Die Gefängnisse in der Türkei spiegeln die Repression durch das AKP/MHP-Regime ebenso wider wie den entschlossenen Widerstand. Die Gefangenen setzen ihre Körper, ihre Kommunikation und ihr Leben in diesem Widerstand gegen die sich permanent verschärfende Isolation, die Folter und Übergriffe ein. Dabei spielt der Widerstand gegen Isolationsfolter und die Solidarität unter den Gefangenen eine zentrale Rolle. Einer dieser solidarisch kämpfenden Gefangenen ist Nurettin Kaya. Kaya befindet sich seit 211 Tagen im Todesfasten dafür, dass seine Genoss:innen aus der Isolationshaft in den neuen Hochsicherheitsgefängnissen vom Typ Y, S bzw. R verlegt werden.
Hasan Basri Yıldız gehört zur Angehörigenvereinigung TAYAD. Jeden Mittwoch versucht TAYAD vor dem Gericht in Çağlayan eine Kundgebung durchzuführen, um die Forderungen der Gefangenen zu unterstützen. Jeden Mittwoch werden die Teilnehmer:innen festgenommen. Im ANF-Gespräch berichtete Hasan Basri Yıldız über den Gefängniskampf.
„Es sind wahrhaftige Betonsärge“
Yıldız, der seit zwei Jahren mit TAYAD für die Schließung der Y-, S-, und R-Hochsicherheitsgefängnisse kämpft, beschrieb diese Vollzugsanstalten als „Betonsärge im wahrsten Sinne des Wortes“ und sagte: „Dorthin kommt keine Sonne, kein Regen, keine Menschen, überall sind die Gefangenen von Stacheldrahtzäunen umgeben, es gibt auch keinen Hof für Hofgänge, nicht einmal Wächter gibt es. Es sind eigentlich Betonsärge.“ Yıldız merkte an, dass in diesen Gefängnissen, in denen die Gefangenen unter verschärften Bedingungen lebenslänglich gefangen gehalten werden, politische Gefangene in jeder Form isoliert werden. Sogar Gefangene, die im selben Verfahren verurteilt seien, dürften nicht in einer Zelle zusammenbleiben. Dagegen richte sich der Hungerstreik.
„Vom Hungerstreik zum Todesfasten“
Kaya befindet sich seit 15 Jahren in Haft. Yıldız berichtete: „Nurettin wurde vor etwa eineinhalb Jahren aus dem Burhaniye-Gefängnis in das Hochsicherheitsgefängnis Erzurum Dumlu Nr. 1 verlegt. Zur gleichen Zeit wurden auch das Grup-Yorum-Mitglied Cemil Kurt und Alişan Gül aus dem Gefängnis Silivri Nr. 9 in dasselbe Gefängnis verlegt. Alle drei wurden jedoch in Isolationszellen untergebracht. Ihre Forderungen nach Verlegung wurden nicht erfüllt. Daraufhin trat Nurettin Kaya im Mai 2023 in einen Hungerstreik und forderte ein Ende der Verlegungen und willkürlichen Vollzugsverlängerungen, die Schließung der Isolationsgefängnisse und die Verlegung der in diese Gefängnisse verlegten Gefangenen in Gefängnisse in der Nähe ihrer Angehörigen. Nurettin brach seinen Hungerstreik nach 107 Tagen ab, nachdem die Gefängnisverwaltung seinem Antrag und dem der Mitglieder von Grup Yorum auf Verlegung stattgegeben hatte. Als die Verwaltung ihre Zusage jedoch nicht einhielt und die Verlegung nicht stattfand, trat er am 20. Oktober 2023 in ein Todesfasten und wurde am 29. Februar 2024 in das F-Typ-Gefängnis in Bolu verlegt. Da sich sein Antrag auf Verlegung- und Zusammenlegung nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine im Isolationsgefängnis verbliebenen Genossen richtete, setzte er seinen Hungerstreik dort fort und ist entschlossen weiterzumachen, bis Cemil Kurt und Alişan Gül in ein Gefängnis in Istanbul, in der Nähe ihrer Angehörigen verlegt werden.“
„Kaya wiegt nur noch 40 Kilogramm“
Yıldız wies darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand von Nurettin Kaya nach 211 Tagen Todesfasten kritisch sei und er nur noch 40 Kilogramm wiege, Wunden im Hals habe und nur noch schwer sprechen könne. Er könne sich zwar selbst noch mit Vitamin B1 versorgen, sein Körper sei jedoch mittlerweile von Wunden übersät und er erhalte keine Wundcreme und nicht den für Hungerstreikende notwendigen Zucker. Auch ein Luftkissen, auf dem er sitzen und liegen könne, da die Knochen mittlerweile direkt durch die Haut stechen, wird ihm verweigert.
„Die Forderungen wären einfach zu erfüllen“
Yıldız erklärte, dass Kaya derzeit zusammen mit einem älteren Gefangenen inhaftiert sei. Dieser könne ihm aber im Notfall nicht helfen. Er berichtete weiter: „Nurettin betonte, die Forderungen seines Todesfastens seien, in eine Zelle mit einem jüngeren politischen Gefangenen, der ihm helfen könne, verlegt zu werden und dass seine beiden Grup-Yorum-Genossen Cemil Kurt und Alişan Gül ebenfalls verlegt werden."
Yıldız betonte, dass die Forderungen von Nurettin Kaya leicht zu erfüllen seien. Er erinnerte daran, dass die Forderungen von Nedim Öztürk und Hüseyin Karaoğlan, die sich mit denselben Forderungen nach einer Verlegung im Hungerstreik befanden, akzeptiert wurden. Yıldız forderte, dass Kayas Stimme gehört werde, bevor es zu spät sei, und klagte an: „Muss Nurettin sein Leben lassen, damit Cemil Kurt und Alişan Gül verlegt werden können? Wir wollen, dass diese beiden Freunde unverzüglich verlegt werden.“