Die Polizei in Riha (tr. Urfa) ermittelt wieder gegen Emine Şenyaşar. Es handelt sich mittlerweile um das vierzehnte Verfahren gegen die 71 Jahre alte Seniorin, das seit Beginn ihrer Mahnwache aufgenommen worden ist. Erneut ist es der AKP-Abgeordnete Ibrahim Halil Yıldız, der sich durch Wehklagen der Kurdin wegen des Ausbleibens der Strafverfolgung seitens der türkischen Justizbehörden beleidigt sieht und diese bei der Polizei zur Anzeige gebracht hat. Yıldız war es auch, der im Juni 2018 in der Kreisstadt Pirsûs (Suruç) den Lynchmob anführte, der den Ehemann von Emine Şenyaşar und zwei ihrer Söhne tötete.
Weil die türkischen Justizbehörden kein Interesse daran zeigen, die Morde restlos aufzuklären, und Ibrahim Halil Yıldız sowie dessen Mafiabande nach wie vor ein Leben in Freiheit genießen, führt Emine Şenyaşar seit März vergangenen Jahres zusammen mit ihrem Sohn Ferit vor dem Gerichtsgebäude in Riha eine „Mahnwache für Gerechtigkeit“ durch. Gestern musste sie das Polizeipräsidium aufsuchen, nachdem sie zuvor eine Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigte erhalten hatte. Erst letzte Woche war Şenyaşar wegen vermeintlicher Beleidigung von Yıldız zu einer Geldstrafe in Höhe von 265 Tagessätzen verurteilt worden. Im Klammergriff von Polizei und Justiz zu sein sei zwar zermürbend, sagt Emine Şenyaşar. Von ihrem Kampf um Gerechtigkeit wolle sie sich dennoch nicht abwenden.
Besuch aus Istanbul
Derweil ist das heute zum 353. Mal durchgeführte Sit-in der 71-Jährigen von einer Gruppe Kunstschaffenden besucht worden. Unter ihnen waren Darstellende der kurdischen Webserie Îşev sowie Mitglieder des Istanbuler Theaterensembles ŞA Performance. Emine Şenyaşar sprach bei der Zusammenkunft über die Hürden und Schwierigkeiten auf dem Weg zu Gerechtigkeit für ihre Familie. Die Gäste würdigten ihren Einsatz. „Auch wenn wir weit weg sind, unsere Herzen sind immer hier bei der Mahnwache. Emine Şenyaşars Streben nach Gerechtigkeit ist ein Beispiel für Kurdistan“, sagte der Theaterdarsteller Tuncay Özel. Seit dem Beginn der Mahnwache haben Dutzende Delegationen politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen vor dem Gerichtsgebäude in Riha Solidarität mit Emine und ihrem Sohn Ferit Şenyaşar gezeigt, der sich ebenfalls an den Sit-ins beteiligt.