In mehreren kurdischen Städten Irans herrscht Ausnahmezustand. Bei den Protesten gegen das Regime spielen sich kriegsähnliche Szenen ab. Es grassiert die Furcht, dass eine blutige Niederschlagung der Revolutionsbewegung im Gange ist. Menschenrechtsgruppen schlagen Alarm und fordern die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen auf.
Besonders kritisch ist die Lage derzeit in Ciwanro (Dschavanrud) in der Provinz Kirmaşan (Kermanschah), in Pîranşar (Piranschahr) sowie in Mahabad. Bei Protesten am Montag schossen iranische Revolutionsgarden und Basidsch-Milizen wahllos auf Demonstrierende, nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen Hengaw und Kurdistan Human Rights Network (KHRN) gibt es viele Tote und Verletzte. In sozialen Netzwerken von beiden Gruppen geteilte Videos aus Ciwanro zeigen Straßen mit Leichen. Zuvor veröffentlichte Hengaw die Identitäten von sechs Personen, die am Sonntag „durch direktes Feuer der Regierungstruppen“ getötet wurden. Unter den Opfern sind zwei 16-jährige Schüler.
Bereits am Wochenende waren iranische Regimetruppen äußerst brutal gegen die Bevölkerung in Ostkurdistan vorgegangen, vielerorts wurden Massaker befürchtet. Teheran hatte große Truppenkontingente für die Niederschlagung des Volksaufstandes bereitgestellt. Am Samstag war zunächst in Mahabad iranisches Militär samt Revolutionsgarde mit Panzern einmarschiert, die ganze Nacht über sowie am Sonntag wurde wahllos auf Demonstrierende und Häuser geschossen. Später wiederholten sich die Szenen auch in anderen Regionen Ostkurdistans. Menschenrechtsgruppen beziffern die Todesopfer der vergangenen Tage auf mehr als 35.
Indes hat der Sicherheitsrat der Provinz Kirmaşan den Notstand ausgerufen. Krankenhäuser, staatliche Einrichtungen und Sicherheitsbehörden wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Der Grund hierfür seien Aufrufe zu weiteren Demonstrationen in Ciwanro, schrieb der Journalist Ammar Goli bei Twitter und verwies auf eine Quelle in der Behörde. Die Hazrat-Rasool-Klinik in der Stadt rief die Bevölkerung zu Blutspenden auf. „Wir haben zu viele Verletzte und die Konservenbestände nähern sich einer kritischen Untergrenze“, hieß es aus dem Krankenhaus.
Die Proteste gegen das iranische Regime hatten sich Mitte September am Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini entzündet. Die 22-Jährige aus Seqiz (Saqqez) war nach ihrer Festnahme in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung des islamistischen Klerus zu Tode geprügelt worden. Aus den Protesten hat sich eine Revolutionsbewegung entwickelt, die vor allem von Frauen und der Jugend getragen wird. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wurden seit Beginn des Aufstands mindestens 400 Menschen getötet. Etwa 15.000 wurden festgenommen oder verhaftet.