Obwohl durch das neue Vollzugsgesetz vom 13. Juli 2023 erneut viele Strafgefangene, darunter Menschen, die wegen Mord, Vergewaltigung und anderen schwersten Verbrechen einsitzen, freikommen werden, baut das türkische Justizministerium immer neue Haftanstalten. Diese neuen Gefängnisse sind gezielt auf politische Gefangene ausgerichtet und die Anzahl der Inhaftierten dieser Kategorie steigt stetig. Die neuen S-Typ-Gefängnisse stellen eine weitere Verschärfung der bereits für ihre harte Isolationspraxis bekannten Gefängnisse vom Typ F dar.
Zwanzig Gefängnisse sollen dieses Jahr eröffnet werden
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es sechs Gefängnisse des Typs S in der Türkei, sie befinden sich in Bodrum, Reşqelas (tr. Igdir), Manavgat, Antalya, Samsun und Kırşehir. Das Justizministerium hat bereits im Januar angekündigt, dass in diesem Jahr 20 neue Gefängnisse eröffnet werden sollen. Es ist zu erwarten, dass einige davon ebenfalls dem S-Typ angehören werden. Die Rechtsanwältin Destina Yıldız von der Juristenvereinigung ÖHD Istanbul hat sich eingehend mit den Typ-S-Gefängnissen und deren Vollzugspraxis beschäftigt.
Verschärfte F-Typ-Gefängnisse
Sie erklärte, dass die neuen S-Typ-Gefängnisse in ihrer konkreten Struktur große Ähnlichkeiten mit den berüchtigten F-Typ-Gefängnissen aufweisen und beide Typen gezielt für Isolationszwecke errichtet wurden. Nach Gesprächen mit ihren Mandanten, die in zwei verschiedenen Gefängnissen des Typs S inhaftiert sind, berichtet sie: „Die Gefängnisse bestehen aus drei Stockwerken, wobei sich oben sechs Einzelzellen befinden. Diese Zellen haben keinen Zugang zum Hof, weshalb die Insassen für den Hofgang an einen anderen Ort gebracht werden müssen. Es gibt außerdem sieben Dreipersonenzellen. Der Hof einer dieser Zellen wird für die isolierten Gefangenen aus dem oberen Stockwerk genutzt. Die Zellen im unteren Bereich unterscheiden sich in ihrer baulichen Struktur nicht von den Zellen im F-Typ-Gefängnis. Allerdings befindet sich der Sportplatz zwischen den Blöcken, was es unmöglich macht, nach draußen zu sehen. Dieser Sportbereich ist von hohen Mauern umgeben.“
Immer mehr politische Gefangene in S-Typen
Momentan befinden sich 552 Gefangene in einem Typ-S-Gefängnis, wobei Destina Yıldız beobachtet hat, dass immer mehr Inhaftierte in diese Gefängnisse verlegt werden. Insbesondere die fehlende Möglichkeit, aus den Einzelzellen an die frische Luft zu gehen, verstärkt die Isolation in den S-Typ-Gefängnissen. Dies trifft vor allem jene Gefangenen, die zu einer verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Die Anwältin berichtet, dass immer mehr politische Gefangene in den S-Typen isoliert werden. Sie sagt: „Die S-Typ-Gefängnisse gibt es erst seit zwei Jahren. Daher sind die Verwaltung und das Personal noch nicht etabliert. Meine Mandanten berichten mir, dass die Gefängnisverwaltung eine harte Haltung gegenüber den Gefangenen einnimmt. Außerdem hat sich das Profil der Gefangenen verändert. In den S-Typ-Gefängnissen in Antalya haben wir festgestellt, dass dort mittlerweile mehr politische Gefangene als Strafgefangene inhaftiert sind. Als ich zum ersten Mal ein Gespräch mit einem meiner Mandanten im neu eröffneten S-Typ-Gefängnis in Bodrum führte, hatten die Verlegungen gerade erst begonnen, und es waren noch mehr Strafgefangene inhaftiert.“
Typ der Gefängnisse wird oft erst nach Fertigstellung bekanntgegeben
Das Justizministerium hält sich bezüglich der geplanten Gefängnisneubauten bedeckt. Die Ankündigung vom Januar umfasst Gefängnisse des Typs Y, S sowie Hochsicherheitsgefängnisse, während es auch noch weitere geschlossene Gefängnisse ohne genaue Identifizierung gibt. Bezeichnenderweise werden die genauen Merkmale der neuen Gefängnisse erst nach ihrer Fertigstellung auf der Website der Vollzugsbehörden veröffentlicht. Dieses uneinheitliche Vorgehen des Ministeriums sorgt für Unsicherheit und Unklarheit.
Einrichtung der S-Typen alarmierendes Zeichen
Der Aufbau immer neuer S-Typ-Gefängnisse ist ein alarmierendes Zeichen, das darauf hindeutet, dass sich die Bedingungen für politische Gefangene weiterhin verschlechtern werden. Gleichzeitig werden Strafgefangene, die schwerste Verbrechen begangen haben, aufgrund der Gesetzesneuregelungen freikommen. Dieser Trend ruft bei Aktivist:innen und Menschenrechtsanwält:innen größte Besorgnis hervor, da er eine weitere Verschlechterung der allgemeinen Menschenrechtssituation in der Türkei und Nordkurdistan anzukündigen scheint.