrift „Kurdistan“ erschienen in Kairo, die Ausgaben sechs bis 19 in Genf, 20 bis 23 in London, 24 bis 29 in Folkston und die Ausgaben 30 und 31 wieder in Genf. Die 15-tägig erscheinende Zeitung wurde unter Sultan Abdulhamit II. im Osmanischen Reich verboten.

Mîqdat Mîdhat Bedirxan selbst erklärte zur Notwendigkeit der Zeitung „Kurdistan“: „Wo immer es auf der Welt Muslime gibt, sie haben in Dörfern und Städten Schulen und bringen ihre Zeitungen heraus. Die Kurden haben keine Zeitung. Deswegen werden wir, so Gott will, alle 15 Tage eine Zeitung herausbringen. Ihr Name wird ‚Kurdistan‘ sein.“

Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs nahm die Repression gegen Bedirxan zu. Nachdem in der Türkei Publikationen auf Kurdisch verboten wurden, wurde die Zeitung im Irak, Syrien und in Beirut gedruckt. Folgendende Publikationen waren Jiyan (1926–1936), Hawar (1932–1943), Jîn (1939), Gelawej (1941–1950), Ronahî (1942–1945) und Roja Nû (1943–1946).

Vor allem zweisprachige Publikationen

Kurdische Intellektuelle wie Musa Anter, Edip Karahan und Medet Serhat brachten folgende Magazine und Zeitschriften heraus: „Dicle Kaynağı“ (1949), Şark Mecmuası (1950), Ileri Yurt (1958), Dicle-Fırat (1962), Deng (1963) und Roja Newe (1966). Sie waren alle aufgrund der Repression oder ökonomischer Probleme kurzlebig. Ähnlich erging es den Zeitungen Özgürlük Yolu (1975), Xebat (1976), Rizgarî (1976), Roja Welat (1977), Kawa (1978), Ala Rizgarî (1979) und Serxwebûn (1980). Wie die Titel zeigen, erschienen diese Publikationen zweisprachig auf Türkisch und auf Kurdisch. Die erste Publikation ausschließlich auf Kurdisch war die 1977 von den revolutionärdemokratischen Kulturvereinen DDKD in Amed herausgebrachte Zeitschrift Tîrêj. Von ihr konnten nur vier Ausgaben in der Türkei erscheinen.

Mîqdat Mîdhat Bedirxan

MED-TV wurde zum Quantensprung für das kurdische Medienwesen

Im europäischen Exil fanden schließlich die größten Entwicklungen im kurdischen Medienwesen statt. 1995 wurde der kurdische Fernsehsender MED-TV gegründet. Der Kanal wurde zum Ziel jahrelanger Repression durch den türkischen Staat. Die Repression gegen die kurdische Presse wuchs mit kleinen Unterbrechungen kontinuierlich. Mit der Ausrufung des Ausnahmezustands im Jahr 2016 wurden per Dekret kurdische Fernsehsender, Zeitungen, Radiosender, Agenturen und Zeitschriften geschlossen. Unter diesen befinden sich Azadiya Welat, Özgür Gündem, DIHA, JINHA, Özgür Gün TV, İMC TV, Jiyan TV, Denge TV, Hayat TV, Wan TV, Gün Radyo und die Zeitschrift Tîroj. Am 25. August 2017 folgten weitere Schließungen. Diese betrafen DiHaber, Rojeva Medya und Şûjin. Am 28. März 2018 wurden die Zeitung Özgürlükçü Demokrasi und die Gün-Druckerei unter Zwangsverwaltung gestellt.

Repression gegen kurdische Journalisten auf höchstem Niveau

Der Ko-Vorsitzende des Journalistenvereins Dicle Fırat (DFG), Serdar Altan, hat sich zu den Repressalien gegen Medienschaffende geäußert. Er sagte, dass die Berufsgruppe der Journalist*innen weltweit am meisten von Repression betroffen ist und die Repression gegen kurdische Journalist*innen auf höchstem Niveau sei. Altan erinnerte an die 122-jährige Geschichte des kurdischen Journalismus und fuhr fort: „Das Abenteuer der kurdischen Presse begann im Exil und wurde weltweit zum Symbol der Wahrheitssuche. Das Schweigen der Welt über die Repression gegen die kurdische Identität, Kultur und Sprache wurde vom kurdischen Journalismus durchbrochen. Die kurdische Gesellschaft benötigte eine Zeitung, sie spielte eine wichtige Rolle bei der Bewusstseinsbildung des kurdischen Volkes. Bis dahin war die Unterdrückung durch Besatzer in Kurdistan öffentlich nicht wahrgenommen oder ins Gegenteil verkehrt dargestellt worden. Die kurdische Presse schaffte es Stück für Stück, diese Lücke zu schließen. In den 90er Jahren begann ein bis heute andauernder Prozess der Weiterentwicklung der kurdischen Medien. Musa Anter und Gurbetelli Ersöz waren die Vorreiter des sich immer weiter auf Kurdisch und Türkisch publizierenden kurdischen Journalismus.

Serdar Altan

Die Gefallenen der kurdischen Presse

Wenn wir vom Erfolg der kurdischen Presse sprechen, müssen wir auch voller Respekt an die gefallenen Journalistinnen und Journalisten erinnern. Dutzende haben auf dem Weg der Wahrheit ihr Leben geopfert. Von Apê Musa bis hin zu den Zeitungsverteilern, sie alle sind die Vorreiter einer freien Presse. Der Staat versuchte, die freie Presse durch Mord zum Schweigen bringen. Aber er scheiterte, die freie Presse wurde von Tag zu Tag stärker. In der aktuellen Phase erfahren Kurden auf der ganzen Welt von den Geschehnissen durch den kurdischen Journalismus. Trotz einiger Unzulänglichkeiten sind kurdische Agenturen und Fernseheinrichtungen mit ihren Nachrichten und ihrer Recherche zu Quellen für die Weltpresse geworden. Dies geschah mit der Rojava-Revolution. Dank der kurdischen Presse lernte die Welt den Widerstand des kurdischen Volkes in Rojava gegen den IS kennen."

Der Kampf geht weiter

Altan erinnerte, wie die Repression gegen Journalist*innen unter der 17-jährigen Herrschaft der AKP immer schlimmere Ausmaße angenommen hat und das Regime alle anderen Stimmen mundtot zu machen versucht, indem sie zu „Terroristen“ erklärt werden. Die AKP habe ein eigenes Mediennetzwerk aufgebaut, mit dem sie zu verhindern versucht, dass die eigentlichen Geschehnisse die Gesellschaft erreichen. „Wie bei jedem Erfolg hat dieser auch für die kurdische Presse einen Preis gehabt. Einige Sucher nach Wahrheit landeten im Gefängnis, andere gaben ihr Leben für die Wahrheit. Mut, Entschlossenheit und das Beharren auf der Wahrheit haben an Bedeutung gewonnen. Dank der gefallenen Journalistinnen und Journalisten und derjenigen, die auf ihren Spuren wandeln, geht die Suche nach Wahrheit auch heute mit voller Energie weiter“, so der DFG-Vorsitzende Serdar Altan.