Im Jahr 2022 wurden die ersten Hochsicherheitsgefängnisse des Y-Typs in der Türkei fertiggestellt und 2023 damit begonnen, sie zu belegen. Während die Gefängnisse sich mit Zehntausenden politischen Gefangenen immer mehr füllen, baut das Erdoğan-Regime neue Anlagen, um neue Haftplätze zu schaffen und Gefangenenkollektive durch Isolation zu brechen.
Nach den F-Typ-Isolationsgefängnissen, die speziell für politische Gefangene eingerichtet wurden und in denen eine bis drei Personen in einer Zelle isoliert sind, ist die Besonderheit der Vollzugsanstalten vom Typ Y, dass die Zellen so angeordnet sind, dass jeglicher Kontakt zwischen den Gefangenen in den Einrichtungen nicht möglich sein soll. Die Kapazität dieser dreistöckigen Gefängnisse soll bei 300 bis 400 Personen liegen. Es heißt, dass die Haftanstalten extra für zu einer verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe und nach Terrorparagraphen verurteilte und als „gefährlich“ eingestufte Gefangene geschaffen wurden. Diese Strafen richten sich vor allem gegen politische Gefangene. Der neuen Gefängnisse stellen in jeder Hinsicht eine Verschärfung der Anstalten vom Typ F und S dar.
Einzelisolation auf zwölf Quadratmetern
Rechtsanwalt Naim Eminoğlu vom Verband moderner Jurist:innen (ÇHD) bestätigt die Situation in den Y-Typ-Gefängnissen. Er sagt, in einer Zelle gebe es auf zwölf Quadratmetern eine Toilette, ein Bad, eine Küche und ein Bett. Die Zellen ähnelten den Einzelzellen in den F-Typ-Gefängnissen. Aber im Gegensatz zum Typ F, in dem Dreipersonenzellen die Regel sind, befänden sich in den Y-Typ-Gefängnissen vor allem Einzelzellen. Gegenüber Bianet erklärt der Anwalt: „Das größte Merkmal und der größte Unterschied dieses Gefängnisses ist die Architektur des Bereichs für den Hofgang. In Gefängnissen des Typs F ist der Hof eine Erweiterung des Zellenblocks, der durch eine Tür zugänglich ist. Die Tür zum Hof wird am Morgen geöffnet und am Abend geschlossen. Bei diesem neuen Gefängnistyp ist der Hof als abgeschlossener Bereich konzipiert. Die Gefangenen werden in Begleitung von Vollzugsbeamten in diesen separaten Bereich gebracht und etwa 1,5 Stunden später wieder zurückgebracht. Wenn mehr Zeit für den Hofgang beantragt wird, sagt die Verwaltung, dass sie dann die Zeit für andere Gefangene kürzen müsse. Mit anderen Worten: Der Hofgang ist in dieser Art von Gefängnissen stark eingeschränkt.“
„Bedingungen allein werden als Folter wahrgenommen“
Der Anwalt berichtet von den Erfahrungen seiner Mandant:innen in den Y-Typ-Gefängnissen: „Die Bedingungen in diesem Gefängnis sind noch härter als in den Typ-F-Gefängnissen. Die von mir befragten Gefangenen erklärten, dass sie nicht gefoltert und misshandelt wurden, aber sie empfinden die Bedingungen im Gefängnis selbst als Folter. Die Stimmen derjenigen, die sich auf einem Gang befinden, können die anderen nicht erreichen, nicht nur die Gefangenen selbst, sondern auch ihre Stimmen sind isoliert. Sogar die Kabine für Anwaltsgespräche ist anders. In F-Typ-Gefängnissen gibt es auf zwei Seiten Glas und auf zwei Seiten Mauern. In den Y-Typ-Gefängnissen ist an vier Seiten Glas. Selbst ein weit entfernt befindlicher Beamter kann die Gespräche in der Anwaltskabine genau beobachten.
Verlegung in weit entfernte Gefängnisse – Prozessteilnahme über Video
Vier Mandanten Eminoğlus wurden von Silivri bei Istanbul in das Y-Typ-Gefängnis in Erzîrom verlegt. Zwei seiner Mandanten befinden sich dort als verurteilte Gefangene, zwei weitere in Untersuchungshaft. Der Anwalt berichtet: „Ihre Verfahren werden in Istanbul fortgesetzt und ihre Familien sind ebenfalls in Istanbul. Sie werden wahrscheinlich über Videoschaltung an den Anhörungen teilnehmen. Sie brauchten bereits zwei Tage, um von Silivri hierher zu gelangen, verbrachten eine Nacht im Gefängnis von Samsun und reisten dann weiter. Es ist jetzt sehr schwierig für sie, ihre Familien zu sehen.“ Eminoğlu berichtet, dass drei seiner Mandanten in den Hungerstreik getreten sind. Sie fordern, in die Nähe ihrer Familien und in die Städte verlegt zu werden, in denen ihre Prozesse stattfinden. Die Gefangenen Nurettin Kaya, Mustafa Özgür Mulla und Demir Kurt befinden sich seit dem 2. Mai im unbefristeten Hungerstreik.
Status des „Gefährlichen Gefangenen“
Rechtsanwalt Eminoğlu gab an, dass ihm auf seine Frage, warum seine Mandanten in das Y-Typ-Gefängnis in Erzîrom verlegt wurden, gesagt wurde, dass dieses Gefängnis für „gefährliche Gefangene“ ausgelegt sei. Keiner seiner Mandanten erfülle aber diesen Status. Ein Blick ins Vollzugsgesetz zeigt, dass dieser Status der Disziplinierung politischer Gefangener dienen soll. Im Gesetz zu den Hochsicherheitsgefängnissen heißt es: „In diese Einrichtungen werden diejenigen eingewiesen, die aufgrund ihrer Handlungen und Einstellungen eine Gefährdung darstellen und unter besonderer Aufsicht und Kontrolle gehalten werden müssen, sowie diejenigen, die die Ordnung und Disziplin in den Einrichtungen, in denen sie sich befinden, stören oder die sich hartnäckig Rehabilitationsmaßnahmen, -mitteln und -verfahren widersetzen.“ Dies macht deutlich, dass hier insbesondere die Identität politischer Gefangener gebrochen werden soll.
Das Buchstabenkarussell der türkischen Gefängnistypen
Der türkische Staat benennt die Gefängnisse im Sinne ihrer Funktion nach Buchstaben. Die Vielzahl der Einrichtungen reicht mittlerweile fast durchs ganze Alphabet von A bis Y. So dienten bisher die F-Typ-Isolationsgefängnisse der Inhaftierung politischer Gefangener mit Terrorvorwürfen, während im Typ T und E eher soziale Gefangene und Gefangene aus der organisierten Kriminalität inhaftiert werden sollten. In den Gefängnissen des Typs F und S sind offiziell maximal ein bis drei Personen in einer Zelle untergebracht, während in den Strafvollzugsanstalten des Typs E und T zwischen 20 und 30 Personen sein sollen. Die Realität aufgrund der massiven Verhaftungswellen sieht anders aus. Gefangene schlafen aufgrund der Überbelegung in Schichten, da nicht genug Betten zur Verfügung stehen. So sind sämtliche Gefängnisse massiv überbelegt, und der türkische Staat baut permanent neue Hafteinrichtungen, um die Massen an politischen Gefangenen inhaftieren zu können.