UN-Menschenrechtsrat beschließt Ermittlungsmission in Iran

Der UN-Menschenrechtsrat hat eine unabhängige Untersuchungsmission zum gewaltsamen Vorgehen des iranischen Regimes gegen die Protestbewegung beschlossen.

Der UNO-Menschenrechtsrat hat eine Resolution gegen den Iran verabschiedet, mit der das gewaltsame Vorgehen der Führung in Teheran gegen die Protestbewegung unabhängig untersucht werden soll. Die Mehrheit des Gremiums folgte damit am Donnerstag in Genf einem Antrag Deutschlands und Islands. Dabei sollen Fachleute Verstöße gegen die Menschenrechte dokumentieren und Beweismaterial sammeln, das später bei etwaigen Gerichtsprozessen gegen Verantwortliche verwendet werden kann.

Der Rat verabschiedete die Resolution mit 25 Ja- zu sechs Nein-Stimmen, 16 Mitgliedsstaaten enthielten sich. Gegen die Resolution haben Armenien, China, Eritrea, Kuba, Pakistan und Venezuela gestimmt. China beklagte in der Sitzung eine Einmischung in innere Angelegenheiten und versuchte in letzter Minute, den Paragrafen, der die unabhängige Untersuchung forderte, aus der Resolution zu streichen. Der Rat stimmte mit großer Mehrheit dagegen.

Volker Türk: „Tyrannei“ und eine „ausgemachte Menschenrechtskrise”

Zum Auftakt der Sondersitzung zeichnete der neue UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ein düsteres Bild über die Lage in Iran. „Die unnötige und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt im Iran muss ein Ende haben”, sagte Türk vor dem Gremium in Genf und bezeichnete das Vorgehen gegen Demonstrierende als „Tyrannei“. Es herrsche eine „ausgemachte Menschenrechtskrise” in Iran, 14.000 Menschen, darunter Kinder, seien wegen der Proteste festgenommen worden. Es werde versucht, Aktive der Zivilgesellschaft sowie Journalistinnen und Journalisten zu diskreditieren und sie „als Agenten von Feinden und ausländischen Staaten abzustempeln“, so der österreichische Jurist. „Das ist ein bequemes Narrativ. Wie wir in der Geschichte gesehen haben, ist dies das typische Narrativ der Tyrannei, um von den Ursachen der Beschwerden abzulenken.“ Besorgniserregend sei auch die zunehmende Zahl an Todesurteilen.

Baerbock: Flagge gegen Unrecht, Schläge und Schüsse zeigen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete die Sondersitzung des Menschenrechtsrats als Chance, die Stimme für die Rechte der Menschen in Iran zu erheben. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten zwar keinen Sitz im Menschenrechtsrat in Genf, erklärte Baerbock vor dem Beginn der Beratungen. „Der Menschenrechtsrat wurde aber geschaffen, um die Stimme der Menschen zu sein, deren unteilbare Rechte bei ihnen zu Hause verwehrt werden.” Die Mitglieder des UN-Gremiums könnten „gegen das Unrecht, die Schläge und die Schüsse, mit denen das iranische Regime friedlichen Protest zerstören will, Flagge zeigen“. Die Verantwortlichen des iranischen Regimes müssten zur Rechenschaft gezogen werden. 50 Staaten haben laut Baerbock die Resolution eingebracht, es können aber nur die 47 Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrats darüber entscheiden.

Iranische Vertreterin: Arrogante Staaten missbrauchen Menschenrechtsrat

Die iranische Vertreterin im UNO-Menschenrechtsrat, Khadijeh Karimi, wies den Entwurf für den Beschluss als „ungeheuerlich und schändlich” zurück. „Die Islamische Republik Iran bedauert zutiefst, dass der Menschenrechtsrat erneut missbraucht wird von einigen arroganten Staaten, um einen souveränen UNO-Mitgliedstaat zu verärgern, der vollumfänglich zu seiner Verpflichtung steht, Menschenrechte zu fördern und zu schützen”, sagte die für Frauen und Familie zuständige iranische Vizepräsidentin in einer Rede vor dem Rat. Es sei nicht hinzunehmen, dass das gemeinsame Anliegen der Menschenrechte für politische Zwecke einer bestimmten Gruppe westlicher Staaten reduziert werde. Dabei nannte Karimi Deutschland ausdrücklich.

Hunderte Tote seit Beginn des Aufstands

Seit dem staatlichen Mord von Jina Mahsa Amini erlebt Iran einen landesweiten Volksaufstand gegen das Mullah-Regime. Die 22-jährige Kurdin aus Seqiz (Saqqez) war Mitte September nach ihrer Festnahme in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung von der Sittenpolizei zu Tode geprügelt worden. Aus anfänglichen Protesten gegen ihren Tod hat sich eine von Frauen und der Jugend getragenen Revolutionsbewegung entwickelt, die zur größten Herausforderung für den herrschenden Klerus seit 1979 geworden ist. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass der Aufstand bisher zwischen 400 und 600 Todesopfer gefordert hat. In den kurdischen Regionen Irans (Rojhilat bzw. Ostkurdistan) ist die Lage derzeit besonders dramatisch. Dort hat die Gewalt in den letzten Tagen noch einmal massiv zugenommen. Das Regime führt regelrecht einen Krieg gegen die Bevölkerung. Binnen einer Woche wurden Menschenrechtsgruppen zufolge mehr als 50 Menschen in Rojhilat von staatlichen Truppen ermordet.